Eigentlich wollte der Thurgauer Neurologe werden. Er war 15 Jahre lang Chefarzt am Institut für Pathologie der Spital Thurgau AG in Münsterlingen am Bodensee. Dr. Carlo Moll, der grosse Ganzheitsmediziner, starb am 16. Juni 2023 im Alter von 69 Jahren in Pfaffnau LU.
Karl «Carlo» Molls Eltern, Kurt und Erika Moll-Läubli, führten den Gasthof «Hörnli» mit grosser Metzgerei an der Romanshornerstrasse 72 in Kreuzlingen-Kurzrickenbach. Carlo hatte noch zwei jüngere Brüder: Kuno (geboren 1956) und Kurt (1965). Die Metzgerei wurde um 1925 von Karl und Klara Moll gegründet und ging 1995 ein. Carlo Moll war in der lokalen Pfadfinderabteilung «Sturmvogel» am Bodensee nach dem Motto «Allzeit bereit» aktiv. In der Kantizeit war Carlo ein grosser Sportler. Er war Wasserballer im Schwimmclub Kreuzlingen (SCK) und talentierter Wasserspringer. In der Freizeit liebte er das Motorradfahren mit seiner Harley-Davidson.
«Da müssen wir den Pathologen fragen»
Weshalb wählte er dieses Fachgebiet? «Nach der ersten Autopsie als Student schwor ich: Pathologe werde ich nie», erzählte er bei einem Besuch im Kantonsspital Münsterlingen. Als junger Assistenzarzt faszinierte ihn die Pathologie aber schliesslich mehr und mehr. Er erzählte dem Schreibenden später: «Immer hiess es: ‹Das können wir nicht entscheiden, da müssen wir den Pathologen fragen.› Das hat mir imponiert, da ich gerne Entscheidungen treffe und den Dingen auf den Grund gehe». Pathologen sind Ganzheitsmediziner. Sie müssen vom Scheitel bis zur Sohle alle Organe kennen und deren Veränderungen einordnen und benennen können.
Umfassende Ausbildung
Als Medizinstudent durfte er bereits an einem internationalen Kongress über Nerven- und Muskelpathologie in Montreal, Kanada, mit seiner Doktorarbeit referieren. Diese neuro-pathologische Studie mit dem Titel: «Die zentro-periphere Übergangszone spinaler Nervenwurzel der Mausmutante Jimpy» wurde 1981 bei Professor Marco Mumenthaler an der Universität Bern angenommen. Seit 1989 war er Facharzt FMH für Pathologie und seit 1995 auch für Klinische Zytopathologie. Seine Ausbildung zum Facharzt Pathologie absolvierte er an den Universitätsspitälern Bern, Basel und Zürich. 1990 und 1991 hatte Moll die Möglichkeit, sich am US-amerikanischen «Salk Institute» in La Jolla, Kalifornien sowie dem «Cold Spring Harbor Laboratory» in Long Island im US-Bundesstaat New York wissenschaftlich weiterzubilden. Zurück in der Schweiz wurde er Oberarzt am Universitätssspital Zürich, bevor er dort 1996 Leitender Arzt am Institut für Klinische Pathologie wurde und die Führung der Abteilung für Klinische Zytopathologie übernahm. Carlo Moll hatte auch am Lehrbuch «Pathologie» im bedeutenden Fachverlag Urban & Schwarzenberg (München, Wien, Baltimore) mitgearbeitet. Der begeisterte Computer-Fan engagierte sich als Developer der Apple Macintosh Developer Group. Besonders das Unterrichten an der Universität, im eigenen Haus und an Berufsschulen bereitete dem Thurgauer Pathologen grossen Spass.
1998 Chefarzt am Bodensee
Im Sommer 1998 wurde er Chefarzt für Pathologie am Kantonspital Münsterlingen am Bodensee (heute Spital Thurgau AG). Carlo Moll zeigte gerne sein Institut. «Unsere diagnostische Arbeit dient den Lebenden», klärte er auf. Organuntersuchungen bei Patientinnen und Patienten wie auch Autopsien von Verstorbenen waren in Münsterlingen und Frauenfeld lange das tägliche Brot für Moll und seine 30 Mitarbeitenden. Moll war zudem in der Thurgauischen Stiftung für Wissenschaft und Forschung tätig. Er gehörte dem Stiftungsrat seit seiner Gründung im Jahr 1999 an und hatte sich vor allem beim Auf- und Ausbau des Biotechnologie-Instituts Thurgau (BITg) sowie beim Aufbau des Krebsregisters Thurgau engagiert. «Als er Chefarzt in Münsterlingen war, trat er unserem Qualitätszirkel ‹Hausärzte› bei», berichtet Dr. Rolf Seger, über viele Jahrzehnte Arzt in Tägerwilen. 2013 beendete Moll seine Tätigkeit am Institut für Pathologie der Spital Thurgau AG und ging weiter nach Aarau.
