Allein auf dem Areal der Stadt St.Gallen gibt es 17 sogenannte Familiengärten, dazu kommen weitere in der Agglomeration dazu. Die Familiengärtner sind in einem Zentralverband organisiert. Diesem kommt eine wichtige Funktion zu - und das nicht erst heute.
1925 wurde der Schweizerische Kleingärtnerverband aus der Taufe gehoben, der später in Schweizer Familiengärtner Verband (SFGV) umbenannt wurde. Ihm gehören heute rund 23'000 Mitglieder an. Der Zentralverband St.Gallen ist dem SFGV mit 17 Arealen angeschlossen, auf dem Land gehören sieben Sektionen dazu.
Bea Kurz und Mariann Baschnonga, Regionalvertreterinnen Ostschweiz Stadt beim ZV St.Gallen, sagen im Interview, welche Ziele sich der Verband gesetzt hat und wie die Zukunft der Familiengärtner aussieht.
Familiengärten kennt fast jeder, die meisten aber nur vom Sehen. Welche Funktion übernehmen sie in der Gesellschaft?
Familiengarten-Areale sind die «grünen Lungen» der Stadt. Sie leisten einen wichtigen Beitrag zu Biodiversität, zu Boden und Klimaschutz und zur Lebensqualität in Siedlungsgebieten. Familiengärtnervereine unterstützen den Aktionsplan, welcher vom Bundesrat zur Erhaltung der Artenvielfalt und Reduzierung der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln eingeführt wird. Das Miteinander in den Gartenarealen von Menschen aus verschiedenen Kulturen ist spannend und lehrreich. Oft entstehen ausgeprägte und dauerhafte Verbindungen und gemeinsame Aktivitäten werden gelebt.
Und wozu braucht es einen Zentralverband für Familiengärten in St.Gallen?
Der Vorstand des ZV St. Gallen ist die Koordinationsstelle zwischen den Grundeigentümer und den Vereinen. Grundeigentümer ist die Stadtverwaltung/Liegenschaftenamt, die Ortsbürgergemeinde und die Feldschützengesellschaft St. Georgen. Im Jahre 1946 wurde der Zentralverband St. Gallen gegründet. Gründungsmitglieder waren der FGV Bruggen, FGV Grossacker, FGV Ruckhalde (Überbauung geplant) und FGV Wienerberg. 1983 kam als letztes von 17 Arealen, das jüngste Areal, Riederenholz, im Osten der Stadt St. Gallen dazu. Jedes städtische Areal ist als eigener Verein organisiert mit einem Vorstand.
Die Geschichte der Familiengärten ist aber vermutlich älter als das organisierte Verbandeswesen?
Das Familiengartenareal Schönenwegen ist das älteste Areal in der Stadt St. Gallen. Es wurde 1908 gegründet und ist bereits über 100-jährig. Es folgten das Familiengartenareal Wienerberg bei der Universität mit Gründung 1943, welches während der Kriegszeit für die Anbauschlacht diente. Dank unserer organisierten Struktur konnte das Areal Wienerberg trotz einem Erweiterungsbau, den die Universität plante, gerettet werden. Eine frühe im Planungsprozess gestartete konstruktive Zusammenarbeit mit den kantonalen Behörden, der Universität und den städtischen Behörden erzielte diese erfreuliche Lösung für uns Familiengärtner. Den einzelnen Sektionen auf dem Lande gehören in allen Fällen mehrere Areale an. Im Jahre 1922 wurde auf dem Lande die Sektion Arbon gegründet und darf im 2022 sein 100 jähriges Jubiläum feiern. Darauf folgten sechs weitere Sektionen, als jüngstes Areal im 1988 der FGV Abtwil.
Was wird alles unter dem Begriff «Familiengärtner» verstanden?
