Der Gemeinderat von Wattwil hat seine Vision für die Zukunft des Spitals Wattwil vorgestellt. Das alternative Modell würde das Spital faktisch unabhängig machen - und attraktiv für Patienten aus anderen Regionen. Dass sich die Spitalverbunde darauf einlassen, ist aber unwahrscheinlich.
Der Konzeptnahme lautet «Spital Wattwil 2012», angestrebt wird eine «Integrierte Gesundheitsversorgung Toggenburg». Hinter den harmlosen Begriffen verbirgt sich wahrer Sprengstoff für die Spitallandschaft St.Gallen.
Was der Gemeinderat heute - unterstützt von externen Experten - vorgestellt hat, zielt zum einen auf eine Sicherstellung der medizinischen Grund- und Notfallversorgung für die Region Toggenburg ab. Das ist das eigentliche Motiv aller, die für einen Erhalt des Spitals Wattwil kämpfen. Dieses ist von der Schliessung oder der Reduktion auf ein Ambulatorium bedroht.
Nur: Schon heute ist klar, dass das als Argument nicht reicht. Angesichts der desolaten Lage der St.Galler Spitäler ist der Lenkungsausschuss der Spitalverbunde nicht bereit, regionale Befindlichkeiten als Kompass für die neue Strategie zu nehmen.
Deshalb musste ein neues Modell mehr beinhalten. Kernpunkt der Idee ist es, alle Leistungserbringer im Toggenburg wie Spital, Rettung, Notfall, Spitex, Pflegeheime und Ärzteschaft in enger Kooperation stärker zu vernetzen. Das schafft die Voraussetzungen für die Grundversorgung.
Das Ergebnis der Weiterentwicklung dieses Ansatzes ist ein sogenanntes versorgungsorientiertes System. Dieses wäre Neuland für St.Gallen, in anderen Kantonen kennt man das bereits. Dass ein solches ausgerechnet im Toggenburg realisiert werden soll, hat seinen Grund. Die Lage und Erreichbarkeit der Region seien nicht vergleichbar mit anderen, hiess es an der Präsentation des Modells.
Konkret würde sich das «Spital Wattwil 2021» auf die Innere und Altersmedizin konzentrieren und dort auch eine stationäre Versorgung sicherstellen. Dazu käme das Angebot der postoperativen Nachsorge. Ausgebaut würde ferner der bereits bestehende psychosomatische Bereich mit Angeboten rund um Suchtthemen, eine Schmerzklinik, ein Schlaflabor und die Behandlung von Jugendlichen mit Adispositas.
Die Stossrichtung ist klar: Das Spital Wattwil will sich fit trimmen für Patienten aus anderen Regionen, in denen Bereiche mit grosser Nachfrage aufgenommen werden, für die man auch eine Anfahrt auf sich nimmt. Und die «eigenen» Leute holt man weiter durch die Grundversorgung ab. Die Rede ist von einem «klaren Profil», mit dem man sich «im Markt positionieren» wolle.
Der Knackpunkt: Eine solche Neuausrichtung ist in der heutigen Struktur kaum möglich. Der Lenkungsausschuss sucht nach einer Gesamtstrategie für den ganzen Kanton, das Spital Wattwil sucht seine Position im Markt. Deshalb sieht das alternative Modell vor, das Spital in eine eigene Trägerschaft zu überführen.
Das könne, wie es hiess, eine eigene öffentlich-rechtliche Spitalregion des Kantons oder eine privatrechtliche Trägerschaft - eine Stiftung oder Aktiengesellschaft -mit gemischter Beteiligung sein. In jedem Fall geht es darum, dass die Führung des Spitals unabhängig und flexibel agieren kann. Sprich: Wächst die Nachfrage nach einem neuen Bereich, will man in Wattwil die Freiheit haben, das umzusetzen, ungeachtet der Gesamtstrategie im Kanton.
Der Gemeinderat von Wattwil will dieses Modell weiter verfolgen. Auch wenn es noch nicht bis ins Detail ausgestaltet sei und noch viele Fragen zu klären seien, sei es «ein erfolgsversprechender Weg.» Der Lenkungsausschuss der Spitalverbunde wurde bereits über die Pläne informiert, das Modell und der Bericht dazu wurden ihm zugeleitet.
Es ist allerdings nicht damit zu rechnen, dass der Lenkungsausschuss spontane Begeisterung empfindet. Nicht, weil das Modell nicht zielführend ist, sondern weil ein solcher faktischer Alleingang das Gefüge gefährdet.
Auch in Flawil gibt es bereits Kontakte zu privaten Anbietern, die in die Bresche springen könnten, wenn das Spital in der Existenz gefährdet wäre. Die Spitallandschaft St.Gallen ist also in Bewegung - oder, um es negativ auszudrücken, am Bröckeln. Es wird spannend sein zu sehen, wie man bei den Spitalverbunden auf diese Eigeninitiative reagiert.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
Hier klicken, um die Mobile App von «Die Ostschweiz» zu installieren.