Kantonsrat Martin Sailer aus Unterwasser ist Feuer und Flamme für die Kultur. Dabei ist er per Zufall zu einem Kleintheater gekommen. Nach anfänglich drei mageren Jahren startet der «Zeltainer» 2021 in seine bereits 18. Saison – und nebenbei vermarktet er seine intelligenten Hundespiele.
Seine Karriere sei voller glücklicher Fügung gewesen, würde der 49-jährige Obertoggenburger Kleintheaterbetreiber und Kantonsrat Martin Sailer wohl sagen, wenn er auf sein berufliches Schaffen zurückschaut. «Das erste Mal Glück hatte ich, als ich nach dem Lehramt eine Stelle in Lütisburg fand», beginnt der gebürtige Stadt-St.Galler zu erzählen. Nach vier Jahren dort und weiteren vier Jahren in Ebnat-Kappel kam dann im Jahr 2003 aber der wirklich grosse Wendepunkt in seinem Leben: Der Kanton St.Gallen feierte 2003 sein 200-jähriges Jubiläum mit verschiedenen Projekten. Eines davon war ein Theater aus Containern, das rund um den Säntis zum Einsatz kommen sollte.
Sailer sass im Auto und sah wie Metallbaukünstler die Containerburg auf einem Parkplatz in Wattwil aufbauten. Er erkundigte sich noch vor Ort bei den Arbeitern über das temporäre Theater für das Kantonsjubiläum und erfuhr so, dass es nach Zweckerfüllung verkauft werden sollte. Und was tat Sailer? Er liess praktisch alles stehen und liegen, kratzte alles Geld zusammen, pumpte zusätzlich die Eltern an und: «Ich habe ein Theater gekauft, ohne die geringste Ahnung von Kleinkunst zu haben.»
Götti Enzler
«Der Anfang war die Hölle», erinnert er sich. Pro Vorstellung seien gerade einmal 10 bis 15 Zuschauer gekommen. Folglich habe er fast jeden Abend ein Minus in der Kasse verbucht. Drei Jahre lang. «Doch ich habe immer gewusst, dass ein so schräges Theater wie meines, Zukunft hat», sagt er. Zum Glück fanden das auch diejenigen, die im Zeltainer auftreten sollten. Simon Enzler zum Beispiel. «Er war der erste Künstler, der hier spielte und wurde sofort zum Theater-Götti», erzählt Sailer. Wenn Enzler kommt, spielt er an vier Abenden hintereinander vor ausverkauften Rängen. «Das gibt mir dann ein Polster, um unbekanntere Künstler zu buchen», führt Sailer aus. Und wo Enzler auftrete, da wollen auch andere hin. Doch Sailer ist nicht der, der jeden nimmt. «Ich buche nur Künstler, die mir selbst gefallen», sagt er und meint, dass einem Theaterbetreiber so viel Freiheit auf jeden Fall zugestanden werden muss.
Hunde müde machen
Doch Hand aufs Herz: Kann man von Kleinkunst im Obertoggenburg überhaupt leben? Sailer zögert und sagt: «Immer besser…» Doch seinen Lebensunterhalt bestreitet er zusätzlich mit einer 40-Prozent-Anstellung bei der Klangwelt Toggenburg und natürlich mit seinen intelligenten Hunde- und Katzenspielzeugen. Diese erfand er, als er sich nach seinem Lehrer- und Musikerleben endlich einen eigenen Hund zutun konnte und merkte, dass sein Border Collie mehr Energie hatte als er selbst. «Hunde muss man mit dem Kopf beschäftigen, damit sie richtig müde werden», meint er. Die billigen Spielzeuge aus dem Fachmarkt gefielen ihm allerdings nicht. Er war überzeugt, dass man das besser machen könne, kaufte sich drei Maschinen, kreierte sechs einfache Spiele und machte sich an die Arbeit. «Die Spiele sahen anfangs furchtbar aus, waren aber billig und liessen sich sofort gut verkaufen», lacht Sailer. Der Erfolg liess folglich nicht lange auf sich warten. Aus den anfänglich 6 sind heute 38 verschiede Hunde- und 6 Katzenspiele geworden, die Sailer in einer geschützten Werkstatt im Toggenburg produzieren lässt.
Kulturminister Sailer
Seit 2016 sitzt Sailer auch im St.Galler Kantonsrat; erst als Parteiloser, nun als SP-Vertreter. «Auch wenn man als eher Linker wie ich meist verliert, bereitet mir die politische Arbeit grosse Freude», bemerkt er. Weil es bis zu seiner Wahl keine IG Kultur im Rat gab, gründete er am zweiten Tag seiner Amtszeit kurzerhand eine und fand 28 Volksvertreter aus allen Fraktionen, die mitmachten. Mittlerweile sind es bereits 39. Sailers Engagement für die Kultur im Kanton ist so beherzt, dass seine Kollegen ihn liebevoll «Kulturminister» nennen. Mehr ins Gespräch als ihm lieb war, kam er 2019, als er von der Regierung verlangte, sie solle prüfen, ob der Kanton St.Gallen nicht mit dem österreichischen Vorarlberg fusionieren könnte. «Mein Vorstoss war augenzwinkernd gemeint und auch ein bisschen Wiederwahltaktik», gibt er zu. Hüben wie drüben habe sein Vorstoss für hohe Wellen gesorgt, ihm viele Reaktionen – auch negative – beschert und selbst im fernen Wien habe sein Konterfei auf der Titelseite einer Zeitung geprangt.
«Ausser, dass ich früher in die Altersvorsorge hätte einzahlen müssen, bereue ich an meinem beruflichen Werdegang nichts», sagt Sailer abschliessend. Und für seine Zukunft wünscht er sich ein Nationalratsmandat, noch weitere erfolgreiche Theatersaisons und dass er mit seinen intelligenten Hunde- und Katzenspiele in die EU expandieren kann.
Michel Bossart ist Redaktor bei «Die Ostschweiz». Nach dem Studium der Philosophie und Geschichte hat er für diverse Medien geschrieben. Er lebt in Benken (SG).
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