Regionale Rohstoffe, nachhaltige Produktion und hohe Ansprüche der Kundschaft und des Detailhandels: Die Kosmetikindustrie steht vor grossen Herausforderungen. Wie Rausch-CEO Sandra Banholzer diese meistert und gleichzeitig die Tradition der Kräuterkosmetik bewahrt, erzählt sie im Interview.
Der Duft von Sommer und frisch geschnittenem Gras empfängt die Besuchenden hinter dem Firmengebäude im Kräutergarten von Rausch in Kreuzlingen. Hier, zwischen Seerücken und Bodensee, wird seit über 130 Jahren hochwertige, natürliche Kosmetik hergestellt. Am bekanntesten sind die Haarpflegeprodukte.
An der Spitze des Schweizer Traditionsunternehmens steht seit 2021 Sandra Banholzer. Die erfahrene Managerin, die zuvor unter anderem für den Migros-Konzern tätig war, hat sich einer besonderen Herausforderung gestellt: die Seele der Marke bewahren und gleichzeitig mit Innovationskraft und Nachhaltigkeit in die Zukunft führen. Dafür wurde sie in diesem Jahr mit dem Titel CEO of the Year des Swiss Economic Forum in Interlaken belohnt.
Sandra Banholzer, Sie haben als erste externe CEO die Führung von Rausch übernommen. Was hat Sie an dieser Aufgabe gereizt?
Unternehmenskultur und Menschen haben mich schon immer fasziniert. In der heutigen digitalen Zeit kann man vor allem mit und durch Menschen wirklich etwas bewegen. Bei Rausch reizte mich die Kombination aus Tradition und dem Potenzial, diese in die Zukunft zu führen. Die Produkte überzeugten mich vom ersten Moment an – ein echter Schatz an natürlichen Inhaltsstoffen und Schweizer Handwerkskunst, aus dem man noch viel machen kann. Die Chance, diese einzigartige Marke in eine neue Ära zu führen und gleichzeitig ihre Werte zu bewahren, war eine Herausforderung, der ich mich nicht entziehen konnte.
Rausch steht für Schweizer Qualität und traditionelle Kräuterkosmetik. Wie bringen Sie diese Werte mit den Anforderungen der modernen Kosmetikindustrie zusammen, die oft von schnell wechselnden Trends und harten Preiskämpfen geprägt ist?
Für mich ist das kein Widerspruch. Im Gegenteil: Die Zukunft braucht Herkunft. Gerade in unserer schnelllebigen Zeit sehnen sich die Menschen nach Authentizität und nach Produkten, die auf natürlichen Inhaltsstoffen und bewährten Rezepturen basieren. Unsere lange Tradition, das Kräuterwissen und die speziellen Herstellungsverfahren – das ist unsere DNA, das macht uns einzigartig. Diese Werte gilt es zu bewahren und gleichzeitig mit modernen Erkenntnissen aus der Kosmetikforschung und den Wünschen der Konsumenten von heute zu verbinden. Wir kombinieren traditionelle Rezepturen mit modernen Wirkstoffen und beweisen die Wirksamkeit unserer Produkte durch unabhängige dermatologische Tests. So schaffen wir eine Brücke zwischen Tradition und Innovation und sprechen damit eine wachsende Zielgruppe an, die Wert auf Natürlichkeit, Qualität und Wirksamkeit legt und sich dabei wohlfühlen kann.
Rausch bezieht seine Rohstoffe laut eigenen Angaben wenn immer möglich aus der Schweiz und aus Europa, beispielsweise die Thurgauer Äpfel aus Kesswil für die neue Anti-Pollution-Haarpflegelinie. Wie wichtig ist Ihnen diese regionale Produktion?
Die regionale Produktion ist uns sehr wichtig. Sie ermöglicht uns, die Transportwege kurz zu halten und so unseren ökologischen Fussabdruck zu reduzieren. Ausserdem können wir so sicherstellen, dass unsere Rohstoffe unter optimalen Bedingungen angebaut und verarbeitet werden.
Wie machen Sie Rausch fit für die digitale Welt und die Bedürfnisse der heutigen Konsumentinnen und Konsumenten, die online nach Informationen suchen, sich von Influencern inspirieren lassen und hohe Ansprüche an die Nachhaltigkeit von Produkten stellen?
Die Digitalisierung ist eine Chance, unsere Marke einem grösseren Publikum zugänglich zu machen und mit unseren Kunden auf neuen Wegen in Kontakt zu treten. Wir haben unsere Website modernisiert, sind in den sozialen Medien aktiv und setzen auch auf Influencer-Marketing, um unsere Produkte und Werte zu kommunizieren. Wichtig ist uns dabei, authentisch zu bleiben und Mehrwert zu bieten. Wir wollen nicht einfach Produkte verkaufen, sondern unsere Kunden mitnehmen auf eine Reise in die Welt der natürlichen Schönheitspflege.
Welche Rolle spielt die ökologische Nachhaltigkeit bei Ihren Produkten?
