Kajo Bischof ist Inhaber und Geschäftsführer der Vogelsanger Weine AG. Wir haben ihn gefragt, was in der Ostschweiz besonders gerne getrunken wird und ob es in 20 Jahren überhaupt noch gesunde Weintrauben geben wird.
Kajo Bischof, woher kommt Ihre Leidenschaft für Wein?
Ursprünglich ging es um den Genuss. Ich hatte das Glück, in einem Haushalt gross zu werden, in dem ein gutes gute Glas Wein geschätzt wurde. Wein war zwar kein Hobby meiner Eltern, aber sie sind Genussmenschen. Ich kam also schon früh in Kontakt mit Wein. So habe ich die Vielfalt und die Schönheit dieses Naturprodukts schätzen gelernt.
Sie sagen es: Wein ist etwas für Genussmenschen. Fühlen Sie sich im Weinhandel deshalb so wohl?
Der Austausch mit Gleichgesinnten spielt sicher eine grosse Rolle. Jeder Wein hat eine Geschichte. Teil unseres Jobs ist es, sie zu erzählen. Und zwar so, dass wir bei der Kundschaft Emotionen wecken. Diese Aufgabe schätze ich sehr.
Hat das Geniessen bei uns Schweizern nicht eher einen tieferen Stellenwert als anderswo?
Das sehe ich anders. Wir Schweizer pflegen eine intensive Reisekultur. Und wir sind offen für andere Kulturen und Lebensweisen – das gilt auch für die mediterrane Gelassenheit. Generell beobachte ich, dass Genuss und Achtsamkeit eher relevanter werden. Insbesondere bei der jüngeren Kundschaft.
Als Händler muss aber nicht nur der Geschmack, sondern auch die Kasse stimmen.
Das ist manchmal ein Spagat. Unser Grundsatz ist, dass das «Genuss-Leistungsverhältnis» stimmt. Wir fragen uns beim Ankauf: Ist dieser Wein wirklich so viel wert? Wenn wir dabei ehrlich sind, passt später auch das Angebot. Aber als Händler in einem so diversen Markt muss man sich auch spezialisieren. Wir sind diesbezüglich der Linie von Dani Vogelsanger treu geblieben.
Die wäre?
Wir sind im mittleren oder «sportlichen» Preissegment angesiedelt. Und bei uns gilt grundsätzlich: Qualität vor Quantität. Wir arbeiten gerne mit kleineren Winzern oder gar Start-ups zusammen. Am liebsten aus der Nähe.
Gibt es denn überhaupt einen objektiv guten Wein?
Puh, schwierige Frage (lacht). Klar ist: Ein 80-Franken-Wein ist nicht viermal besser als eine 20-Franken-Flasche. Das ist gar nicht möglich. Aber die Unterschiede sind doch gross und spürbar. Das betrifft Qualität und Geschmack, aber auch Produktionsweise und Marketing.
Stellt die Kundschaft heute noch die gleichen Fragen wie bei Ihrem Start 2003?
Es sind Neue dazugekommen. Hauptsächlich bezüglich Bio-Produktion, Regionalität und Nachhaltigkeit. Die Kundschaft konsumiert heute bewusster als früher. Diese Entwicklung schätze ich sehr. Sie stimmt mit unserer Philosophie überein.
Bereiten Ihnen die Gesundheits-Trends und die Abnahme des Pro-Kopf-Konsums Sorgen?
Nein. Zwar sind die Pro-Kopf-Zahlen rückläufig, dafür gönnt man sich heute eher einmal eine etwas teurere Flasche.
Und inwiefern «plagen» Sie Pandemie und Teuerung?
Erstaunlicherweise hat sich das Einkaufsverhalten unserer Kundschaft seit Corona bereits wieder eingependelt. Wir befinden uns heute auf dem Niveau von vor der Pandemie. Die Teuerung spüren wir aber natürlich überall. Das betrifft nicht nur uns, sondern auch Produzenten und Lieferanten. Dazu kommen Lieferverzögerungen – beispielsweise beim Glas. Glücklicherweise zeigt die Kundschaft Verständnis für die daraus resultierenden Preisanstiege von 5 bis 8 Prozent.
