logo

Interview

«Die Zukunft braucht Herkunft»: Wie Rausch-CEO Sandra Banholzer es mit Kosmetikgiganten aufnimmt

Regionale Rohstoffe, nachhaltige Produktion und hohe Ansprüche der Kundschaft und des Detailhandels: Die Kosmetikindustrie steht vor grossen Herausforderungen. Wie Rausch-CEO Sandra Banholzer diese meistert und gleichzeitig die Tradition der Kräuterkosmetik bewahrt, erzählt sie im Interview.

Odilia Hiller am 31. August 2024

Der Duft von Sommer und frisch geschnittenem Gras empfängt die Besuchenden hinter dem Firmengebäude im Kräutergarten von Rausch in Kreuzlingen. Hier, zwischen Seerücken und Bodensee, wird seit über 130 Jahren hochwertige, natürliche Kosmetik hergestellt. Am bekanntesten sind die Haarpflegeprodukte.

An der Spitze des Schweizer Traditionsunternehmens steht seit 2021 Sandra Banholzer. Die erfahrene Managerin, die zuvor unter anderem für den Migros-Konzern tätig war, hat sich einer besonderen Herausforderung gestellt: die Seele der Marke bewahren und gleichzeitig mit Innovationskraft und Nachhaltigkeit in die Zukunft führen. Dafür wurde sie in diesem Jahr mit dem Titel CEO of the Year des Swiss Economic Forum in Interlaken belohnt.

Sandra Banholzer, Sie haben als erste externe CEO die Führung von Rausch übernommen. Was hat Sie an dieser Aufgabe gereizt?

Unternehmenskultur und Menschen haben mich schon immer fasziniert. In der heutigen digitalen Zeit kann man vor allem mit und durch Menschen wirklich etwas bewegen. Bei Rausch reizte mich die Kombination aus Tradition und dem Potenzial, diese in die Zukunft zu führen. Die Produkte überzeugten mich vom ersten Moment an – ein echter Schatz an natürlichen Inhaltsstoffen und Schweizer Handwerkskunst, aus dem man noch viel machen kann. Die Chance, diese einzigartige Marke in eine neue Ära zu führen und gleichzeitig ihre Werte zu bewahren, war eine Herausforderung, der ich mich nicht entziehen konnte.

Rausch steht für Schweizer Qualität und traditionelle Kräuterkosmetik. Wie bringen Sie diese Werte mit den Anforderungen der modernen Kosmetikindustrie zusammen, die oft von schnell wechselnden Trends und harten Preiskämpfen geprägt ist?

Für mich ist das kein Widerspruch. Im Gegenteil: Die Zukunft braucht Herkunft. Gerade in unserer schnelllebigen Zeit sehnen sich die Menschen nach Authentizität und nach Produkten, die auf natürlichen Inhaltsstoffen und bewährten Rezepturen basieren. Unsere lange Tradition, das Kräuterwissen und die speziellen Herstellungsverfahren – das ist unsere DNA, das macht uns einzigartig. Diese Werte gilt es zu bewahren und gleichzeitig mit modernen Erkenntnissen aus der Kosmetikforschung und den Wünschen der Konsumenten von heute zu verbinden. Wir kombinieren traditionelle Rezepturen mit modernen Wirkstoffen und beweisen die Wirksamkeit unserer Produkte durch unabhängige dermatologische Tests. So schaffen wir eine Brücke zwischen Tradition und Innovation und sprechen damit eine wachsende Zielgruppe an, die Wert auf Natürlichkeit, Qualität und Wirksamkeit legt und sich dabei wohlfühlen kann.

Rausch bezieht seine Rohstoffe laut eigenen Angaben wenn immer möglich aus der Schweiz und aus Europa, beispielsweise die Thurgauer Äpfel aus Kesswil für die neue Anti-Pollution-Haarpflegelinie. Wie wichtig ist Ihnen diese regionale Produktion?

Die regionale Produktion ist uns sehr wichtig. Sie ermöglicht uns, die Transportwege kurz zu halten und so unseren ökologischen Fussabdruck zu reduzieren. Ausserdem können wir so sicherstellen, dass unsere Rohstoffe unter optimalen Bedingungen angebaut und verarbeitet werden.

