Dieter Meier im Gespräch mit Rob Holub.
Welche sozialen Konsequenzen zieht die Digitalisierung mit sich? Rob Holub geht dieser Frage in einem Dok-Film auf den Grund. Gerade in der Medienbranche sei ständige Präsenz wichtig. Wer sich längere Auszeiten nimmt, dem drohe Gefahr, aufs Abstellgleis geschoben zu werden.
Der Berner mit tschechischen Wurzeln ist ein Globetrotter und betritt auch als Singer-Songwriter SOKOL die Showbühne. Aktuell setzt er sich als Filmemacher in seinem Dokumentarfilm «Searching for Contact» mit den sozialen Konsequenzen der Digitalisierung auseinander. Der studierte Medien- und Kommunikationswissenschafter ist bestens vertraut mit aktuellen Trends und setzt diese auf künstlerische Weise in seiner Arbeit um. Am Networking-Tag in St.Gallen (6. September) zeigt er, wie man mit neuen Kunstformen umgehen kann.
Rob Holub, Sie arbeiteten bereits für namhafte Unternehmen wie SRF, Pro7 und Sat1. Nun kommt bald Ihr erster Dok-Film. War es schon immer ein Traum von Ihnen, sich an einen solchen Film heranzuwagen?
Hätten sie mir vor zwei Jahren gesagt, dass ich 2019 einen Film mit internationalen Ambitionen realisieren werde, dann hätte ich sie angelacht und den Kopf geschüttelt. «Wie soll ICH denn bitte plötzlich einen Film realisieren?». Mein Traum war eigentlich ein anderer. Ich wollte immer schon als Musiker auf die grosse Bühne. Das mit dem Film «Searching for Contact» hat sich quasi aus dem Thema meines Debüt-Albums «Contact» ergeben. Dieses habe ich in London produziert, wobei ich es gleichzeitig mit dem Film veröffentlichen werde. Die technischen Möglichkeiten haben sich soweit und rasant entwickelt, dass man mittlerweile mit seinem eigenen Smartphone hochwertig Videos und Filme produzieren kann. Gerade im Dokumentarfilmbereich kann man so die Produktionskosten tief halten und ist nicht zwingend von grossen Produktionsfirmen und Budgets abhängig. Zumindest war das anfangs bei mir so.
Das tönt so, als ob es mittlerweile anders aussieht.
Aktuell komme ich gerade an meine Grenzen, weshalb ich mit einem Co-Produzenten zusammenspannen will. Das Projekt ist plötzlich über mich hinausgewachsen und benötigt nun professionelle Strukturen und eine Finanzierung. Ich habe mich die letzten Jahre auf dem Weg immer leiten lassen und blieb offen, neugierig und flexibel. Ich wollte mich nicht allzu sehr auf eine Idee oder einen Traum versteifen. So entsteht nun dieser Film, wozu ich auch noch die ganze Filmmusik mache. Ein Buch soll es dazu auch noch geben. Es ist definitiv ein ambitioniertes und verrücktes Projekt!
Autor, Regisseur, Produzent, Musiker: Wie schwierig ist es, alles unter einen Hut zu bringen?
Ich muss zugeben, ich bin von Natur aus ein Machertyp, der gewisse Risiken nicht scheut. Da bin ich bestimmt schon mehrmals im Leben ein paar Schritte weiter gegangen, wo viele zuerst alles durchdachter und abgesicherter angehen würden. Wiederum hat mich diese Naivität (als Künstler braucht es diese «Verträumtheit» ein Stück weit), genau an den Punkt gebracht, wo ich heute bin. Ich mache einen Film und mache ihn so, wie ich mir das vorstelle. Das fühlt sich sehr gut an und ich hoffe, dass ich damit andere Menschen dazu ermutigen kann, ihr Ding einfach durchzuziehen. In der Schweiz wird uns das nicht gelehrt, man muss es halt einfach ausprobieren.
Das tönt in der Theorie einfach – wie ist es in der Praxis?
Es ist ein harter und langer Weg. Ob er es Wert ist? Ja, denn sobald man für sich erkannt hat, dass der Weg selbst das Spannende und Erfüllende ist und nicht das erreichte Ziel, hat man schon gewonnen. Das schliesst ja nicht aus, dass ich mit meinem Film und meinen Projekten auch Erfolg haben will. Aber es nimmt einem Druck weg und das finde ich enorm wichtig. Abschliessend kann ich sagen, dass man vieles alleine machen kann, aber ab einem gewissen Punkt braucht man doch auch ein Team, um es aufs nächste Level zu bringen. An diesem Punkt bin ich jetzt angekommen.
Zurück zum Film selber. Darin setzen Sie sich mit dem Thema Digitalisierung und den sozialen Konsequenzen auseinander.
Das Thema «Digitalisierung» ist ein enorm breites Feld, welches in alle unsere Lebensbereiche eindringt. In die privaten, wie auch die beruflichen. Die sozialen Konsequenzen sind so ausgeprägt, dass wir gar nicht mehr von einem kulturellen-, sondern von einem gesamtgesellschaftlichen Wandel reden. Was mich primär fasziniert und antreibt, sind die zwischen-menschlichen Aspekte, welche sich durch die Benutzung von Smartphones und Social Media drastisch verändern.
Was wäre das?
