Quelle: SIX Telekurs, Cronberg Asset Management.
Die Finanzmärkte sind schwungvoll ins neue Jahr gestartet und erreichten bereits Mitte Januar teilweise mehr als eine durchschnittliche Jahresperformance. In der Folge zeigten sie sich schwankungsanfällig. Negative Überraschungen sind auch im zweiten Halbjahr möglich.
Text: Alessandro Sgro, Cronberg AG
Dass die Finanzmärkte derart schwungvoll ins neue Börsenjahr starteten, war sowohl erfreulich als auch erstaunlich, resultierten doch im Jahr 2022 aufgrund der raschen und starken Zinswende in nahezu allen Anlageklassen historische Performance-Einbussen. Am stärksten entwickelten sich Bereiche, die im vergangenen Jahr ziemlich stark gelitten hatten, wie Unternehmen aus dem Technologiesektor. Auch mit Obligationen konnte nach vielen Jahren des Niedrig- oder Negativzinsumfelds wieder ein Ertrag erwirtschaftet werden.
Erstaunlich ist die Dynamik im aktuellen Börsenjahr auch, weil sich das makroökonomische Bild kaum verändert hat. Zentrale Hauptfigur: die Inflation. Sie ist in allen Regionen immer noch viel zu hoch. Entsprechend ist die stärkste geldpolitische Straffung seit über 40 Jahren in vollem Gange. Auch in diesem Jahr erhöhten die wichtigsten Notenbanken ihre Leitzinsen weiter, um dem nochmals gestiegenen Inflationsdruck entgegenzuwirken. Das Ende dieses Zyklus ist wohl noch länger nicht in Sicht. Dafür fallen die Inflationsraten weniger stark als erwartet und erhofft. Zudem entwickeln sich die Konjunktur und der Arbeitsmarkt zu robust, was die Inflation weiter festigen könnte.
Inflationsdruck bleibt
Die Inflationsraten liegen deutlich über der Zielmarke für Preisstabilität. Das Risiko einer Verfestigung der hartnäckigen Inflation ist gross – zumal nicht nur zyklische, sondern auch strukturelle Faktoren wie die Demografie, die Dekarbonisierung und die Deglobalisierung zunehmend verstärkt mitspielen. Die Schweizerische Nationalbank rechnet bis ins Jahr 2025 mit einer erhöhten Inflationsrate von über 2%. Die Europäische Nationalbank schätzt für 2023 eine Inflationsrate von 5.4% und für 2024 eine von 3%. Die US-Notenbank Fed rechnet mit 3.2% im 2023 und 2.5% im 2024.
Die Inflationsraten sind zwar im Fallen, aber immer noch deutlich erhöht
Quelle: SIX Telekurs, Cronberg Asset Management.
Die Notenbanken werden auch im zweiten Semester die Zinsen weiter erhöhen müssen, um die Inflationsdynamik weiter zu brechen. Dabei geht es vor allem darum, die Inflationserwartungen einzudämmen. Sind diese einmal in den Köpfen und damit in den zukünftigen Erwartungen zu den Preisentwicklungen drin, ist es schwierig, die Inflation in den Griff zu bekommen. Die Notenbanken werden in diesem Straffungsprozess zwar vorsichtig, aber entschieden agieren. Gespannt werden die Anleger stets auf die Lippen der Notenbanker achten und hineininterpretieren. Die Finanzmärkte dürften nervös bleiben und sensibel auf neue Nachrichten reagieren.
Fragilität des Marktes
Wie fragil die Märkte sind und wie schnell die Stimmung kippen kann, zeigte sich zuerst anfangs Februar, als die Konjunkturdaten robuster ausfielen als erwartet, und dann spätestens Anfang März mit den Turbulenzen im Bankensektor – auch wenn es sich hier um ein spezifisches Problem handelte. Sowohl bei den Regionalbanken in den USA als auch bei der Credit Suisse führte ein massiver Vertrauensverlust zu einem regelrechten «Bank Run». Das weckte Erinnerungen an die Finanzkrise 2008. Betrachtet man die verfügbaren Informationen zur Verfassung des Finanzsektors, kann dabei bei Weitem nicht von einer Banken- oder Finanzkrise die Rede sein. Dazu sind die Banken insgesamt zu robust und resilient. Als Belastungsfaktor für die Märkte erwies sich anschliessend die regelmässig wiederkehrende Diskussion über eine drohende Zahlungsunfähigkeit der USA. In den Vereinigten Staaten gibt es eine gesetzlich verankerte Schuldenobergrenze. Sowohl Demokraten wie auch Republikaner nutzen dieses Instrument seit Jahrzehnten, um sich gegenseitig politische Eingeständnisse abzuringen. Letztlich konnten sich beide Parteien wenige Tage vor Erreichen dieser Obergrenze einigen.
Zeitenwende für die Kapitalanlage
Finanzmärkte sind komplexe und dynamische Systeme und im hohen Masse von menschlichen Verhaltensweisen geprägt. Das führt immer wieder zu schnellen und teils übertriebenen, irrationalen Marktreaktionen. Gerade die aktuelle Phase stellt einen regelrechten realen Stresstest dar, in dem sich die Nebenwirkungen der jahrelang ausserordentlich expansiven Geldpolitik weiter deutlich zeigen. Mit den Leitzinssenkungen und der Geldschwemme mittels der diversen QE-Programme wurden die Finanzmärkte nach der Finanzkrise 2008 über die Jahre hinweg massiv stabilisiert. Sie gewöhnten sich allerdings auch an diese «Medizin» der Notenbanken. Kam es in der Vergangenheit zu Marktturbulenzen, rannten die Notenbanken zu Hilfe und versorgten die Märkte mit zusätzlicher Liquidität. Diese Zeit ist vorbei. Das ist richtig und wichtig. Denn die zentrale Aufgabe der Notenbanken ist die Sicherstellung von Preisstabilität. Das ist aktuell definitiv nicht gewährleistet. Der Entzug der Medizin, indem die Leitzinsen weiter erhöht und die Notenbankbilanzen abgebaut werden, wird auch in den kommenden Monaten zu starken Verwerfungen führen.
Auf Schocks vorbereiten und Chancen nutzen
Sein Vermögen im Rahmen der eigenen Risikofähigkeit und mit Fokus auf die finanziellen Ziele zu investieren, bedeutet, einen adäquaten Umgang mit Risiken zu finden. Zum traditionellen und bodenständigen Handwerk eines Vermögensverwalters gehört es, möglichst verschiedene Szenarien durchzudenken und das Portfolio entsprechend auf mögliche Entwicklungen vorzubereiten. Schocks und übertriebene Marktreaktionen wird es immer wieder geben. Um langfristig erfolgreich zu sein, ist es deshalb wichtig, sich über mögliche Anlegerfallen im Klaren zu sein und diszipliniert zu bleiben. Der Schlüssel liegt in einer optimalen und breiten Diversifikation, um das Risiko von Verlusten durch Schocks zu minimieren sowie an der langfristig ausgerichteten Anlagestrategie festzuhalten. In deren Umsetzung ist ein geschicktes und selektives Vorgehen gefragt – sowohl auf Ebene Anlageklassen, als auch bei der Titelselektion. Die Basis hierzu bildet eine ausgereifte, solide und bewährte Systematik in der Anlagemethodik.
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