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Beat Tinner war Auslöser

Eine «dezentrale Regierung» für den Kanton St.Gallen?

Regierungsräte, die vor ihrer Haustür residieren statt in St.Gallen? Eine dezentrale Kantonsverwaltung in den Regionen? Derzeit gehen Leserbriefe ein, die diese Vision skizzieren. Inspiriert wurden sie offenbar von Regierungskandidat Beat Tinner (FDP), der in diese Richtung nachdenkt.

Stefan Millius am 03. März 2020

Sie klingt zunächst ein bisschen verrückt, die Idee, in erster Linie, weil sie an alten Gewohnheiten rüttelt. Der Sitz der St.Galler Regierung ist scheinbar naturgegeben in der Stadt St.Gallen. Die Direktionen sind an verschiedenen Standorten angesiedelt, gemeinsam trifft man sich im Regierungsgebäude, der «Pfalz». Auch die kantonale Verwaltung kumuliert sich in St.Gallen. Föderalismus hin oder her: Wenn es um kantonale Belange geht, führt nichts an der Hauptstadt vorbei.

Wobei natürlich nicht immer die Fahrt von Rapperswil-Jona, Sevelen, Ebnat-Kappel oder Au nötig ist. Vieles wird heute digital erledigt. Dem Bürger als «Kunden» der Verwaltung soll das Leben einfacher gemacht werden.

Diesen Einsatz nehmen jüngst eingegangene Leserbriefe auf, und das offensiv. Darin wird angeregt, sich über eine dezentrale Verwaltung - und entsprechend auch Regierung - Gedanken zu machen. «Dank Digitalisierung und neuesten Technologien sind wir es uns gewohnt, mobil zu kommunizieren und zu arbeiten. Wäre es da nicht an der Zeit, alte Muster aufzubrechen? Eines davon ist die zentral organisierte Kantonsverwaltung», schreibt beispielsweise der Wiler Kantonsratskandidat Marc Flückiger (FDP). Um nahe beim Volk zu sein, könnte man sich laut ihm überlegen, ob die Regierungsräte ihre Sitze im ganzen Kanton verteilen könnten. Und Flückiger findet: «Wil würde sich natürlich perfekt anbieten für einen dieser sieben Regierungsstandorte.»

Mit anderen Worten, inhaltlich aber praktisch deckungsgleich äussert sich die Unternehmerin Daniela Graf-Willi aus Azmoos. wobei sie den Fokus auf die dezentrale Verwaltung legt. Die Vorteile aus ihrer Sicht: «Interessante Arbeits- und Ausbildungsplätze würden aus der Stadt in die verschiedenen Regionen des Ringkantons verschoben, die Arbeitswege der nicht in der Stadt ansässigen Staatsangestellten kürzer und die Pendlerströme besser verteilt.» Zudem ist sie überzeugt, dass sich heute viele Regionen von der Stadt, respektive vom Kanton abgeschnitten fühlen. «Mit der dezentralen Organisation könnte der Kanton wieder Nähe zu den Bürgerinnen und Bürgern gewinnen.»

Beide Leserbriefschreiber nehmen Bezug auf denselben Mann: Beat Tinner, Regierungsratskandidat der FDP aus Wartau. Er hatte sich in einem Interview mit dem «Werdenberger & Obertoggenburger» so geäussert: «Was vor 20 Jahren politisch zeitgemäss war, muss es heute nicht mehr sein. (…) Der Staat und der Kanton zum Beispiel müssen sich überlegen, ob es Aufgaben und Ämter gibt, die man dezentral erbringen und organisieren kann.» Auch er begründet das mit den neuen Ausbildungs- und Arbeitsplätzen in den einzelnen Regionen und der Pendlerentlastung. Und auch Tinner spricht von der Digitalisierung, die das alles ermögliche.

Interessante Gedanken, die aber sicherlich nicht zufällig vor dem Wahltag laut werden. Der FDP-Kandidat dürfte mit diesem Vorschlag in den Regionen ausserhalb der Kantonshauptstadt durchaus punkten. Nach seiner Steueroffensive, in der er gefordert hatte, dass der Kanton für Vermögende attraktiver werden müsste, ist das Beat Tinners zweiter Streich, der über die üblichen Floskeln von Kandidaten hinausgeht.

Und er beweist damit, dass die Vorurteile über ihn, wonach er als Gemeindepräsident und langjähriger Kantonsrat ein Berufspolitiker und Verwalter sei, wohl nicht stimmen. Jedenfalls kam von den Gegenkandidaten bisher wenig Aufsehenerregendes.

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Autor/in
Stefan Millius

Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.

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