Von der beschaulichen Ostschweiz ins ferne China: Philipp Knobelspiess hat das Abenteuer gewagt – sogar schon zum zweiten Mal. In einer losen Folge stellen wir die Schweizer Vereine in aller Welt vor.
Wann haben Sie der Ostschweiz den Rücken gekehrt?
Das erste Mal 2000 bis 2004, aus beruflichen Gründen. Das zweite Mal war es im 2006 bis dato, ebenfalls aus beruflichen Gründen – es gab aber auch familiäre Umstände, die dazu geführt haben.
Weshalb fiel die Wahl gerade auf China?
Weil meine Frau aus China stammt und mein Arbeitgeber die Stelle in China ausgeschrieben hatte.
Wie schwierig – oder eben nicht - gestaltete sich die Auswanderung?
Es war nicht schwierig, weil ich das ja selbst auch wollte.
Womit hatten Sie am meisten zu kämpfen?
Mit der Sprache. Es ist schon belastend, auf einmal nichts mehr lesen zu können und sich auch nicht mehr mitteilen zu können.
Was hingegen lief glatter als geplant?
Die Behördengänge. Die chinesische Bürokratie ist einmalig kompliziert. Aber es funktioniert doch immer wieder erstaunlich gut.
Sie sind Mitglied eines Schweizer Vereins im Ausland. Weshalb?
Ja, beim Swiss Club Shanghai. Es gibt mir die Möglichkeit, mich mit Personen auszutauschen, welche Ähnliches wie ich erlebt haben und sich in einer gleichen Situation befinden.
Wie gestaltet sich das Vereinsleben?
Der Swiss Club Shanghai hat Tradition. Ich bin seit 2006 dabei. Es ist ein Verein nach Vorbild der Schweizer Vereine, also mit Statuten, Vereinsleitung, Mitglieder. Jedes Jahr gibt es daher eine Jahresversammlung, an welcher auch das Jahresprogramm festgelegt wird. Fester Bestandteil darin ist das Osterfest, das meistens mit einem Familienbrunch zelebriert wird. Der Samichlaus mit den Geschenken für die Kinder darf auch nicht fehlen und natürlich unser Nationalfeiertag, der 1.August. Er ist gleichzeitig einer der Höhepunkte im Jahr, zusammen mit dem Swiss Ball, welcher durch die Swiss Cham durchgeführt wird. Das Konsulat in Shanghai unterstützt uns aktiv, auch mit Sachspenden. Sportliche Grossanlässe werden gemeinsam mitverfolgt. Das kann dann durchaus mal um drei Uhr morgens sein. Mein persönlicher Favorit sind aber die monatlichen Jassturniere, bei welchen immer so zwischen 12 bis 16 Mitglieder beiwohnen. Abgeschlossen wird das Turnier mit dem Jahresendjass, den Siegerehrungen und anschliessendem geselligen Beisammensein, mit Partner, bei einem feinen Raclette.
Was haben Sie von Ihrem neuen Heimatland übernommen? Und was ist nach wie vor typisch schweizerisch?
Das «Laissez-faire» habe ich wahrscheinlich schon in China gelernt. Ein lockerer Umgang mit der Tatsache, dass meistens nicht alles perfekt ist, hilft. Allerdings versuche ich, Pünktlichkeit vorzuleben und durchzusetzen – soweit es möglich ist. Ich denke, das ist doch noch sehr schweizerisch…
Würden Sie den Schritt noch einmal wagen? Oder wollen Sie gar einmal zurückkehren?
Ich würde den Schritt auf jeden Fall nochmals wagen und es auch allen empfehlen, welche die Möglichkeit dazu haben. Es muss ja nicht gleich wie bei mir für 20 Jahre sein… Alles hat jedoch ein Ende. 2023 plane ich mit meiner Familie in die (Ost-)Schweiz zurückzukehren. Wann genau das sein wird, haben wir noch nicht festgelegt. Das wird sich noch ergeben.
Manuela Bruhin (*1984) ist Redaktorin von «Die Ostschweiz».
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