Viele denken mit Wehmut daran zurück, andere wiederum sind froh, aufs Auto umgestiegen zu sein: Das «Töffli» hat Kultstatus erreicht. Marc Zürcher hat seine Leidenschaft zum Beruf gemacht. Dennoch sind die Mofas für ihn viel mehr als «Mittel zum Zweck».
Gerade erst ist er vom Comer See zurückgekehrt. Donnerstags abgereist, brauchten Marc Zürcher und seine Kollegen drei Tage, bis sie ihr Ziel in Italien erreichten. Und das nicht etwa mit dem Auto, sondern mit ihren «Töfflis». Wie gross ist also der «Töfflibueb», der auch heute noch in dem 30-Jährigen steckt? «Sehr gross», sagt er lachend. Zwar steige er mittlerweile nicht mehr täglich auf seinen Puch. Dennoch dreht sich sein gesamter Alltag um die Zweiräder, die inzwischen Kultstatus erreicht haben. Und so schnell wird sich das auch nicht ändern.
Apropos Schnelligkeit: Was bewegt einen Erwachsenen dazu, hunderte von Kilometern mit seinem Töffli zu bewältigen? Ein Gefährt, das nicht schneller als 30 Stundenkilometer fahren kann? «Ich nehme diese Zeit sehr viel bewusster wahr, wenn ich mit dem Töffli unterwegs bin», fasst es Marc Zürcher zusammen. «Das Töffli ist meiner Meinung nach ein äusserst hilfreiches Gefährt, um das Lebensgefühl von Freiheit und Abenteuer zu steigern.» Bei diesen Touren sei er ohne Handy unterwegs, und nehme nur gerade so viel Geld mit, um das Benzin nachfüllen zu können. Dabei entstünden Geschichten, die eben nur das Leben schreiben könne – wenn man bereit sei, sich darauf einzulassen. «Es hat viel mit Urvertrauen zu tun, damit, wieder die kleineren Dinge bewusst wahrzunehmen, sich auf etwas einzulassen.» Und das müsse man zwangsläufig, wenn man mit dem Töffli reise. Man komme mit den Menschen, den Gegebenheiten und der Umwelt viel stärker in Kontakt.
Beispiele dafür, was Zürcher genau meint, gibt es genug. So passiert am vergangenen Wochenende, als die Truppe ein Openair in Bivio (GR) besuchen wollte – gerade einmal nach 500 Metern jedoch kam es auch schon zur ersten Panne. «Ich war der Einzige, der schrauben konnte – das war nicht gerade motivierend, wenn man bedenkt, dass wir 250 Kilometer vor uns hatten.» Doch der restliche Weg ging ohne weitere Zwischenfälle über die Bühne – also völlig anders, als zu Beginn gedacht. «Das sind die Momente, die ich vor dem Einschlafen noch einmal bewusst Revue passieren lasse. Man weiss nie, wofür die kleinere Panne gut war – vielleicht hat sie uns vor etwas viel Grösserem bewahrt?» Jeder müsse selber entscheiden, wie er damit umgehen will – das sei die Freiheit, die wir hätten – und nicht zuletzt, wie wir unser Leben wahrnehmen würden.
Sein erstes Töffli besitzt Zürcher übrigens immer noch. «Was ist das für eine Frage», lacht er gar. Inzwischen fährt der Thurgauer jedoch lieber mit seinem ersten handgeschalteten Modell. Daran habe er schon rumgewerkelt, als er noch sein Jugendzimmer bei seinen Eltern bewohnte und in deren Garage alles seinen Anfang nahm. Heute beschäftigt das Unternehmen mofakult AG rund 35 hochmotivierte Mitarbeiter. Wehmut darüber, dass die «guten und unkomplizierten» Zeiten damit vorbei sind, verspüre er jedoch kaum. «Klar ist es inzwischen um einiges aufwendiger geworden, die Verantwortung entsprechend gewachsen», so Zürcher. Umso wichtiger sei es, Verantwortung abgeben zu können, damit man sich den Sachen widmen könne, die einem besser liegen. Das Amt der Geschäftsleitung sei aus diesem Grund auf vier Personen verteilt – damit jeder dort wirken könne, wo seine Talente liegen.
In der Coronazeit sei die Nachfrage nach Ersatzteilen angestiegen. Kein Wunder: Zu seinen Kunden zählen jegliche Altersgruppen. «Vom zwölfjährigen Jugendlichen, der es kaum erwarten kann, sein erstes Töffli zu besitzen, bis hin zum Pensionierten, der noch einmal ein neues Hobby ausprobieren möchte», so Zürcher. Leute mit Migrationshintergrund hätten genau so Freude am Herumschrauben, wie es beim Bankangestellten, Rechtsanwalt oder Bauarbeiter der Fall sei. «Bei den Töfflitreffen sind alle gleich – es wimmelt von ‘Töfflibuebe und -meitli’, sagt Zürcher. Dieses Phänomen treibt den Thurgauer täglich an. Klar müsse er sich auch mit Herausforderungen herumschlagen: Fachkräftemangel, Lieferengpässe – das alles ist ihm nicht fremd. Dennoch wolle er sich lieber mit Lösungen statt Problemen herumschlagen. «Ich denke, hier trennt sich die Spreu vom Weizen», erklärt Zürcher. Geduld sei in diesem Business sehr wichtig. In den nächsten Monaten werde der neue Onlineshop aufgeschaltet. «Er wird so aussehen, wie ich es mir vor 13 Jahren bereits ausgemalt und gewünscht habe», so der Thurgauer. So viele Jahre habe er nun darauf gewartet – es brauchte viele Zwischenschritte, die sich rückblickend gelohnt haben. Weil sie schliesslich zur Lösung führten. «Das Leben ist nun mal kein Sprint, sondern ein Marathon.» Ein Marathon eben auch, der sich auf dem Töffli nach viel mehr Freiheit anfühlt.
Manuela Bruhin (*1984) ist Redaktorin von «Die Ostschweiz».
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