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Zeyer zur Zeit

Drohendes Massensterben durch Corona

Menschliche Verluste sind immer tragisch. Aber wie steht es denn um Wirtschaftsleichen? Hier spielen sich auch Tragödien ab.

«Die Ostschweiz» Archiv am 30. November 2020

Jeder dritte Selbstständige fürchtet um seine Existenz. Bei kleinen KMU ist es sogar jede zweite. Das zeigt eine Studie der Uni Lausanne und Zürich.

Es gibt in der Schweiz rund 600'000 KMU; 90 Prozent davon beschäftigen weniger als 10 Angestellte. Immer gelobt und gepriesen als das eigentliche Rückgrat der Schweizer Wirtschaft, die Basis für unseren Wohlstand. Schnell, innovativ, meistens inhabergeführt, also langfristig ausgerichtet.

Davon sehen 200'000 KMU schwarz für die Zukunft. Erste Welle, gewaltige Einbrüche beim Umsatz, zweite Welle, nochmals Einbrüche. Und wann das aufhört, man weiss es nicht. Jahrelange Aufbauarbeit, Investitionen, Selbstausbeutung, schlaflose Nächte, gewagte Entscheidungen: löst sich gerade in diesem Jahr alles in Rauch auf.

Notkredite, Einkommensersatz, zinsfrei oder gar nicht rückzahlbar, das hat geholfen. Ein wenig. Das war auch das Mindeste, dass der Staat, die Schweizer Regierung, die diesen Frontalangriff auf die eigene Wirtschaft führte, für die Schäden einsteht, die er angerichtet hat.

Aber wie tut er das? Da darf ich endlich mal in die ganz, ganz grossen Zahlen steigen. Nehmen wir’s doch gleich weltweit. Da wird’s natürlich statistisch etwas dünn, aber vertrauen wir mal den Zahlen des Internationalen Instituts für Finanzen (IIF) in Washington. Obwohl dem UBS-Chef Axel Weber vorsteht.

Soweit man das überblicken kann, beträgt der weltweite Schuldenberg 277 Billionen Dollar. Das sind 277'000 Milliarden. Ist das viel? Na ja, das ist das 3,5-fache der gesamten Wirtschaftsleistung der Welt. Oder: diese Zahl entspricht dem Schweizer Bruttoinlandprodukt – auf heutigem Stand für die nächsten 407 Jahre. Zurückgerechnet bedeutet das eine Zeitspanne von vor dem Dreissigjährigen Krieg (1618 bis 1648) bis heute.

Das ist also ziemlich viel. Erschreckend ist dabei laut IIF, dass alleine zwischen 2016 bis September 2020 diese Schulden um ganze 52 Billionen Dollar anstiegen. Zwischen 2012 und 2016, also bei den Aufräumarbeiten der Finanzkrise eins, stiegen weltweit die Schulden nur um 6 Billionen.

Der Kanton St. Gallen hat 2020 einen Aufwand von 5,4 Milliarden Franken budgetiert. Zum Vergleich. Schon diese Zahl entzieht sich der Vorstellungskraft, erst recht, dass die Steigerung der weltweiten Schulden in den letzten vier Jahren das Zehntausendfache davon ausmacht.

Aber, ob vorstellbar oder nicht vorstellbar, ob gross oder klein, eines haben alle Schulden so an sich: Schulden machen ist das eine, Schulden zurückzahlen das andere. Vor allem Staaten können sie problemlos aufnehmen. Willige Notenbanken, Nullzinsen, nichts leichter als das. Aber: Wie sieht es denn mit der Rückzahlung aus?

Alleine Deutschland hat sich 2 Billionen neue Schulden draufgesattelt, die Schweiz rechnet laut NZZ mit Corona-Kosten von bislang 137 Milliarden Franken. Nun ist die Schweiz wohl eines der wenigen Länder der Welt, die sich das noch leisten kann.

Schon in der Euro-Zone sieht das ganz anders aus. Da befürchtet die EZB – natürlich in einem Szenario –, dass in nächster Zeit mal wieder faule Kredite in den Bankbilanzen explodieren könnten. Nicht weniger als 1,4 Billionen Euro könnten die «Non Performing Loans» ausmachen, Banglish für «Geld futsch».

Woher soll Rettung kommen? Nun, einerseits wird wieder die Auslagerung in «Bad Banks» erwogen, als ob das die Schulden verschwinden lassen würde. Es würde einfach die Bankbilanzen entlasten. Dann gilt als ewiges Heilmittel das Wirtschaftswachstum, das bei kontinuierlicher Steigerung mit mathematischer Sicherheit die Schulden rückzahlbar mache. Nur: eine so langandauernde Konjunkturphase ohne Krise gab es noch nie.

Woher dann? Nun, ganz einfach: umso älter der Leser dieser Zeilen, desto beruhigter kann er sich zurücklehnen. An diesen Schulden werden unsere Nachkommen schwer zu knabbern haben. Aber die gute Nachricht für uns ältere Mitbürger ist: Das Gefluche und die Verwünschungen werden wir nicht mehr mitbekommen.

Kehren wir nach den grossen Zahlen am Schluss zu den kleinen zurück. Bislang sind in der Schweiz etwas mehr als 4000 Menschen an oder mit Corona gestorben. Die NZZ am Sonntag würdigte die Toten mit einer Doppelseite und Porträts von 12 Verstorbenen. Jeder einzelne Fall eine Tragödie. Nur: Das Durchschnittsalter der hier Porträtierten liegt oberhalb der durchschnittlichen Lebenserwartung in der Schweiz.

Das Medianalter aller Toten liegt ebenfalls über der Lebenserwartung. Das ändert natürlich nichts daran, dass jeder in welchem Alter auch immer an Corona Verstorbene eine Tragödie ist.

Nun ist aber doch die Frage, ob das Aufbürden von Milliardenschulden in der Schweiz, von Billionenschulden in der EU und von Multibillionenschulden weltweit auf die Schultern der nächsten Generationen Ausdruck einer verantwortlichen Corona-Politik ist. Ob das mögliche Massensterben von 200'000 KMU ein akzeptabler Preis für Lockdowns, Restriktionen und Social Distancing ist.

Gar nicht überblickbare und verheerende Auswirkungen auf die Wirtschaft, kurzfristig zugeschüttet mit neuen Milliardenschulden, für Schutzmassnahmen, deren Wirksamkeit zumindest umstritten ist. Und diejenigen, die das angerichtet haben, werden das Schlamassel ganz sicher nicht bezahlen. Ist das verantwortliche Regierungspolitik?

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«Die Ostschweiz» ist die grösste unabhängige Meinungsplattform der Kantone SG, TG, AR und AI mit monatlich rund einer halben Million Leserinnen und Lesern. Die Publikation ging im April 2018 online und ist im Besitz der Ostschweizer Medien AG.

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