Damit meine ich Liebesbeziehungen, Freundschaften, berufliche und sogar familiäre Beziehungen und, wohl am wichtigsten, auch die Beziehung zu sich selbst. Da stellen sich grundsätzliche Fragen, wie beispielsweise, in was für einer Welt unsere Kinder leben, welche Werte wichtig sind und wie wir miteinander umgehen wollen. Die alten Modelle greifen zu einem grossen Teil nicht mehr. Es braucht neue Ansätze. Dennoch bin ich auch Nostalgiker und sehe in gewissen Traditionen viel Wertvolles, das wir bewahren sollten. Man sollte nicht alles über den Haufen werfen, im Gegenteil. Etwas Rückbesinnung täte uns meiner Ansicht nach gut. Der persönliche Umgang mit Kommunikationstechnologie beschäftigt mich tiefgehend. Ich glaube, wir unterschätzen das Suchtpotenzial dieser kleinen intelligenten Geräte. Wir werden einen bewussteren Umgang entwickeln müssen. Zurzeit sind alle etwas überfordert damit. Wo setzt man die Grenzen? Diese Frage kann man nur für sich alleine beantworten. Es gibt keine Leitplanken.
Welche Leitplanken sind das für Sie persönlich? Gerade in Ihrem Arbeitsumfeld ist es wichtig, ständig präsent zu sein.
Das Thema ist in Theorie genauso ambivalent wie in Praxis. Ich bin ja kein Aussteiger, also geht es ohne einfach nicht. Mein Ziel ist es, die richtige Balance zu finden, im privaten wie auch im beruflichen Leben. Diese Trennung ist heutzutage bereits verschwindend klein, aber umso mehr mache ich sie. Bewusste Auszeiten nehmen gehört dazu. Nicht allzu streng mit mir selbst zu sein, wenn ich auch mal etwas mehr online bin, ebenso. Das klappt mittlerweile sehr gut. Es geht um einen bewussten Umgang. Zum Glück bin ich kein Social Media Influencer (lacht), sonst wäre das glaube ich fast nicht möglich.
Sie sagen selbst, dass Ihnen dieser Ausgleich nicht von Anfang an gelungen ist. Waren diese Erfahrungen auch ausschlaggebend, ein Dok-Film zu realisieren?
2007 habe ich mein erstes iPhone gekauft. Damals habe ich in New York gelebt und es war auch der Moment, wo ich meinen ersten Facebook-Account eröffnet habe. Schnell merkte ich, dass sich da in der Gesellschaft etwas tut, was mir nicht nur gefällt. Ich hatte anfangs eine eher skeptische Haltung im Zusammenhang mit Social Media, wissend, dass es auch viel Positives mit sich bringt. Als ich dann als Musiker mehr an der Anzahl meiner Follower, als an der Musik selbst gemessen wurde, bin ich daran fast zerbrochen. Ganz einfach, weil ich plötzlich mehr damit beschäftigt war, Followers zu generieren, als Musik zu machen. Ich habe für einen Moment die Liebe zur Musik verloren, bekam Schlafprobleme und fühlte mich ausgelaugt. Ich wurde also quasi selbst zur «Labormaus».
Wie haben Sie diesem Gefühl entgegengewirkt?
Ich musste etwas ändern und so habe ich mich, nach ein paar Yoga-Retreats, auf die Suche nach einem Gemeinschaftsgefühl gemacht. Aber nicht in der virtuellen-, sondern in der realen Welt. Ich wollte wissen, ob es anderen Menschen auch so ergeht und habe begonnen, verschiedenste Menschen auf der ganzen Welt zu interviewen. Ironischerweise mit meinem Smartphone. Nach über 200 Interviews in über 16 Ländern, kann ich Ihnen sagen, dass die Betroffenheit überall besteht. Aber es gibt natürlich kulturelle Unterschiede und es ist ein sehr breites und komplexes Thema. Gerade deshalb auch super spannend.
Könnten Sie einige Erkenntnisse daraus erläutern?
Im Prozess des Interviews machen habe ich mit der Zeit merken müssen, wie stark die Auseinandersetzung mit dem Thema gleichzeitig eine Auseinandersetzung mit mir selbst ist. In einer Welt, die immer schneller dreht und zugänglicher denn je ist, kann man sich schnell verlieren. Das war eine wertvolle Erkenntnis, denn, so klischeehaft es auch tönt, man muss immer zuerst bei sich selbst anfangen. Es ist sehr einfach, schnell mit dem Finger auf andere Leute oder ein neues Phänomen zu zeigen, aber eigentlich müsste der Finger immer zuerst auf sich selber gerichtet sein. Die Arbeit an sich selbst hört nie auf und es gibt viel zu tun. Das ist zumindest meine Erkenntnis dieser Reise.
An wen richtet sich der Film?
Der Film richtet sich an Menschen, die sich nicht hilflos dem Massenkonsum und der technologischen Entwicklung ergeben, sondern gewillt sind, zu hinterfragen und etwas in ihrem Leben zum Positiven zu ändern. Ich hoffe, mit dem Film Leute ermutigen zu können, in dieser komplexen Welt ihren eigenen Weg zu finden und zu gehen. Das ist nicht einfach, aber es lohnt sich. Es lohnt sich, sich selbst treu zu bleiben. Ich glaube fest, dass der Film ein breites Publikum ansprechen kann.
Derzeit sind Sie mit der Umsetzung des Films beschäftigt. Wie geht es weiter?
Ich werde bestimmt noch die nächsten zwei Jahre stark mit «Searching for Contact» beschäftigt sein. Die Fertigstellung des Films wird sicher bis Herbst, wenn nicht bis Ende Jahr andauern und dann geht es erst richtig los mit der Distribution und Vermarktung des Films. Ich möchte parallel im nächsten Jahr auch an Events als Speaker das Thema an die Leute bringen, schweizweit, aber auch international. Ich sehe da grosses Potenzial. Was danach kommt, werde ich sehen. Aber ein neues Album möchte ich bestimmt aufnehmen und wer weiss, vielleicht auch einen neuen Film.
Dieter Meier im Gespräch mit Rob Holub.
Manuela Bruhin (*1984) ist Redaktorin von «Die Ostschweiz».
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