Das Areal am St.Galler Platztor, auf dem der neue HSG-Campus entstehen soll. (Bild: hsgbaut.ch)
Der Kanton St.Gallen zieht Konsequenzen aus einer offensichtlich gescheiterten Zusammenarbeit: Er lässt das Siegerprojekt aus dem Wettbewerb für den Campus Platztor fallen, weil es seit Bekanntgabe mit der Weiterentwicklung gehapert haben soll. Geplant ist eine Neuausschreibung.
Die Zusammenarbeit mit dem Zürcher Architekturbüro von Pascal Flammer, der die Ausschreibung für die Realisierung des neuen HSG-Campus am St.Galler Platztor gewonnen hat, wird abgebrochen. Die ersten Zeilen der Medienmitteilung des Kantons, zu der dieser genötigt war, nachdem das «St.Galler Tagblatt» über das «Fiasko» berichtet hatte, lesen sich wie eine Verteidigung:
«Der neue Campus Platztor für die Universität St.Gallen ist ein bedeutendes Vorhaben für den Kanton, die Region und die Stadt St.Gallen. Ein Widerruf des Zuschlags für ein Siegerprojekt in dieser Grössenordnung und mit dieser Relevanz erfolgt nicht leichtfertig. Dennoch scheint der Schritt letztlich nötig. Ein Bauprojekt mit dieser Bedeutung muss vollständig überzeugen. Schliesslich wird das Gebäude viele Jahrzehnte wichtige Dienste leisten und das Stadtbild prägen.»
Das Areal am St.Galler Platztor, auf dem der neue HSG-Campus entstehen soll. (Bild: hsgbaut.ch)
Im Jahr 2021 zeichnete das Preisgericht des Architekturwettbewerbs das Projekt «Haus im Park» des Zürcher Architekturbüros Pascal Flammer mit dem ersten Preis aus. Seit dem Architekturwettbewerb vor zwei Jahren habe sich das Projekt nicht wie gewünscht entwickelt, so Bau- und Umweltdepartement und Bildungsdepartement in der gemeinsamen Mitteilung.
Zwar habe das Projekt im Wettbewerbsverfahren überzeugt. Gleichzeitig habe es Defizite aufgewiesen. Dazu gehörten zum Beispiel die Fassadengestaltung, die Geschosshöhe oder die Grundrisse.
Diese Defizite hätten durch das zuständige Architekturbüro behoben werden sollen. «Leider gelang diese Weiterentwicklung trotz intensivem Einsatz nicht», schreibt der Kanton.
Stellungnahme des Architekten noch ausstehend
«Die Ostschweiz» hat den Architekten Pascal Flammer um eine Stellungnahme zu diesen Vorwürfen gebeten. Eine Antwort steht noch aus.
Zudem erwies sich das offene Verfahren für den Architekturwettbewerb laut Kanton rückblickend als «nicht zielführend». Die Aufgabenstellung für den Wettbewerb sei anspruchsvoll gewesen. Ein offener Wettbewerb erfolge anonym und lasse es nicht zu, «Architekturbüros mit entsprechenden Referenzprojekten auszuwählen».
Preisgericht rät von Weiterbearbeitung ab
Das Bau- und Umweltdepartement liess den Projektfortschritt im Juni 2023 durch das Preisgericht prüfen. Dieses setzt sich aus Fachleuten von Kanton und Stadt, der HSG, Mitgliedern der Exekutiven von Kanton und Stadt sowie externen Expertinnen und Experten zusammen.
Das Preisgericht stellte einstimmig fest: Das Projekt habe im Vergleich zum Wettbewerbsentwurf stark an räumlichen und gestalterischen Qualitäten verloren. Das Preisgericht zweifle daran, dass sich die Mängel nach zwei Jahren Arbeit noch beheben liessen. Aus diesen Gründen empfehle das Preisgericht, das Projekt «Haus im Park» nicht weiterzuverfolgen.
Widerruf und Neuausschreibung geplant
Das Bau- und Umweltdepartement und das Bildungsdepartement in Absprache mit der HSG folgen nun der Empfehlung des Preisgerichtes. Die Departemente würden bei der Regierung noch im Herbst den Widerruf des Zuschlags und eine Neuausschreibung beantragen.
Stimme die Regierung zu, werde der Kanton ein neues Verfahren ausschreiben. Dieses könnte voraussichtlich Mitte 2024 starten. Ein Baubeginn wäre 2028 möglich, die Fertigstellung voraussichtlich im Jahr 2031. Damit käme es zu einer Verzögerung von zwei Jahren.
Platz zwei im Architekturwettbewerb von 2021 für den HSG-Campus am St.Galler Platztor: «Corpus» von Comamala Ismail Architectes aus Delémont. (Visualisierung: PD)
Neben einer Neuausschreibung bestünde die Möglichkeit, das zweitplatzierte Projekt weiterzubearbeiten. Jedoch weise auch das zweitplatzierte Projekt Defizite auf, so der Kanton. Deshalb sehen die beteiligten Departemente eine Weiterführung des zweitplatzierten Projekts als «zu risikoreich» an. Das drittplatzierte Projekt könne aus beschaffungsrechtlichen Gründen nicht weiterverfolgt werden.
Kredit kann eingehalten werden
Die Kosten für die bisherige Planung und die beabsichtigte Neuausschreibung betragen 2,5 Millionen Franken. Dies entspricht rund 1,5 Prozent der Baukosten.
Trotzdem könne der Kanton den Kredit einhalten. Die St.Galler Bevölkerung stimmte im Jahr 2019 dem Kredit von 160 Millionen Franken zu.
Stellungnahme der Universität St.Gallen
«Aus einer Gesamtsicht unter Einbezug aller Aspekte steht die HSG hinter dem Widerruf und trägt die Entscheide des Preisgerichts inklusive Neuausschreibung mit. An den ursprünglichen Herausforderungen hat sich nichts geändert: Die Universität wächst und eine Verzögerung um voraussichtlich zwei Jahre für die Realisierung des Campus Platztor verschärft die seit Jahren bestehende und künftig weiter zunehmende Raumknappheit in den Bereichen Lehre und Forschung. Der von der Universität zwischenzeitlich zusammen mit der HSG Stiftung und durch private Spenden realisierte SQUARE schafft zwar etwas Abhilfe. Als Experimentierraum für Lehr- und Lerninnovation ist er eine Ergänzung, nicht aber ein Ersatz für den Campus Platztor. Es ist daher damit zu rechnen, dass Provisorien der HSG sowie Mietliegenschaften länger bestehen bleiben oder gar neu angemietet werden müssen. Das Bestreben der HSG ist jedoch, in gebotener Zeit zu einer Campus-Lösung im Eigentum des Kantons zu gelangen, was kostengünstiger ist und dem gesetzlichen Auftrag sowie dem Volksentscheid folgt.»
Odilia Hiller aus St.Gallen war von August 2023 bis Juli 2024 Co-Chefredaktorin von «Die Ostschweiz». Frühere berufliche Stationen: St.Galler Tagblatt, NZZ, Universität St.Gallen.
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