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Was macht eigentlich?

«Ich kann heute noch nicht mit Lippenstift umgehen»

«Was macht eigentlich?» In dieser Rubrik erzählen prominente Ostschweizerinnen und Ostschweizer regelmässig über ihr aktuelles Leben. Heute die legendäre Skirennfahrerin Marie-Theres Nadig aus Flums.

Nadine Linder am 19. Februar 2022

Sie gilt als erster weiblicher Sportstar der Schweiz. Die Skirennfahrerin aus den 1970er Jahren, Marie-Theres Nadig. Aktuell erfreut sich die Schweiz an der Olympiade gerade an vielen Medaillen. Vor 50 Jahre brachte Marie-There Nadig zwei Goldmedaillen nach Hause. Auch sie fiebert in diesen Tagen mit den aktuellen Sportlerinnen und Sportlern mit.

50 Jahre sind vergangen seit Marie-Theres Nadig selber an der damaligen Olympiade auf den Skiern stand. Auch heute verfolgt die inzwischen 67-Jährige gespannt die Winterspiele, wenn auch nicht mehr so vergiftet, wie sie im Interview mit Ricardo Tarli von Helvetic Care erzählt. «Was ich nicht mache, ist mitten in der Nacht aufstehen, um mir Wettkämpfe live im Fernsehen anzuschauen.»

An den Olympischen Winterspielen 1972 im japanischen Sapporo holte Marie-Theres Nadig als erst 17-Jährige gleich zwei Goldmedaillen. Eine in der Abfahrt und eine im Riesenslalom. Sie wurde damit über Nacht zu dem Schweizer Skistar und sei überhaupt nicht darauf vorbereitet gewesen. «Den Wirbel um meine Person bekam ich im fernen Japan ja erst gar nicht mit. Erst als ich ein paar Wochen später in die Schweiz zurückkehrte, realisierte ich, was hier abging.

Nach der Landung wurde Marie-Theres Nadig am Flughafen vom Bundespräsienten empfangen. Sie kaute dabei vor laufenden TV-Kameras einen Kaugummi und hatte ab dann den Ruf des schnoddrigen Teenagers. Gegenüber Helvetic Care sagt sie: «Eigentlich hatten meine Eltern mich zu einem anständigen Mädchen erzogen.» Sie sei immer allen respektvoll begegnet und trotzdem sei sie als Kind ein kleiner Rabauke gewesen. «Von einem Tag auf den andern hätte ich nicht mehr «ich» sein dürfen, sondern ein Vorbild. Das machte mir zu schaffen.»

Marie-Theres Nadig passte mit ihrer natürlicher Erschein nicht in das gängige Frauenbild der 1970 Jahre. Für Schminke und Mode hatte sie nie viel übrig und darauf ist die St.Gallerin aus Flums noch heute stolz. «Mit meinem Naturell eignete ich mich nicht zum «Schätzeli der Nation», das zu allem Ja und Amen sagt. Ich blieb mir als Mensch immer treu, wollte am Boden bleiben».

Sie eignete sich deshalb nicht als Werbeträgerin. Als sie sich wegen eines Verbandssponsors schminken lassen musste, wischte sie sich den Lippenstift auch gleich wieder ab und dies seit bis heute so geblieben «Mit Lippenstift, Wangenrouge und Wimperntusche kann ich noch heute nicht umgehen.»

Ihren Rücktritt vom Spitzensport gab Marie-Theres Nadig 1981. Dies nach 24 Weltcupsiegen um dem Gesamtweltcup in ihrer letzten Saison.

Zusammen mit der Skilegende Bernhard Russi schrieb sie damit Sportgeschichte. Während Russi noch heute von seinem Ruhm zehrt, zog sich Marie-Theres Nadig nach ihrem Rücktritt aber aus der Öffentlichkeit zurück. Im Interview mit Helvetic Care erklärt sie: «Ich wollte einfach nur schnell Ski fahren. Für mich bedeute es pure Freiheit. Der ganze Zirkus rundherum hat mich nie interessiert.»

Nach ihrem Rücktritt arbeite die ehemalige Skirennfahrerin als Trainerin. 2004 sogar als Cheftrainerin des Schweizer Frauenteams. Damit war Marie-Theres Nadig ihrer Zeit voraus, weil Frauen im Trainermetier eher selten waren. Ihr sei grosses Misstrauen entgegengebracht worden, schon alleine deshalb, weil eine Frau die körperlichen Voraussetzungen für den Trainerjob nicht mitbringe. «Sie könne doch nicht die schweren Slalomstangen tragen und einen Lauf abstecken. Als ich im Weltcup in Altenmarkt den ersten Super-G steckte, war das eine kleine Sensation», erzählt sie im Interview mit Ricardo Tarli weiter.

Vor vier Jahren ging Marie-Theres Nadig in Pension. Ihre Zeit als Rentnerin verbringt sie gerne auf Spaziergängen, beim Tennis und im Winter auch weiterhin auf den Ski. Daneben hilft sie ihrem Bruder in seinem Flumserberger Sportgeschäft, Ski zu präparieren. «Diese Arbeit gefällt mir, weil ich etwas Nützliches machen und gleichzeitig mit meinem Bruder plaudern und diskutieren kann», sagt sie.

Mit ihren 67 Jahren fühlt sich Marie-Theres Nadig noch immer in Topform. Sie habe von Natur aus, eine gute körperliche Konstitution und hätte als Spitzensportlerin immer auf eine gesunde Lebensführung geachtet. «Ich habe nie geraucht und keinen Alkohol getrunken. Und ich war ständig an der frischen Luft», erklärt sich die St.Gallerin ihre gute Gesundheit.

Auf ihr Leben im aktiven Skisport schaut Marie-Theres Nadig sehr zufrieden zurück. «Ich habe stets auf meine Freunde und meine Familie zählen können, das ist doch das Wichtigste.» Bereuen würde sie nichts wirklich in ihrem Leben. Einzig vielleicht, dass sie mit ihrer unverblümten Art, ihre Meinung zu sagen, Leute unabsichtlich vor den Kopf gestossen habe, ist sich die ehemalige Rennfahrerin heute bewusst. «Etwas mehr Diplomatie in den entscheidenden Momenten hätte mir das Leben wohl etwas einfacher gemacht.»

Unser Artikel beruht auf einem Interview mit Marie-Therese Nadig, das Sie hier finden.

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Autor/in
Nadine Linder

Nadine Linder war Redaktorin von «Die Ostschweiz».

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