Seitdem er 16 Jahre alt ist, ist Fabian Egger in der Weltgeschichte herumgereist. Heute lebt der Ostschweizer die meiste Zeit in Los Angeles und startet als DJ gerade so richtig durch. Ob es wirklich so traumhaft ist, in der Traumfabrik zu wohnen, verrät er im Interview.
Nach der Matura bist du nach Los Angeles gegangen. War Amerika also schon immer dein Ziel?
Ja und Nein. Als Kind wollte ich einfach mein Hobby zum Beruf machen. Wo oder wie, darüber hatte ich mir keine Gedanken gemacht. Als mich dann jedoch ein Talent-Scout vom Musicians Institute, eine der renommiertesten Musikschulen der Welt, nach Los Angeles eingeladen hat, bin ich schnell zum Entschluss gekommen, dass ich auf jeden Fall nach Kalifornien gehen möchte. Damals war ich 16 Jahre alt.
Diesen «American Dream» haben ja viele, doch nur die wenigsten schaffen es wirklich. Was hast du anders gemacht als die Konkurrenz, die eben nicht so erfolgreich ist?
Viele Europäer ziehen die amerikanische Mentalität ins Schlechte. Ich sehe mich hingegen als weltoffene Person und interessiere mich für die verschiedenen Kulturen. Bei meinen zahlreichen Reisen ist es ist für mich immer wichtig, möglichst viel über die lokalen Kulturen zu erfahren. Das hilft mir, diese zu verstehen und vor allem zu respektieren. Ich denke, dass die Kombination von Schweizer Präzision, Pünktlichkeit und kompromissloser Arbeitsmentalität kombiniert mit der Offenheit gegenüber dem «American Way Of Life» den Unterschied gemacht haben.
Du bist nicht nur in Amerika, dein Leben hat sich in diversen Ländern weltweit abgespielt. Wie ist das Leben in Amerika wirklich? Ist es in etwa so, wie du es dir vorgestellt hast?
Wenn ich in Los Angeles bin, ist der Life-Style alles, wovon ich geträumt habe – und mehr. Das Wetter ist 1A, das Angebot an Freizeitaktivitäten unendlich und die kulinarische Kultur ist fantastisch. Dazu kommt, dass ich durch meine Industrie-Kontakte praktisch täglich zu exklusiven Events eingeladen bin. Filmpremieren, Album Listening Partys, Lounge Plätze beim Lakers Game, Partys in den Hollywood Hills: Es läuft immer etwas. Das ist schon toll. Nicht zuletzt darum, weil meine Familie und Freunde aus der Schweiz jeweils auch dabei sein können, wenn sie mich in LA besuchen. Das macht immer höllisch Spass.
Was schätzt du besonders?
Vor allem die Offenheit für Neues, welche die Kalifornier in sich tragen. Das widerspiegelt sich darin, dass heutzutage alles, was neu ist und Wellen schlägt, aus Kalifornien kommt. Ich bewege mich in einem Kreis von experimentierfreudigen und zum Teil auch etwas schrillen Persönlichkeiten, die den Life-Style ausmachen, den ich beschriebe. Bei diesen Events treffe ich Leute aus allen möglichen Szenen – Tech, Startup Gründer, Immobilienhändler, Models, Adlige aus dem Orient, Banker, Profi Sportler, Autoren, Mode Designer, Investoren, Klimaaktivisten, Politiker. Sie alle sind wegen dem facettenreichen Lifestyle nach Kalifornien gekommen. Mein Netzwerk, das sich aus diesen Kontakten zusammensetzt, schätze ich sehr.
Zudem ist Kalifornien an sich einer der schönsten Orte der Welt. Das Naturparadies, welches sich vom Norden der West-Küste bis hinunter nach Mexiko erstreckt, ist unglaublich. Das muss man auf jeden Fall ein Mal gesehen haben.
Das tönt wirklich zum Neidischwerden. Was gefällt dir auf der anderen Seite weniger?