Die Ostschweiz hat keinen Mangel an Weinhändlern. Wie stark ist die Konkurrenz?
Ich sehe andere Weinhändler nicht als Konkurrenz. Im Gegenteil: Es ist doch toll, dass wir in der Ostschweiz so eine Vielfalt haben. Die «echte» Konkurrenz sind für mich der Grosshandel und die «Mikro-Weinhändler». Der Detailhandel setzt auf Quantität statt Qualität. Das zeigt sich bei den Preisen. Da können und wollen wir nicht mithalten. Auch Private, die selbst Wein importieren und ihn übers Internet verkaufen, gibt es immer häufiger.
Sie setzen nach wie vor auf intensive Kundebetreuung und investieren heuer in den Laden bzw. den Standort in Winkeln. Macht das in Zeiten des Onlinehandels Sinn?
Auf jeden Fall. Unsere Kundschaft schätzt die persönliche Betreuung sehr. Und uns ist es wichtig, dass jeder Wein auch degustiert werden kann. Da machen wir keine Kompromisse. Das gehört für mich schlicht dazu.
Sie sagten es schon: Nachhaltigkeit ist das Thema der Stunde. Wie gehen die Winzer damit um?
Viele unsere Winzer haben ihren Betrieb in den vergangenen Jahren auf Bio umgestellt. Dazu kommen grosse Anstrengungen im Bereich der Nachhaltigkeit. Sie wollen, dass ihre Kinder dereinst auch noch Weintrauben anpflanzen können.
Macht ihnen das Klima da keinen Strich durch die Rechnung?
Natürlich sind Klima und Wetter Faktoren, die die Winzer nicht beeinflussen können. Aber man kann solche Veränderungen auch als Chance sehen. Ein Beispiel wäre das Bio-Weingut Besson-Strasser in Laufen (ZH). Hier wird inzwischen die Zweigelt und Malbec Traube angepflanzt. Das wäre vor einigen Jahren nicht möglich gewesen, da sie nicht genügend Sonne und Wärme für die Reife bekommen hätte. Heute gedeiht die Traube nicht mehr nur im Süden, sondern auch hier.
Innovativ. Auch für Sie? Werden Sie nach 20 Jahren im Weinhandel noch überrascht?
Jede Woche. Ich bin noch genauso neugierig wie damals. Wenn ich kann, probiere ich einen Wein, den ich noch nicht kenne. Und ich werde auch heute immer wieder positiv überrascht.
Welche Wein-Region ist Ihr Geheimtipp?
Der Ostblock. Das ist eine äusserst spannende Region. Die Weine von dort sind hier zwar noch nicht so bekannt, aber sie sind faszinierend. Erst kürzlich habe ich einen Wein aus Georgien gekostet – der war herrlich! Und eine unsere liebsten Wein-Regionen ist und bleibt Spanien.
Zur Person
Der 51-jährige Kajo Bischof wuchs in Zug auf. Als Erstausbildung absolvierte er eine Lehre als Goldschmied. Nach fünf Jahren im Beruf und einer Reise nach Australien / Neuseeland stiess er auf ein unscheinbares Inserat in der Zeitung: Goldschmied in Bolivien gesucht. Kajo Bischof meldete sich und arbeitete anschliessend fast acht Jahre dort. In dieser Zeit baute er sein Sprach- und Kulturwissen aus. Im Jahr 2003 folgten dann die Rückkehr in die Schweiz und der Einstieg in die Vogelsanger Weine AG. Nach 10 Jahren in der Geschäftsleitung übernahm Kajo Bischof die Weinhandlung per 1. Januar 2023 schliesslich von Gründer Dani Vogelsanger.
Marcel Baumgartner (*1979) ist Chefredaktor von «Die Ostschweiz».
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