Den Familiengärtnern ist die Natur sehr wichtig, neben dem Anbau von Gemüse und Blumen, wie eine repräsentative Umfrage des FIBL in diversen Regionen der Schweiz zeigte. Familiengärtner sind Menschen, die einen Teil ihrer Freizeit für den Eigenanbau von gesunden Gartenprodukten einsetzen. Familiengärtner leben das soziale Miteinander. Die Familiengarten-Vereine erfüllen eine wichtige Rolle für ältere Menschen, Bewohner mit Migrationshintergrund sowie für Kinder. Familiengärtner tragen dazu bei, dass Kenntnisse über alte Gemüse- und Obstsorten erhalten bleiben. Sie sorgen aber auch für hohe Lebenszufriedenheit und Quartierbildung.
Wie sieht die Entwicklung der Familiengärten in der Region St.Gallen aus?
In Zusammenarbeit mit dem Stadtplanungsamt der Stadt St. Gallen hat der ZV ein Familiengartenkonzept erstellt, das hier zu sehen ist. Dieses zeigt auf, wie es um die Familiengärten in der Stadt steht und wo aufgrund möglicher Veränderungen und Ansprüche ein Handlungsbedarf besteht. Im Richtplan der Stadt St.Gallen wird zum Beispiel festgehalten, dass ca. drei bis vier Quadratmeter Gartenparzelle pro Einwohnerin und Einwohner der schweizerische Normalwert ist. Den 79 000 Stadtbewohnern stehen brutto 210'700 Quadratmeter zur Verfügung, also nur 2,7 Quadratmeter pro Person. Diese Flächen sind auf 17 Areale verteilt.
Und wie sicher ist der Erhalt dieser heutigen Situation in Zukunft?
Rund drei Viertel der gesamten Fläche, die heute für Familiengärten zur Verfügung steht, befindet sich in der Grünzone und ist somit auf lange Zeit hin gesichert. Gesetzlich vorgeschriebene Bachöffnungen können jedoch auch Parzellen in Grünzonen betreffen. Das Stadtplanungsamt ist bestrebt, die Anzahl Parzellen beizubehalten und ist bereit, bei ausgewiesenem Bedarf ein neues Areal zu erschliessen. Leider liegen Ersatzanlagen teilweise meist nicht mehr in Quartiernähe, sondern an Aussengrenzen von Städten und Gemeinden. Das Gärtnern interessiert nach wie vor Jung und Alt, Alleinstehende sowie Familien. Die Entwicklung zeigt, dass die jungen Leute das naturnahe, biologische Gärtnern suchen, wie es auch in den Reglementen vorgeschrieben ist.
Weshalb ist es wichtig, dass sich Familiengärtner organisieren, wofür setzen Sie sich ein?
Die Behörden wünschen nur einen Ansprechpartner. Dies ist mit dem ZV in der Stadt St. Gallen gut geregelt. Im Vereinsleben spielen aktuelle Dokumente eine wichtige Rolle. So ist es unumgänglich die Statuten, Verträge, Garten- und Bauordnung ständig zu prüfen und anzupassen. Die immer wichtiger werdenden Informationen, über naturnahes und biologische Gärtnern kann nur so an die Basis weitergegeben werden. Dies erfolgt über Kurse, Broschüren und der Verbandszeit-schrift des SFGV, dem «Gartenfreund», welche monatlich erscheint. Dort werden viele nützliche Tipps und Tricks rund ums Gärtnern an unsere Pächter weitergegeben.
Welche weiteren Aktivitäten organisieren Sie?
Zum Thema Pflanzenschutzmittel hat der SFGV in Zusammenarbeit mit Grünstadt Zürich eine Betriebsmittelliste erstellt und an alle Pächter verteilt. Ein einfach verständlicher Faltprospekt sowie eine Liste von FIBL geben über biologische Pflanzenschutzmittel Auskunft. Sie ist auch auf unserer Webseite zu finden. An Regionaltagungen werden die Vereinspräsidenten der Stadt St. Gallen und der Sektionen auf dem Land für Themen, welche das Vereinsleben betreffen, sensibilisiert und geschult. Der ZV organisiert zudem jährlich eine Delegiertenversammlung und bei Bedarf Präsidententagungen. Die Präsidenten können so mitwirken und mitgestalten. An der nächsten Präsidententagung werden die überarbeiteten Reglemente diskutiert und verabschiedet. Bei diesen Anlässen spielt auch der Austausch untereinander eine wichtige Rolle.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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