Wie machen Sie Rausch fit für die digitale Welt und die Bedürfnisse der heutigen Konsumentinnen und Konsumenten, die online nach Informationen suchen, sich von Influencern inspirieren lassen und hohe Ansprüche an die Nachhaltigkeit von Produkten stellen?

Die Digitalisierung ist eine Chance, unsere Marke einem grösseren Publikum zugänglich zu machen und mit unseren Kunden auf neuen Wegen in Kontakt zu treten. Wir haben unsere Website modernisiert, sind in den sozialen Medien aktiv und setzen auch auf Influencer-Marketing, um unsere Produkte und Werte zu kommunizieren. Wichtig ist uns dabei, authentisch zu bleiben und Mehrwert zu bieten. Wir wollen nicht einfach Produkte verkaufen, sondern unsere Kunden mitnehmen auf eine Reise in die Welt der natürlichen Schönheitspflege.

Welche Rolle spielt die ökologische Nachhaltigkeit bei Ihren Produkten?

Nachhaltigkeit ist für uns kein Trendwort, sondern fest in unserer Unternehmensstrategie verankert. Das beginnt bei der sorgfältigen Auswahl unserer Rohstoffe und Lieferanten und zieht sich durch die gesamte Wertschöpfungskette. Wir setzen auf natürliche und nachwachsende Rohstoffe, bei den Kräutern wenn immer möglich aus kontrolliert biologischem Anbau oder Wildsammlung. Unsere Verpackungen sind recyclebar, und wir arbeiten kontinuierlich daran, unseren ökologischen Fussabdruck weiter zu reduzieren. Die hohen Anforderungen der grossen Retailer wie beispielsweise Coop sind eine Herausforderung, aber wir sehen sie als Ansporn, unsere Prozesse stetig zu verbessern und transparent zu gestalten.

Sandra Banholzer

Sie legen also grossen Wert auf die Qualität und die Herkunft Ihrer Rohstoffe. Wie stellen Sie sicher, dass Ihre Lieferanten die gleichen Werte teilen und die hohen Anforderungen von Rausch erfüllen?

Vertrauen ist die Basis für jede gute Zusammenarbeit. Wir arbeiten mit Partnern zusammen, die unsere hohen Qualitätsstandards erfüllen und unsere Werte teilen. Die Rückverfolgbarkeit der Rohstoffe ist dabei essenziell. Bei natürlichen Inhaltsstoffen wie Kräutern ist das nicht immer einfach, aber wir setzen auf langfristige Partnerschaften und überprüfen die Qualität regelmässig. So können wir sicherstellen, dass unsere Produkte den hohen Ansprüchen unserer Kunden gerecht werden.

Rausch ist international tätig, auch in Asien und im Mittleren Osten. Das Engagement in diesen Märkten geht auf den langjährigen Rausch-Patron Marco Baumann zurück. In Südkorea wurde Ihre Marke jüngst zum Brand of the Year in der Kategorie Kopfhautpflege gekürt. Was macht den Erfolg Ihrer Produkte in Übersee aus, und wie sieht die Expansionsstrategie aus?

Asiatische Konsumentinnen und Konsumenten schätzen die hohe Qualität, die natürlichen Inhaltsstoffe und die lange Tradition unserer Produkte. Wir setzen auf nachhaltiges Wachstum und bauen langfristige Partnerschaften mit lokalen Distributoren auf, die die Besonderheiten ihrer Märkte kennen. Für Südostasien fahren wir eine neue «Online first»-Strategie: Wir beschreiten neue Wege mit einem «Asia Hub», wo lokale Mitarbeitende für uns tätig sind – seit Kurzem auch mit einem eigenen Webshop in Singapur, um die Bedürfnisse der asiatischen Kundinnen und Kunden besser zu verstehen und unsere Produkte entsprechend lokal vermarkten zu können.

Als Frau an der Spitze eines Unternehmens sind Sie ein Vorbild für viele junge Frauen. Wie haben Sie Ihren Weg an die Spitze erlebt, und was raten Sie anderen Frauen, die eine Führungsposition anstreben?

