Von der St.Galler FDP gibt es Lob und Tadel für die neusten Meldungen in der Spitalfrage. Die Denkpause in Wattwil wird begrüsst. Aber die Regierung habe Erkenntnisse verschlafen, die seit über 20 Jahren bekannt seien - ausgesprochen vom Vorvorgänger von Gesundheitsdirektorin Heidi Hanselmann.
1995 hiess der St.Galler Gesundheitsdirektor Burkhard Vetsch (FDP). Er hatte das Amt von 1984 bis zu seinem Rücktritt 1996 inne. Unter seiner Führung war vor 23 Jahren zum Thema Spitallandschaft zu lesen: «Das Modell Zonenspitäler sieht eine Konzentration der heutigen acht Landspitäler auf vier Schwerpunktspitäler und ein Landspital vor. Diesem Modell liegt die Überzeugung zugrunde, dass langfristig nur Spitäler mit mindestens 200 Betten die fachlichen und finanziellen Anforderungen erfüllen und ein attraktives Leistungsangebot gewährleisten können.»
Das Zitat stammt aus dem Begleitberichts der Regierung zur Spitalplanung 1995, der im Oktober jenes Jahres erschienen ist. Damals sorgte die Äusserung nicht für viel Aufruhr, und Vetsch, der ein Jahr später zurücktrat, musste sich weder mit Kritik noch mit Abwahlängsten plagen.
Dafür erwischte es seinen Nachfolger Anton Grüninger, der nach acht Jahren im Amt auf den zweiten Wahlgang verzichtete, in den ihn das Stimmvolk schickte. Seine offenen Spitalschliessungsabsichten kosteten ihn das Regierungsamt.
An das 23 Jahre alte Modell mit Zonenspitälern erinnert die St.Galler FDP in einer Reaktion auf die neuesten Entwicklungen in der Spitalfrage. Denn auch wenn die «Denkpause» bei den Bauarbeiten am Spital Wattwil («Die Ostschweiz» berichtete) und allgemeine Sparmassnahmen in der Spitalregion Fürstenland-Toggenburg begrüsst werden, so kritisieren die Freisinnigen umso deutlicher, dass dieser Schritt nur nötig sei, weil zuvor über 20 Jahre nichts geschehen sei. Der Tenor: Es werde reagiert statt agiert.
Für die FDP hat dieser Stillstand auch einen Namen: Heidi Hanselmann, Nachfolgerin von Anton Grüninger als Gesundheitsdirektorin. Diese habe «offensichtlich die Erkenntnisse, die seit Jahren in ihrem Departement bekannt wären, ignoriert», schreibt die FDP.
Die Kritik ist natürlich ein Stück weit auch Parteipolitik. Der Tenor dabei: «Unter der FDP-Führung war es besser.» Allerdings wurden auch damals noch keine Einschnitte aufgegleist. Aber immerhin wurde bereits 1995 festgehalten, dass etwas geschehen muss. Das war so in den letzten Jahren nicht mehr zu hören, bis das Kartenhaus vom Einstürzen bedroht war.
Die Frustration der Freisinnigen kommt nicht von ungefähr. Allein in den letzten zwei Jahren habe man sieben kritische Vorstösse zur Spitalfrage eingereicht und «auf die prekäre Lage der Spitäler hingewiesen.» Geschehen ist nichts. Dass sich sogar Teile des Kantonsrats erstaunt gaben, als im vergangenen Mai das Ausmass der Situation offengelegt wurde, ist so gesehen verwunderlich. Der breiten Bevölkerung war sie ohnehin nicht bewusst. Denn in aller Offenheit: Wer liest parlamentarische Vorstösse?
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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