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Höhenflug des Euro, zumindest vorübergehend

Totgesagte leben bekanntlich länger. Das gilt offensichtlich auch für den Euro. Gegenüber dem Franken ist der Kurs fast auf 1.01 Franken und damit über die Parität gestiegen. Dies hat aber weniger mit einer Schwäche des Frankens als mit der momentanen Stärke des Euro zu tun.

Thomas Stucki am 18. Januar 2023

Gegenüber dem US-Dollar hat sich die Einheitswährung seit dem Tiefststand im letzten September um 13% verteuert. Neben ein paar fundamentalen Argumenten treibt vor allem eine Umkehr der spekulativen Gelder die Auferstehung des Euro.

An den Futures-Märkten in Chicago hat der Wind gedreht. Die spekulativen Investoren haben eine grosse Wette auf eine Aufwertung des Euro im Vergleich zum US-Dollar aufgebaut. Im letzten Herbst setzten die gleichen Anleger noch auf eine Fortführung des Zerfalls des Euro. Für diesen Stimmungswechsel gibt es fundamentale Argumente. Der wirtschaftliche Worst Case einer Energiemangellage in Europa ist bisher nicht eingetreten und zeichnet sich auch nicht ab. Die Preise für Erdgas und Strom sind wieder auf die Niveaus von Anfang 2022 gesunken, was sowohl die Haushalte als auch die Firmen entlastet. Davon profitieren die europäischen Aktien, welche sich deutlich stärker erholten als die Märkte in der Schweiz und in den USA, und damit indirekt auch der Euro.

US Dollar verliert Zinsbonus

Auf der anderen Seite hat der US-Dollar seinen Zinsbonus, der ihn im letzten Jahr auch zum Franken erstarken liess, verloren. Trotz einer anhaltend hohen Inflation trauen die Finanzmärkte der Fed nicht mehr viele Zinserhöhungen zu. Sie gehen vielmehr davon aus, dass die Zinsen in den USA ab dem Sommer rasch wieder sinken werden. In der Eurozone sind dagegen noch deutliche Zinserhöhungen notwendig, um die Inflation zu bremsen. Die Zinsdifferenz zum Euroraum würde sich in diesem Fall gegen den Dollar und für den Euro verändern. Sowohl die Fed als auch die EZB treffen Anfang Februar ihre nächsten Zinsentscheide.

Zumindest bis dahin kann der Höhenflug des Euro noch weitergehen. Ob er das neue Niveau auf Dauer halten kann, ist aber zu bezweifeln. Wenn sich herausstellt, dass die Fed doch nicht so schnell zu Zinssenkungen übergeht, kann die Stimmung wieder drehen. Wenn die nach wie vor vorhandene Abhängigkeit Europas vom russischen Gas wieder ein Thema wird, wird die Angst vor einer Rezession in der Eurozone wieder steigen.

Ein Strohfeuer

Wenn die Ruhe in der italienischen Politik ein Ende hat, wird der Euro als Konstrukt wieder in Frage gestellt. Es sind zwar viele «wenn’s», die hier aufgeführt wurden, aber eines oder mehrere davon werden eintreffen und den Euro zum US-Dollar, aber auch zum Franken wieder unter Druck bringen. Ein CHF/EUR-Kurs bei 95 Rappen Ende 2023 ist deutlich wahrscheinlicher als ein solcher von 1.05 Franken.

Für die SNB bietet sich mit der aktuellen Stärke des Euro eine gute Gelegenheit, durch Verkäufe von Euro ihre Bilanz abzubauen und das Tempo der Devisenverkäufe zu erhöhen. Ob sie diese wahrnimmt, werden wir erst in einigen Wochen wissen.

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Autor/in
Thomas Stucki

Dr. Thomas Stucki ist CIO der St.Galler Kantonalbank. Er hat einen Abschluss mit Doktorat in Volkswirtschaft von der Universität Bern und ist CFA Charterholder. Stucki führt bei der St.Galler Kantonalbank das Investment Center mit rund 35 Mitarbeitenden und ist verantwortlich für die Verwaltung von Kundenmandaten und Anlagefonds im Umfang von 7,5 Milliarden Franken. Zuvor war er als Leiter Asset Management der Schweizerischen Nationalbank verantwortlich für die Verwaltung der Devisenreserven.

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