Am 18. Juni 2023 stimmt die Schweizer Stimmbevölkerung zum dritten Mal über das Covid-Gesetz ab. Obwohl Covid-19 mittlerweile ein eigentliches Nicht-Problem ist, soll die Geltungsdauer des Gesetzes bis Mitte 2024 verlängert werden.
«No Cruising – two times past same point within 6 hours is cruising». Solche Verbotsschilder aus den – freilich in vielerlei Hinsicht liberaleren – USA, die es verbieten, an einem Ort innert sechs Stunden mehrmals vorbeizufahren, wirken realsatirisch und dienen uns bisweilen als Amüsement für sinnlose Regeln und Beschilderungen. Schnell ist man geneigt, sich über solchen Unsinn lustig zu machen und mit dem Finger auf die anderen zu zeigen. Angesichts der omnipräsenten Überregulierung – immerhin kannte die Schweiz bis Mitte 2016 auch ein Bundesgesetz über die Anschlussgleise (sic!) – gilt es indes, mit vorschneller Kritik zurückhaltend zu sein. Sind wir mit unserem grossen Staatsapparat denn viel besser?
So stimmen wir am 18. Juni 2023 zum dritten Mal über das Covid-19-Gesetz ab – und damit fast anderthalb Jahre nach Aufhebung der Zertifikatspflicht per Mitte Februar 2022. Bis Ende Juni 2024 soll nun die Geltungsdauer gewisser Normen, einschliesslich des hochstrittigen Art. 6a zum Covid-Zertifikat, verlängert werden. Und dies, obschon der Bundesrat gesagt hat, er werde dieses jedenfalls im Inland nicht mehr zum Einsatz bringen. Für den Fall der Fälle sei es aber dennoch gut, auf ein bereits bestehendes gesetzliches Gerüst zurückzugreifen können, um frühere Massnahmen zu reaktivieren. Wie bitte? Offensichtlich hat der Bundesrat keine besseren Argumente, ansonsten er nicht sinngemäss zugeben müsste, dass es sich bei der Abstimmungsvorlage allem voran um eines handelt: ein Gesetz auf Vorrat.
Der Staat als «seligmachende» Instanz zur Lösung all unserer (auch nur hypothetischer) Probleme. Dies entspricht wohl dem Selbstverständnis vieler praxisferner Beamten in Bundesbern (oder kantonalen Verwaltungen), die oftmals – wenn überhaupt – nur über sehr bescheidene Praxiserfahrung in der Privatwirtschaft verfügen. Umso grösser ist dann häufig der Machthunger, wenn man erkennt, wie umfangreich die staatlichen Machtinstrumentarien bisweilen sein können. Mithin geht es nicht um abstrakte philosophische Diskussionen, wenn man auf den Frühaufklärer Montesquieu verweist, der in den Zeiten des französischen Absolutismus darauf hingewiesen hat, dass es nötig sei, kein Gesetz zu erlassen, wenn es nicht unbedingt nötig sei, ein Gesetz zu erlassen. An diese liberale Grundweisheit, die immerhin den Übergang von Standesprivilegien zu freier Zivilgesellschaft eingeläutet hat, gilt es auch heute wieder zu erinnern. Denn in Zeiten hohen Wohlstandes – man muss fast schon von Wohlstandsverwahrlosung reden – geht gerne vergessen, dass Freiheit schneller verloren als erkämpft ist. Und dass der Weg zur Rückeroberung der angeborenen Freiheitsrechte vor einem – vonseiten der Monarchen wie auch der Staatskirche – übergriffigen Staat nicht ohne (revolutionären) Blutzoll vonstattengegangen ist. Damit gilt aus Prinzip: Jede staatliche Regel, die nicht besteht, ist eine weniger, die missbraucht werden kann.
Zwar ist es sehr wertvoll, dass mitunter in diesem Medium der bundesrätliche Covid-Kurs in den vergangenen drei Jahren offen hinterfragt, beziehungsweise kritisiert wurde. Auch wenn – wie kürzlich – ein Artikel erscheint, der auf die Erfahrung einer Frauenärztin Bezug nimmt, wonach sich weibliche Brüste in Bezug auf die Lymphknoten nach der Covid-Impfung oft nicht mehr gleich anfühlen würden und zudem die Anzahl Fehlgeburten signifikant zugenommen hätten, ist dies höchst wichtig im Hinblick auf eine – nicht zuletzt haftpflicht- und heilmittelrechtliche – Aufarbeitung des Covid-Schlamassels. In Bezug auf die erneute Verlängerung des Covid-19-Gesetzes ist es hingegen nach Aufhebung der Massnahmen per Februar 2022 weitgehend irrelevant. Dies umso mehr, als mittlerweile auch das BAG offiziell eingesteht, dass die mRNA-Impfung nicht vor Virenübertragung, sondern (höchstens) kurzzeitig vor einem eigenen schweren Krankheitsverlauf schützt.
Beim dritten Covid-Referendum geht es – im Gegensatz zu den ersten beiden Covid-Abstimmungen – bei Lichte betrachtet folglich nicht mehr um die Frage, ob man mit der staatlichen Corona-Politik einverstanden ist. Sondern einzig darum, ob Gesetze auf Vorrat überhaupt irgendeine moralische Existenzberechtigung haben. In diesem Sinne ist zu hoffen, dass der Abstimmungskampf nicht unnötig emotional geführt wird und sich staatspolitische Vernunft durchsetzt – ein Nein also.
MLaw Artur Terekhov ist selbstständiger Rechtsvertreter in Oberengstringen ZH.
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