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Lukas Hinterberger und Michael Wohlleben

Für eine Weltpremiere bis ans Limit

Nur die verrücktesten Abenteuer schaffen es in die European Outdoor Film Tour, die jedes Jahr in zahlreichen Ländern und Locations über die Leinwände flimmert. 2023 sind zwei Alpinisten aus dem Appenzellerland dabei – mit einer Weltpremiere in den Urner Alpen.

Nathalie Schoch am 26. Dezember 2023
Bergsteiger Bergsteiger Bergsteiger Bergsteiger Bergsteiger Bergsteiger Bergsteiger Bergsteiger Bergsteiger Bergsteiger

Die Tonhalle in St.Gallen ist brechend voll. Alle wollen die unglaublichen Geschichten sehen, die es in diesem Jahr in die European Outdoor Film Tour (EOFT) geschafft haben. Da ist unter anderem der französische Paraglider Antoine Girard, der mit seinem Gleitschirm über Achttausender fliegt und sich den Höhenrekord im Karakorum Gebirge holt. Fünf Kunststudentinnen und -studenten aus Deutschland, die mit ihren Oldtimer Motorrädern bis nach New York tuckern. Allerdings auf wahrlich holprigem Wege, denn sie erleben auf ihrer Reise 972 Breakdowns. Nicht weniger abenteuerlich geht es bei Sophie Planque und Jérèmy Vaugeois zu und her, als sie mit ihren Bikes von Alaska bis nach Patagonien fahren. Und so erstaunt es nicht, dass auch Lukas Hinterberger und Michi Wohlleben Teil der EOFT 2023 sind. Der Film «Triple Edge» zeigt die beiden Alpinisten aus dem Appenzellerland, wie sie eine Weltpremiere feiern: Sie klettern den Süd-, West- und Ostgrat auf den 2985 Meter hohen Salbitschijen zum ersten Mal im Winter. In 45 Stunden in einem Push.

Bergsteiger

(Bild: Michael Wohlleben)

Bezwingbar oder nicht?

Lukas und Michi sind in der Salbithütte auf 2'105 m angekommen. Es gibt ein letztes währschaftes gutes Essen, bevor das Abenteuer startet. «Geh nicht nur die glatten Strassen; geh Wege, die noch niemand ging. Damit du Spuren hinterlässt und nicht nur Staub». Der Spruch an der Wand könnte nicht passender sein. Zwar ist in diesem Moment noch vieles ungewiss, aber die beiden freuen sich auf ihr Vorhaben.

Bergsteiger

(Bild: AlpsolutPictures)

Um 1.10 Uhr geht es los und sie steigen im Dunkeln am Südgrat ein. «Es ist ein beklemmendes Gefühl, im Dunkeln zu klettern. Man ist dabei komplett auf sich allein gestellt», sagt Lukas. Doch vier Stunden später stehen sie bereits auf dem Gipfel. «Du stehst da oben, sichtlich gelöst, und realisierst, dass der schwierigste Grat noch vor dir liegt», so Michi. Die beiden wissen nämlich nicht, ob der Westgrat im Winter überhaupt machbar ist. Sie kämpfen sich durch den Schnee, blicken hinauf und sehen, dass die grossen Risse des Felsen komplett vereist sind. «Man ist schon ein bisschen nervös», gesteht Lukas. Doch um 17.05 Uhr ist das Zwischenziel erreicht und sie stellen ihr Biwak auf – in luftiger Höhe und klirrender Kälte. Bei der Mahlzeitzubereitung albern sie herum; es ist ihre Art, sich von den Strapazen und dem, was noch vor ihnen liegt, abzulenken. Am nächsten Morgen klettern sie den Rest des Westgrats hoch und erreichen ihren zweiten Zielpunkt. Mittlerweile sind sie 32 Stunden am Berg. Beide haben enorme Schwielen und Schürfungen an den Händen.

Bergsteiger

(Bild: Michael Wohlleben)

Aufgeben war keine Option

Beim Abstieg geht Lukas voraus, Michi mit grossem Sicherheitsabstand hinterher, wie es sich bei einem Lawinenhang gehört. Auf einmal verschwindet Lukas hinter einer Kuppe, er sinkt bis zum Bauch im Schnee ein. «Ich hatte plötzlich dieses Bild vor Augen, dass ich den Hang auslöse, von den schweren Schneemassen erdrückt und wie unter Beton begraben werde». Lukas geht schnurstracks zurück zu Michi. Dieser überlegt nicht lange, schnallt sich die Schneeschuhe an und übernimmt die Führung. «Ich hatte noch genug Energie, aber man muss sich seiner Entscheidung und dem Risiko sehr bewusst sein», so Michi. Sie schaffen es, den Lawinenhang zu überqueren und ziehen weiter.

Bergsteiger

(Bild: Michael Wohlleben)

Dann stehen sie am Einstieg zum Ostgrat, ihr drittes und letztes Ziel. Noch einmal verlangt das Abenteuer alles von ihnen ab. Die Pumpe geht, die Finger schmerzen, die Muskeln brennen, doch sie bezwingen den Berg und fallen sich auf dem Gipfel in die Arme. Die Winter-Trilogie ist nach 45 Stunden geschafft. War Aufgeben jemals eine Option? «Nein, das haben wir nicht einkalkuliert», schmunzelt Michi. «Wenn wir körperlich komplett an den Anschlag kommen und mental ans Limit gehen, dann haben wir das für uns gefunden, was wir suchen.» Auch bei der Vorbereitung sind sich die beiden einig, dass die Arbeit als Bergführer und die Erfahrung im Klettern die besten Grundlagen für solche Projekte seien und die eigentliche Vorbereitung im Kopf erfolge. «Man muss es einfach machen», schmunzelt Michi wieder. Dem Spruch in der Salbithütte haben sie alle Ehre gemacht und klar ist auch, die beiden hecken bereits neue Pläne aus.

Bergsteiger

(Bild: AlpsolutPictures)

Lukas Hinterberger

Er ist selbständiger Bergführer, gelernter Milchtechnologe und lebt in Appenzell. Neben der Weltpremiere in den Urner Alpen hat er auch schon auf unbekannten Wegen den 6'500 m hohen Xuelian Feng in China bestiegen und die Erstbegehung der Nordostwand des Cerro Cachets in Patagonien geschafft.

Michael Wohlleben

Bereits mit 8 Jahren begann er zu klettern, stand mit 14 Jahren auf seinem ersten Viertausender und durchstieg mit 17 die Eiger Nordwand. Im Mai 2017 knöpfte er sich die bis dato unbezwingbare «westliche Dreifaltigkeit» vor und siegte über die Vertikale. Der selbständige Bergführer und gebürtige Deutsche lebt mit seiner Familie in Wolfhalden.

Die European Outdoor Film Tour

Die EOFT ist das grösste Outdoor-Filmfestival Europas und tourt seit 2001 alljährlich im Herbst/Winter mit den besten Outdoor- und Abenteuerfilmen der Saison durch zahlreiche europäische Länder. Nur die verrücktesten Ideen und Abenteuertrips schaffen es in die Filmauswahl.

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Autor/in
Nathalie Schoch

Nathalie Schoch ist freischaffende Journalistin und Mitinhaberin von Merkur Kommunikation. Sie lebt und arbeitet in Teufen.

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