Nachhaltigkeit ist für uns kein Trendwort, sondern fest in unserer Unternehmensstrategie verankert. Das beginnt bei der sorgfältigen Auswahl unserer Rohstoffe und Lieferanten und zieht sich durch die gesamte Wertschöpfungskette. Wir setzen auf natürliche und nachwachsende Rohstoffe, bei den Kräutern wenn immer möglich aus kontrolliert biologischem Anbau oder Wildsammlung. Unsere Verpackungen sind recyclebar, und wir arbeiten kontinuierlich daran, unseren ökologischen Fussabdruck weiter zu reduzieren. Die hohen Anforderungen der grossen Retailer wie beispielsweise Coop sind eine Herausforderung, aber wir sehen sie als Ansporn, unsere Prozesse stetig zu verbessern und transparent zu gestalten.
Sie legen also grossen Wert auf die Qualität und die Herkunft Ihrer Rohstoffe. Wie stellen Sie sicher, dass Ihre Lieferanten die gleichen Werte teilen und die hohen Anforderungen von Rausch erfüllen?
Vertrauen ist die Basis für jede gute Zusammenarbeit. Wir arbeiten mit Partnern zusammen, die unsere hohen Qualitätsstandards erfüllen und unsere Werte teilen. Die Rückverfolgbarkeit der Rohstoffe ist dabei essenziell. Bei natürlichen Inhaltsstoffen wie Kräutern ist das nicht immer einfach, aber wir setzen auf langfristige Partnerschaften und überprüfen die Qualität regelmässig. So können wir sicherstellen, dass unsere Produkte den hohen Ansprüchen unserer Kunden gerecht werden.
Rausch ist international tätig, auch in Asien und im Mittleren Osten. Das Engagement in diesen Märkten geht auf den langjährigen Rausch-Patron Marco Baumann zurück. In Südkorea wurde Ihre Marke jüngst zum Brand of the Year in der Kategorie Kopfhautpflege gekürt. Was macht den Erfolg Ihrer Produkte in Übersee aus, und wie sieht die Expansionsstrategie aus?
Asiatische Konsumentinnen und Konsumenten schätzen die hohe Qualität, die natürlichen Inhaltsstoffe und die lange Tradition unserer Produkte. Wir setzen auf nachhaltiges Wachstum und bauen langfristige Partnerschaften mit lokalen Distributoren auf, die die Besonderheiten ihrer Märkte kennen. Für Südostasien fahren wir eine neue «Online first»-Strategie: Wir beschreiten neue Wege mit einem «Asia Hub», wo lokale Mitarbeitende für uns tätig sind – seit Kurzem auch mit einem eigenen Webshop in Singapur, um die Bedürfnisse der asiatischen Kundinnen und Kunden besser zu verstehen und unsere Produkte entsprechend lokal vermarkten zu können.
Als Frau an der Spitze eines Unternehmens sind Sie ein Vorbild für viele junge Frauen. Wie haben Sie Ihren Weg an die Spitze erlebt, und was raten Sie anderen Frauen, die eine Führungsposition anstreben?
Ich habe mich als Frau nie benachteiligt gefühlt, musste aber auch Rückschläge einstecken. Wichtig ist, sich nicht entmutigen zu lassen, die eigenen Ziele klar zu artikulieren und die Chancen zu ergreifen. Jungen Frauen, die eine Führungsposition anstreben, rate ich: Seid mutig, zeigt Initiative und steht zu euren Zielen! Scheut euch nicht, eure Meinung zu sagen und für eure Interessen einzustehen. Und vergesst nie: Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist möglich, wenn beide Partner und der Arbeitgeber an einem Strang ziehen.
Sie wurden kürzlich vom SEF Woman Award als CEO of the Year ausgezeichnet. Was macht Ihren Führungsstil aus?
Mir ist es wichtig, nahbar und authentisch zu sein und unabhängig von der Hierarchiestufe auf Augenhöhe mit allen Mitarbeitenden zu kommunizieren. Ich bin überzeugt, dass man nur gemeinsam erfolgreich sein kann. Offener Austausch, gegenseitiges Vertrauen und die Förderung individueller Stärken sind mir besonders wichtig. Die Herausforderungen der heutigen Zeit erfordern Flexibilität, Agilität und die Bereitschaft, neue Wege zu gehen. Das gilt für mich persönlich genauso wie für unser Unternehmen.
Zum Schluss: Was bedeutet für Sie persönlich natürliche Schönheit?
Natürliche Schönheit bedeutet für mich, authentisch zu sein. Sich zu pflegen und ein gepflegtes Auftreten sind mir wichtig, aber wichtiger ist es, sich selbst treu zu bleiben und die eigene Persönlichkeit zum Strahlen zu bringen.
Sandra Banholzer ist seit Juli 2021 die erste externe CEO des 134-jährigen Familienunternehmens Rausch AG Kreuzlingen, das auf Kräuterkosmetik spezialisiert ist. Die 47-Jährige bringt umfangreiche Erfahrung im internationalen Vertrieb mit, die sie unter anderem bei der Migros Industrie sammelte. Banholzer kommt ursprünglich aus dem Bernbiet und hat einen Bachelor-Abschluss in Betriebswirtschaft. Mit ihrem Mann zieht sie zwei Töchter gross, die Familie lebt in Zürich.
Odilia Hiller aus St.Gallen war von August 2023 bis Juli 2024 Co-Chefredaktorin von «Die Ostschweiz». Frühere berufliche Stationen: St.Galler Tagblatt, NZZ, Universität St.Gallen.
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