Ich habe mich als Frau nie benachteiligt gefühlt, musste aber auch Rückschläge einstecken. Wichtig ist, sich nicht entmutigen zu lassen, die eigenen Ziele klar zu artikulieren und die Chancen zu ergreifen. Jungen Frauen, die eine Führungsposition anstreben, rate ich: Seid mutig, zeigt Initiative und steht zu euren Zielen! Scheut euch nicht, eure Meinung zu sagen und für eure Interessen einzustehen. Und vergesst nie: Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist möglich, wenn beide Partner und der Arbeitgeber an einem Strang ziehen.

Sie wurden kürzlich vom SEF Woman Award als CEO of the Year ausgezeichnet. Was macht Ihren Führungsstil aus?

Mir ist es wichtig, nahbar und authentisch zu sein und unabhängig von der Hierarchiestufe auf Augenhöhe mit allen Mitarbeitenden zu kommunizieren. Ich bin überzeugt, dass man nur gemeinsam erfolgreich sein kann. Offener Austausch, gegenseitiges Vertrauen und die Förderung individueller Stärken sind mir besonders wichtig. Die Herausforderungen der heutigen Zeit erfordern Flexibilität, Agilität und die Bereitschaft, neue Wege zu gehen. Das gilt für mich persönlich genauso wie für unser Unternehmen.

Zum Schluss: Was bedeutet für Sie persönlich natürliche Schönheit?

Natürliche Schönheit bedeutet für mich, authentisch zu sein. Sich zu pflegen und ein gepflegtes Auftreten sind mir wichtig, aber wichtiger ist es, sich selbst treu zu bleiben und die eigene Persönlichkeit zum Strahlen zu bringen.

Sandra Banholzer ist seit Juli 2021 die erste externe CEO des 134-jährigen Familienunternehmens Rausch AG Kreuzlingen, das auf Kräuterkosmetik spezialisiert ist. Die 47-Jährige bringt umfangreiche Erfahrung im internationalen Vertrieb mit, die sie unter anderem bei der Migros Industrie sammelte. Banholzer kommt ursprünglich aus dem Bernbiet und hat einen Bachelor-Abschluss in Betriebswirtschaft. Mit ihrem Mann zieht sie zwei Töchter gross, die Familie lebt in Zürich.

Einige Highlights

Uzwilerin mit begrenzter Lebenserwartung

Das Schicksal von Beatrice Weiss: «Ohne Selbstschutz kann die Menschheit richtig grässlich sein»

am 11. Mär 2024
Im Gespräch mit Martina Hingis

«…und das als Frau. Und man verdient auch noch Geld damit»

am 19. Jun 2022
Das grosse Gespräch

Bauernpräsident Ritter: «Es gibt sicher auch schöne Journalisten»

am 15. Jun 2024
Eine Analyse zur aktuellen Lage

Die Schweiz am Abgrund? Wie steigende Fixkosten das Haushaltbudget durcheinanderwirbeln

am 04. Apr 2024
DG: DG: Politik

«Die» Wirtschaft gibt es nicht

am 03. Sep 2024
Gastkommentar

Kein Asyl- und Bleiberecht für Kriminelle: Null-Toleranz-Strategie zur Sicherheit der Schweiz

am 18. Jul 2024
Gastkommentar

Falsche Berechnungen zu den AHV-Finanzen: Soll die Abstimmung zum Frauenrentenalter wiederholt werden?

am 15. Aug 2024
Gastkommentar

Grenze schützen – illegale Migration verhindern

am 17. Jul 2024
Sensibilisierung ja, aber…

Nach Entführungsversuchen in der Ostschweiz: Wie Facebook und Eltern die Polizeiarbeit erschweren können

am 05. Jul 2024
Pitbull vs. Malteser

Nach dem tödlichen Übergriff auf einen Pitbull in St.Gallen: Welche Folgen hat die Selbstjustiz?

