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Vivianna Fang He aus China

Gespräch mit einer HSG-Professorin – Was gefällt Ihnen an der Schweiz besonders gut, Frau He?

Die neue HSG-Professorin für Social Entrepreneurship and Innovation heisst Vivianna Fang He und stammt aus China. Sie versteht sich aber als Weltenbürgerin und denkt darüber nach, sich in der Schweiz einbürgern zu lassen.

Michel Bossart am 20. Mai 2023

Prof. Dr. Vivianna Fang He ist seit 1. August 2022 Assoziierte Professorin für Social Entrepreneurship and Innovation an der Universität St.Gallen. Ihre Forschung konzentriert sich darauf, wie Innovation verstanden wird, die Kommerzialisierung innovativer Ideen und wie Innovation die Verfolgung einer sozialen Mission ermöglicht, im Kontext digitaler Technologien und neuer Organisationsformen. So hat sie insbesondere erforscht, wie die Open-Source-Technologie die Grundlage für Online-Gemeinschaften bildet, die von Altruismus angetrieben werden, und wie die Blockchain-Technologie eine dezentralisierte Organisation ermöglicht und eine demokratischere und transparentere Gesellschaft fördert.

Frau He, Sie sind in China geboren und aufgewachsen. Ihre Ausbildungen absolvierten Sie in Singapur, den USA und in der Schweiz. Stört es Sie, wenn man sie als klassische «Expat» bezeichnet?

Ob ich die Bezeichnung mag oder nicht: Ich bin ein Expat. Schon zeitlebens und selbst in China werde ich als Expat betrachtet. Das ist halt so: Wir leben heute in anderen Zeiten. Früher identifizierte man sich stärker mit seiner Herkunft, heute ist die Welt ein globales Dorf geworden. Ich bin nun seit neun Jahren in der Schweiz und denke gerade darüber nach, die Schweizer Staatsbürgerschaft zu beantragen. Die Schweiz ist das Land, für das mein Herz schlägt. Hier möchte ich die Zukunft mitgestalten und Teil der Gesellschaft sein.

Was ist denn für Sie der Unterschied zwischen einem Expat und einer Immigrantin?

Die Schwierigkeit mit diesen Begriffen liegen in der Sprache: Auf Englisch – beziehungsweise in den USA – werden auch Flüchtlinge oft als «immigrants» bezeichnet. Expats sind dann eher die Menschen mit den «White Collar Jobs», also Jobs, bei denen man sich die Hände nicht schmutzig macht und die in der Regel gut bezahlt sind.

Hat es auch etwas mit der Bindung, die man zu einem Land aufbauen möchte, zu tun?

Ja, ganz klar: Immigranten kommen, um zu bleiben. Expats hingegen kommen und gehen wieder. Die Schweiz ist auf eine gewisse Immigration angewiesen. Die hiesige Bevölkerung ist für die Grösse der Wirtschaft viel zu klein, um sie am Laufen zu halten oder damit sie weiter wachsen kann.

Gibt es etwas, das Ihnen an der Schweiz besonders gut gefällt?

Oh ja! Die Natur und die Beziehung der Menschen zu ihrer Nation. Ich bin überzeugt: Die Schweiz hat das beste politische System der Welt. Ich bin ein absoluter Fan der direkten Demokratie und fasziniert davon, wie eine einfache Bürgerin mittels einer Volksinitiative politische Direktiven erwirken kann. Auch dass die Landesspitze mit sieben Bundesräten organisiert ist, finde ich einzigartig und bin überzeugt, dass das nicht nur eine Diktatur verhindert, sondern auch, dass sich irgendwelche Verrückten zu viel Macht ergattern.

Von hier lebenden Ausländern oder eben Expats hört man oft, dass es schwierig ist, mit Schweizern in Kontakt zu kommen oder Freundschaften aufzubauen. Wie ist Ihre Erfahrung damit?

Persönliche hatte ich damit keine Probleme. An der Universität habe ich viele Schweizer Kollegen und Kolleginnen und der Sport hat mir ebenfalls geholfen, Kontakte zur lokalen Bevölkerung zu knüpfen. Ich bin Mitglied in einem Veloclub mit sowohl ausländischen wie auch einheimischen Mitgliedern. Doch auch ich habe schon von diesen Schwierigkeiten gehört und denke, das hat in erster Linie mit der Sprachbarriere zu tun. Allgemein lässt sich wohl sagen, dass Freundschaften zu Schweizern länger dauern, bis sie sich festigen, dafür halten sie danach aber auch lange und sind aufrichtig. Wer als Expat nur kurz in die Schweiz kommt, hat da tatsächlich kaum eine Chance. Seien wir aber ehrlich: Wahre Freundschaften brauchen überall ihre Zeit.

Wie ist es bei Ihnen, fühlen Sie sich in der Ostschweiz willkommen?

Ich habe eine spezielle und langandauernde Verbindung zu St.Gallen: Mein heutiger Ehemann studierte an der HSG und St.Gallen war der erste Ort, den ich in der Schweiz kennengelernt habe. St.Gallen war für mich das Zentrum der Schweiz. Hier sind Familie und Freunde und darum fühlte ich mich hier auch sofort wohl und willkommen.

Haben Sie einen Lieblingsort in und um St.Gallen?

Der Wildpark Peter und Paul kenne ich schon lange und wir gingen oft dorthin. Sehr gut gefällt mir St.Gallen auch den Drei Weieren.

Sie haben in Ihrem Leben schon in einigen Ländern gelebt und können gut vergleichen. Was würden Sie sich von China, Singapur oder den USA für die Schweiz wünschen?

Beginnen wir mit den USA: In der Schweiz – wie übrigens auch in China – haben die Menschen Angst vor Fehlern, vor dem Scheitern – kurz: vor Misserfolgen. Die USA haben eine ganz andere Fehlerkultur. Da werden Fehler als wahre Chancen gesehen. Gerade für Unternehmer ist das sehr wichtig. Das hat auch mit der Gesetzgebung zu tun. Hier spürt man die Konsequenzen eines Konkurses ein ganzes Leben lang. Das macht es schwierig, einen Fehler hinter sich zu lassen und etwas Neues anzufangen.

Und von China?

Das wahrscheinlich einzig Gute am Kommunismus ist die absolute Gleichberechtigung der Geschlechter. In China hatte ich nie das Gefühl, etwas sei einem bestimmten Geschlecht vorbehalten oder dass Mädchen gewisse Dinge nicht tun könnten, was von anderen Kulturen als «männlich» eingeschätzt wird. Auch die Kinderbetreuung ist in China keine reine Frauensache und es ist kein Problem für Frauen, Karriere zu machen.

Aber gerade die aktuelle personelle Zusammensetzung des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas lässt auf etwas anderes schliessen. Da ist momentan keine einzige Frau vertreten. Ist das nicht widersprüchlich?

Gute Beobachtung. In der Politik geht es auch um Beziehung und Netzwerke. Ich glaube, dass jetzt keine Frau vertreten ist, hat nichts mit einer systematischen Diskriminierung des weiblichen Geschlechts zu tun. Die Gründe sind da wohl anderswo zu suchen.

Bleibt noch Singapur…

Ach, Singapur und die Schweiz sind sich abgesehen von den Temperaturen ziemlich ähnlich. Das sind Zwillinge in zwei verschiedenen Klimazonen…

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Autor/in
Michel Bossart

Michel Bossart ist Redaktor bei «Die Ostschweiz». Nach dem Studium der Philosophie und Geschichte hat er für diverse Medien geschrieben. Er lebt in Benken (SG).

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