Die gängigen amerikanischen Probleme – der Rassismus, die Polizeigewalt, das Ignorieren des Klimawandels und die teils sehr schlechte Infrastruktur. Zudem wird das Problem mit den Obdachlosen in LA immer prekärer. Dies ist hauptsächlich auf das warme Klima und den Tourismus zurückzuführen. Leider lockt dies Obdachlose aus ganz Amerika nach Los Angeles.
Zum Glück hat das junge amerikanische Volk oft eine andere Einstellung als deren Vorfahren. Die amerikanische Kultur, so wie wir sie heute noch kennen, wird in einigen Jahren nicht mehr existieren.
Wäre also eine solche Karriere, wie du sie hast, in der Schweiz nicht möglich gewesen?
Nein, auf keinen Fall. Ich hoffe jedoch, dass sich die Schweizer Entertainment-Industrie in den nächsten Jahren positiv entwickeln wird, so dass ich mit meinen Kontakten und meiner Erfahrung eines Tages eine Plattform bieten kann, die von Schweizer Talenten als Sprungbrett ins internationale Entertainment Business genutzt werden kann.
Du hast einmal gesagt, deine Verlässlichkeit bei der Arbeit wird sehr geschätzt. Wovon könnten wir uns Schweizer von den Amerikanern eine Scheibe abschneiden?
Auf jeden Fall an deren Offenheit. Wenn ich einem Schweizer von meinem Job erzähle, ist die erste Frage «Wie viel verdient man da? Kann man davon leben?» Der Ami jedoch fragt «Wow toll, du bist Musiker? Wo und wann kann ich dich spielen sehen?»
Welches war dein absolutes Highlight deiner Karriere?
Ein ausverkauftes Konzert in Detroit mit Big Sean, Nicki Minaj und Drake, an dem ich als Musical Director und Schlagzeuger gewirkt habe. Oder vielleicht das Treffen mit Quincy Jones und Herbie Hancock, oder ein Meeting in Kanye Wests Studio-Komplex mit Kanye. Oder die 5-Millionen Dollar Geburtstagsparty eines Vierjährigen in Beverly Park. Oder als ich zu den Golden Globe Awards gehen durfte. Oder vielleicht schlicht und einfach der Fakt, dass ich meinen Lebensunterhalt mit meiner grössten Leidenschaft verdienen kann. Soviel steht fest: Das nächste grosse Highlight wird nicht lange auf sich warten lassen.
Du siehst deine berufliche Zukunft eher als Künstler-Manager. Weshalb?
Einerseits, weil ich gerne Schweizer Talenten eine Möglichkeit bieten möchte, einige der mühsamen und aufwändigen Schritte, die ich allesamt selbst machen musste, zu überspringen. Andererseits, weil mir mein familiäres Umfeld sehr wichtig ist, ich dieses aber auf Grund meines zeitintensiven Jobs in den vergangenen Jahren vernachlässigen musste. Ich bereue das nicht, da das Ganze unglaubliche Erfahrungen und Möglichkeiten mit sich gebracht hat. Ich möchte zukünftig aber wieder etwas mehr Zeit mit meiner Familie und meinen Freunden verbringen, was die erhöhte Flexibilität des Manager Jobs ermöglichen sollte.
Bleiben wir bei der Zukunft. Möchtest du in Amerika bleiben oder wieder einmal zurückkehren?
Im gesamten letzten Jahrzehnt war ich hin und her gerissen. Das hat mich stets belastet und ich denke auch, dass an meinem Fokus, eines Tages in die Schweiz zurückzukehren, die eine oder andere Beziehung in die Brüche gegangen ist. Ich habe immer davon geträumt, bis ans Ende aller Tage an beiden Orten ein Standbein zu behalten. Wie so oft wurde mir aber immer eingeredet, dass dies nicht möglich sei. In den letzten zwei Jahren hat sich jedoch gezeigt, dass es durchaus möglich ist, meine Zeit zwischen den beiden Ländern zu teilen.
Manuela Bruhin (*1984) ist Redaktorin von «Die Ostschweiz».
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