am 26. Jun 2024
Politik mit Tarnkappe

Sie wollen die angebliche Unterwanderung der Gesellschaft in der Ostschweiz verhindern

am 24. Jun 2024
Paralympische Spiele in Paris Ende August

Para-Rollstuhlfahrerin Catherine Debrunner sagt: «Für ein reiches Land hinkt die Schweiz in vielen Bereichen noch weit hinterher»

am 24. Jun 2024
Politik extrem

Paradox: Mit Gewaltrhetorik für eine humanere Gesellschaft

am 10. Jun 2024
Das grosse Bundesratsinterview zur Schuldenbremse

«Rechtswidrig und teuer»: Bundesrätin Karin Keller-Sutter warnt Parlament vor Verfassungsbruch

am 27. Mai 2024
Eindrucksvolle Ausbildung

Der Gossauer Nicola Damann würde als Gardist für den Papst sein Leben riskieren: «Unser Heiliger Vater schätzt unsere Arbeit sehr»

am 24. Mai 2024
Zahlen am Beispiel Thurgau

Asylchaos im Durchschnittskanton

am 29. Apr 2024
Interview mit dem St.Galler SP-Regierungsrat

Fredy Fässler: «Ja, ich trage einige Geheimnisse mit mir herum»

am 01. Mai 2024
Nach frühem Rücktritt: Wird man zur «lame duck»?

Exklusivinterview mit Regierungsrat Kölliker: «Der Krebs hat mir aufgezeigt, dass die Situation nicht gesund ist»

am 29. Feb 2024
Die Säntis-Vermarktung

Jakob Gülünay: Weshalb die Ostschweiz mehr zusammenarbeiten sollte und ob dereinst Massen von Chinesen auf dem Säntis sind

am 20. Apr 2024
Neues Buch «Nichts gegen eine Million»

Die Ostschweizerin ist einem perfiden Online-Betrug zum Opfer gefallen – und verlor dabei fast eine Million Franken

am 08. Apr 2024
Gastkommentar

Weltweite Zunahme der Christenverfolgung

am 29. Mär 2024
Aktionswoche bis 17. März

Michel Sutter war abhängig und kriminell: «Ich wollte ein netter Einbrecher sein und klaute nie aus Privathäusern»

am 12. Mär 2024
Teuerung und Armut

Familienvater in Geldnot: «Wir können einige Tage fasten, doch die Angst vor offenen Rechnungen ist am schlimmsten»

am 24. Feb 2024
Naomi Eigenmann

Sexueller Missbrauch: Wie diese Rheintalerin ihr Erlebtes verarbeitet und anderen Opfern helfen will

am 02. Dez 2023
Best of 2023 | Meine Person des Jahres

Die heilige Franziska?

am 26. Dez 2023
Treffen mit Publizist Konrad Hummler

«Das Verschwinden des ‘Nebelspalters’ wäre für einige Journalisten das Schönste, was passieren könnte»

am 14. Sep 2023
Neurofeedback-Therapeutin Anja Hussong

«Eine Hirnhälfte in den Händen zu halten, ist ein sehr besonderes Gefühl»

am 03. Nov 2023
Die 20-jährige Alina Granwehr

Die Spitze im Visier - Wird diese Tennisspielerin dereinst so erfolgreich wie Martina Hingis?

am 05. Okt 2023
Podcast mit Stephanie Stadelmann

«Es ging lange, bis ich das Lachen wieder gefunden habe»

am 22. Dez 2022
Playboy-Model Salomé Lüthy

«Mein Freund steht zu 100% hinter mir»

am 09. Nov 2022
Neue Formen des Zusammenlebens

Architektin Regula Geisser: «Der Mensch wäre eigentlich für Mehrfamilienhäuser geschaffen»

am 01. Jan 2024
Podcast mit Marco Schwinger

Der Kampf zurück ins Leben

am 14. Nov 2022
Hanspeter Krüsi im Podcast

«In meinem Beruf gibt es leider nicht viele freudige Ereignisse»

am 12. Okt 2022
Stölzle /  Brányik
Autor/in
Odilia Hiller

Odilia Hiller aus St.Gallen war von August 2023 bis Juli 2024 Co-Chefredaktorin von «Die Ostschweiz». Frühere berufliche Stationen: St.Galler Tagblatt, NZZ, Universität St.Gallen.

Hier klicken, um die Mobile App von «Die Ostschweiz» zu installieren.