2022 waren insgesamt 1778 Schweizerinnen in der Armee eingeteilt. Eine von ihnen ist Frau Hauptmann Jeanine Huber-Maurer aus Frauenfeld. Im Gespräch mit «Die Ostschweiz» spricht sie über ihre Militärkarriere, Sexismus in der Armee und was sie von einer allgemeinen Dienstpflicht für Frauen hält.
Jeanine Huber-Maurer ist 37 Jahre alt und Mutter von zwei kleinen Buben. Die diplomierte Wirtschaftsprüferin ist Niederlassungsleiterin der Provida AG in Frauenfeld, wo sie auch wohnt. 2021 wurde sie als SVP-Vertreterin in den Bankrat der Thurgauer Kantonalbank gewählt. In ihrer Freizeit macht sie Yoga «zum Runterkommen» oder pilotiert eine 1-Propellermaschine. Der Zugang Militärpilotinnenkarriere war ihr aber wegen ihrer zu geringer Körpergrösse verwehrt, wie sie bedauert. In 597 Diensttagen hat sie es zum Hauptmann der Schweizer Armee geschafft. Seit 2023 ist die Führungsstaffeloffizierin der Reserve zugeteilt.
Frau Hauptmann Huber-Maurer, warum haben Sie sich als junge Frau für den Militärdienst entschieden?
In der Mehrzweckhalle neben unserem Haus war oft Militär einquartiert. Ich fand die «Militärmänner» schon damals interessant. Weil ich Polizistin werden wollte, ging ich später unter anderem zu den Jungschützen. Doch für den Polizeidienst war ich mit meinen 1.53 Metern zu klein. Da sagte ich mir, wenn ich Militärdienst mache, dann müssen sie mich bei der Polizei nehmen. Nach der Ausbildung zum Leutnant hatte ich aber keine Lust mehr auf die Polizeischule.
Militärdienst ist das eine, eine Militärkarriere anstreben etwas anderes. Hat es Sie nach der RS gepackt?
Eigentlich wollte ich Panzerfahrerin werden. Aber auch dafür war ich zu klein. Dann sagte ich mir: wenn schon Militär, dann richtig, sonst lass ich’s lieber sein. So entschied ich mich für eine Karriere im Militär. Zudem gefällt es mir, Menschen zu führen.
Was bringt Ihnen die militärische Ausbildung für Ihr Privat- und das Berufsleben?
Es gibt ja dieses Klischee, dass man im Militär oft Sinnloses macht. Meiner Meinung nach, muss nicht immer alles sinnvoll sein. Wenn man mal zwei Stunden irgendwo warten muss, dann ist das nicht weiter schlimm. Dann habe ich gelernt, mich als Frau und Führungskraft durchzusetzen. Ich habe gelernt, wie Menschen ticken und wie ich unter Stress und wenn ich an meine körperlichen Grenzen gelange, reagiere.
Gab es auch mal Momente, an denen Sie es bereuten, Ja zum Militär gesagt zu haben?
Die Offiziersschule war nicht einfach. Da gab es schon den einen oder anderen, der fand, ich dürfe nicht weitermachen, weil ich zu klein und zu wenig stark sei. Für mich war aber klar: Wenn meine Vorgesetzten finden, ich sei als Offizierin geeignet, dann beweise ich das auch. Aber es waren wirklich harte 15 Wochen…
Was halten Sie von einer allgemeinen Dienstpflicht auch für Frauen?
Aus dem Bauch heraus sage ich, dass das nicht nötig ist. Frauen leisten bereits einen Beitrag an die Gesellschaft, indem sie Kinder kriegen. Zudem bin ich nicht sicher, ob wirklich alle Frauen ins Militär passen. Es bräuchte wohl zusätzliche Funktionen.
Es haben aber nicht alle Frauen Kinder und schon gar nicht mit 20…
Ja, stimmt. Wenn eine Frau aber früh Kinder hat, dann ist das in der Armee schwierig. Wer schaut dann während des Dienstes auf die Kinder? Da müsste ja der Partner drei Wochen Ferien nehmen. Eine Militärkarriere mit Kindern kann ich mir, so wie die Armee heute aufgestellt ist, nicht vorstellen. Da bräuchte es schon Kitas oder ähnliche Einrichtungen.
Und was passiert, wenn Frauen während sie dienstpflichtig sind, Kinder kriegen?
Die Frauen können ein Dienstverschiebungsgesuch für eine gewisse Zeit einreichen, dann muss man den Dienst aber absolvieren, wie die Männer auch. Ungleich der Privatwirtschaft bedeuten Kinder aber kein grundsätzlicher Karriereknick im Militär. Vorausgesetzt natürlich, man kommt seiner Dienstpflicht nach.
Wie ist das eigentlich im Dienst: Müssen Frauen und Männer die genau gleichen Dinge erfüllen und erledigen?
Ja, der Dienst ist identisch. Frauen dürfen seit bald 20 Jahren auch alle Funktionen einnehmen.
Haben Sie im Dienst Erfahrungen mit Sexismus oder sexueller Belästigung gemacht?
Sexuelle Belästigung nicht, Sexismus schon. Das können genervte Blicke von Männern sein, wenn man in den WK einrückt. Es ist wohl einfacher, wenn man eine grosse und starke Frau ist. Ich bin eher schmächtig: Die Kleider sind zu gross, die Pistole ist mit kleinen Händen ebenfalls schwierig zu bedienen. Den Tarnanzug musste ich zum Beispiel selbst und auf eigene Kosten anpassen lassen. Als Frau im Militär kriegt man auch öfters Anfragen für Interviews, sprich man zieht mehr Aufmerksamkeit auf sich. Das macht einigen Männern zu schaffen. Aber mit der Zeit schauen sie dich dann doch als Kameradin an…
Wie diversity-affin ist das Militär Ihrer Erfahrung nach? Gibt es einen Unterschied zwischen den Kaderstufen?
Man sagt, mit Frauen geht es im Militär ein bisschen gesitteter zu und her. Ich glaube schon, dass der Geschlechtermix guttut. Bis auf die Offiziersschule empfand ich das Militär als sehr frauenfreundlich. Meist war ich diejenige, die mit anrüchigen Gesprächen begann… (lacht). Angriff ist die beste Taktik.
Sie engagieren sich auch für den weiblichen militärischen Nachwuchs. Wie genau?
Bis 2022 war ich Moderatorin an den Orientierungstagen, für die sich Frauen anmelden müssen und für die sie sich extra frei nehmen müssen, weil sie ja eben nicht dienstpflichtig sind. Da gab es auch spezielle Fragestunden nur für Frauen, an den typisch weibliche Dinge besprochen wurden. Zum Beispiel: Wie gehe ich im Dienst mit den Tagen um. Dinge halt, die man Männer nicht so einfach fragen kann.
Zum Schluss: Haben Sie ein Tipp, wie man sich als Frau im Militär am besten durchsetzt?
(lacht) Man muss einfach schlagfertig sein und sich wehren können.
((Legende))
Jeanine Huber-Maurer: «Da gab es schon den einen oder anderen, der fand, ich dürfe nicht weitermachen, weil ich zu klein und zu wenig stark sei.»
Michel Bossart ist Redaktor bei «Die Ostschweiz». Nach dem Studium der Philosophie und Geschichte hat er für diverse Medien geschrieben. Er lebt in Benken (SG).
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