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Gastbeitrag

Finanzierung der 13. AHV-Rente: Sind Lohnprozente tatsächlich solidarischer als eine Mehrwertsteuererhöhung?

Eine Berechnung zeigt: Die Solidarität der AHV durch Lohnprozente hält sich in engen Grenzen. Dagegen ist eine Finanzierung durch Mehrwertsteuer-Prozente nicht so unsolidarisch, wie uns die Linke weismachen will.

Thomas Baumann am 26. August 2024

Nach der Abstimmung über die 13. AHV-Rente ist vor dem Streit über deren Finanzierung. So titelte «20 Minuten» unlängst: «AHV 13: Alle gegen Baume-Schneider».

Was ist passiert? Der Bundesrat hatte eine Finanzierung der 13. AHV-Rente ausschliesslich über Lohnprozente vorgeschlagen. Dies wurde weder von Mitte-rechts, noch von links goutiert.

Während erstere eine Gesamtschau der ersten Säule fordert und dabei auch eine Erhöhung des Rentenalters nichts ausschliesst, will die Linke die 13. AHV-Rente ausschliesslich über Lohnprozente finanzieren.

Stellvertretend dafür SP-Nationalrätin Tamara Funiciello: «Eine Finanzierung muss auch Lohnprozente umfassen — denn diese sind solidarisch.»

Es ist das alte Mantra — das auch dann nicht wahrer wird, wenn man es tausendmal wiederholt. Schauen wir uns einmal die Zahlen an:

Über 4000 Lohnmillionäre…

Gemäss dem neusten Verteilungsbericht des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes, also einer aus linker Sicht gänzlich unverdächtigen Quelle, gab es im Jahr 2021 insgesamt 4120 Lohnmillionäre in der Schweiz.

Die Zahl der Lohnhalbmillionäre, also Personen mit mindestens einer halben Million Franken Jahreslohn, stieg währenddessen auf über 17'500 an.

Doch wie hoch ist der Durchschnittslohn dieser Lohnmillionäre? Für eine grobe Schätzung gibt die Statistik der direkten Bundessteuer aus dem Jahr 2020 einen Anhaltspunkt: Rund 30 Prozent der Einkommensmillionäre verdienten mehr als zwei Millionen Franken, im Durchschnitt etwa 4,7 Millionen Franken.

Die rund 70 Prozent der Einkommensmillionäre mit einem Einkommen zwischen einer und zwei Millionen Franken verdienten im Durchschnitt etwa 1,3 Millionen. Im Durchschnitt aller Einkommensmillionäre resultiert so ein Einkommen von rund 2,3 Millionen Franken.

Demgegenüber erzielten Personen mit einem Einkommen zwischen einer halben bis zu einer ganzen Million im Durchschnitt fast 650'000 Franken. Zwar ist in der Regel nicht alles Einkommen Lohneinkommen, aber wir wollen hier dem Gewerkschaftsbund folgen und alles Einkommen als Lohneinkommen klassifizieren.

…entrichten einen ‹Solidaritäts›-Beitrag von 750 Millionen

Natürlich beziehen auch Grossverdiener eines Tages eine AHV-Rente. Umverteilt werden somit nur von ihnen entrichtete Beiträge, welche den AHV-Beitrag übersteigen, der für die Deckung der eigenen zukünftigen AHV-Maximalrente notwendig ist.

Bei einer durchschnittlichen Restlebenserwartung von 21,7 Jahren im Alter von 65 Jahren und einer Maximalrente von 2450 Franken, bezieht ein alleinstehender Rentner mit durchschnittlicher Lebenserwartung fast 640'000 Franken Rente während seines Rentnerdaseins. Um diese Summe zu finanzieren, müsste er während seiner 44 Erwerbsjahre jedes Jahr — ohne Verzinsung — rund 14'500 Franken an AHV-Beiträgen entrichten.

Die Rechnung sieht für die Einkommensmillionäre somit folgendermassen aus: Die insgesamt 4120 Millionäre entrichten bei einem Durchschnittseinkommen von 2,3 Millionen Franken pro Jahr fast 200'000 Franken AHV-Beiträge pro Person — oder 183'000 mehr, als sie für die eigene Maximalrente «schulden» würden. Summiert über alle 4120 Einkommensmillionäre ergibt das rund 750 Millionen Franken — Jahr für Jahr.

Die rund 13'500 Personen mit einem Einkommen zwischen einer halben und einer ganzen Million Franken (17'500 Personen mit einem Einkommen von mindestens einer halben Million Franken, abzüglich der 4120 Einkommensmillionäre) entrichten auf diese Weise zusammen ebenfalls jedes Jahr rund 360 Millionen ‹solidarische› Franken.

Tropfen auf den heissen Stein

Insgesamt entrichten Personen mit hohem Lohneinkommen pro Jahr also etwas mehr als eine Milliarde Franken an AHV-Beiträgen zugunsten der übrigen Versicherten, d.h. Personen mit ‹normalem› Einkommen.

Das ist zwar durchaus solidarisch, aber bei Gesamtausgaben der AHV von 50 Milliarden im Jahr 2023 eher ein Tropfen auf den heissen Stein als ein substanzieller Beitrag.

Oder anders gesagt: Die Umverteilung zwischen Gutverdienern und Normalverdienern in der AHV ist doch eher beschränkt. Letztlich spielt sich die Umverteilung — die Zukunft wird es eines Tages für die jüngere Generation schmerzhaft enthüllen — vor allem zwischen den Generationen ab.

Doch wie steht es eigentlich um die Mehrwertsteuer als Quelle für die Finanzierung der AHV? Mangelt es dort wirklich an Solidarität?

Fakt ist: Die JUSO hört nicht auf, uns im Rahmen ihrer Erbschaftsteuerinitiative einzureden, dass die Reichen das Klima offenbar deutlich mehr belasten als ärmere Mitbürger. Die Rede ist von Jachten, Villen, dicken Autos und Privatflugzeugen.

Reiche zahlen mehr Mehrwertsteuer

Oder anders gesagt: von übermässigem Konsum. Nun wird genau solcher Konsum durch die Mehrwertsteuer belastet: Wer mehr konsumiert, zahlt auch mehr. Zudem gelangt bei Nahrungsmitteln, welche bei ärmeren Haushalten einen grösseren Teil am Haushaltbudget ausmachen als bei reichen Haushalten, ein deutlich tieferer Mehrwertsteuersatz zur Anwendung.

Wir stehen daher vor der eher kuriosen Situation, dass uns die Linke einerseits weismachen will, dass «die Reichen» durch ihren Luxuskonsum den Planeten schädigen, dafür aber nicht mehr Mehrwertsteuer bezahlen als Otto Normalverbraucher.

Denn würden sie mehr Mehrwertsteuer bezahlen als ärmere Haushalte — was sie in der Realität natürlich auch tun —, dann wäre eine Finanzierung der 13. AHV-Rente durch die Mehrwertsteuer eben sehr wohl solidarisch.

Kommt dazu: Während auf Vermögenseinkommen keine Lohnprozente erhoben werden, gelangt die Mehrwertsteuer dabei durchaus zur Anwendung — sofern die Vermögenserträge eines Tages ausgegeben werden.

Doch um solche Fakten foutiert sich die Linke: Viel lieber hält man dort an längst überholten Glaubenssätzen fest und erfreut sich an seinen lieb gewonnen Scheuklappen.

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Autor/in
Thomas Baumann

Thomas Baumann ist freier Autor und Ökonom. Als ehemaliger Bundesstatistiker ist er (nicht nur) bei Zahlen ziemlich pingelig.

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