Er konnte Menschen begeistern
Carlo Moll konnte Menschen für seine Materie begeistern. Er war Lehrbeauftragter der Universität Zürich sowie Mitglied der Prüfungskommission für die Vergabe des Facharzttitels «Zytopathologie». Sodann war er Prüfungsexperte für Zytologie an der Kantonalen Berufsschule für Medizinische Laborantinnen und Fachverantwortlicher für Zytologie der Laborschule des Universitätsspitals Zürich. Carlo Moll war mit Vera Dillier verheiratet und Vater von zwei erwachsenen Töchtern (Ava und Gina Moll). Er starb unerwartet am 16. Juni 2023 an seinem Wohnsitz. Carlo und Vera wohnten in Pfaffnau LU und Glashütten AG und lieb(t)en Tiere (Pferde, Esel, Katzen, Hunde und Hühner).
«Bewundernswerter Diagnostiker und besonderer Mensch»
«Wir sind fassungslos und tief erschüttert, dass Carlo so früh und kurz nach seinem 69. Geburtstag von uns gegangen ist. Es ist für uns alle ein grosser Verlust», teilt die Trauerfamilie auf Anfrage mit. Dr. Walter Lang, ehemaliger Landarzt in Landschlacht TG, unter anderem auch Amts- und stellvertretender Kantonsarzt: «Carlo Moll war ein bewundernswerter Diagnostiker und besonderer Mensch.» Er wurde von Schulkollegen als «offen», «sympathisch» und «liebenswürdig» wahrgenommen.
Der Trauergottesdienst findet am Donnerstag, 29. Juni 2023, um 14 Uhr, in der reformierten Kirche St. Peter, Bleichestrasse 7, CH-8280 Kreuzlingen-Kurzrickenbach am Bodensee TG statt. Die Urne wird im Familiengrab im engsten Kreis beigesetzt.
«Morgengebet eines Arztes» von Mosche Ben Maimonides
«Ich beginne meine Arbeit,
hilf mir dabei, Herr, sonst bleibt sie nutzlos.
Lass Wahrheitssuche und Menschenliebe
mich leiten und bewahre mich
vor Gewinn- und Geltungssucht.
Gib mir Kraft, körperlich und seelisch,
zu jederzeitigem unverdrossenem Einsatz.
Lass mich im Kranken stets nur den Menschen sehen,
sei er mir nun lieb oder lästig,
sei er gut oder schlecht, arm oder reich,
mächtig oder unbedeutend.
Erhalte meinen Verstand klar und einfach,
damit er das Gegenwärtige erfasse,
das Weitere richtig vermute
und von dem Leidenden durch nichts Fremdes
abgelenkt werde.
Gib meinen Patienten Vertrauen in Arzt und Heilkunde,
so dass sie meinen Rat befolgen.
Wenn erfahrene Ärzte mich belehren,
lass mich dankbar und lernbegierig sein.
Gib mir Kraft, Zeit und Antrieb
meine Kenntnisse dauernd zu verbessern und zu erweitern.
Sonst aber schenke mir in allem Genügsamkeit.»
Ob Moses Maimonides, der berühmte Arzt (geboren in Cordoba, gestorben 1204 in Kairo) das ihm zugeschriebene «Morgengebet eines Arztes» wirklich selbst verfasst hat, sei umstritten. Die Autorschaft beschäftigt jedenfalls seit Generationen die Historiker. Aber er könnte es verfasst haben, zeugt es doch von wissenschaftlichem Anspruch der Medizin und von Zuwendung zum Kranken, beides von Maimonides stets betont. Klar ist, es handelt sich um einen bewegenden Text.
Urs Oskar Keller (*1955) ist Journalist und Fotoreporter. Er lebt in Landschlacht.
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