Die 29-jährige Anna Stern studierte an der ETH Zürich Umweltnaturwissenschaften und veröffentlichte 2014 ihren ersten Roman «Schneestill». Danach folgte 2016 die Kriminalgeschichte «Der Gutachter» und ein Jahr darauf der Erzählband «Beim Auftauchen der Himmel».
«S’isch Rorschach». Über ihren Heimatort schrieb sie eine Erzählung. Anna Stern eine Schweizer Autorin. Ein Gespräch über ihren neusten Roman «Wild wie die Wellen des Meeres», über Inspiration und ihre Ostschweizer Wurzeln.
Anna Stern, Sie sind eine Schweizer Schriftstellerin. Wie kam es zu diesem nicht alltäglichen Beruf? Wie schwierig ist es, ein Buch veröffentlichen zu können? Wer half Ihnen dabei?
Mein erster Roman «Schneestill», entstand zu einem grossen Teil in den sechs Monaten zwischen Matura und Studiumsbeginn. Den ersten Entwurf hatte ich zu Semesterbeginn fertig geschrieben und schickte ihn an verschiedene Verlage. Ich rechnete nicht wirklich mit einer positiven Rückmeldung. Hatte eher die etwas naive Einstellung «nützt’s nichts, schadet’s nichts».
Nach einigem Hin und Her, Interessensbekundungen, Überarbeitungsrunden, gefolgt von Rückzügen und neuem Manuskript, landete ich schliesslich beim Salis Verlag, bei dem meine Bücher auch heute noch erscheinen. Insofern bin ich nicht die beste Anlaufstelle, um über die Schwierigkeiten des Buchveröffentlichens Auskunft zu geben: Ich hatte schnell Glück.
Was war als Kind Ihr Lieblingsbuch?
Ich mochte Astrid Lindgrens Bücher gern, später dann Kai Meyers «Wellenläufer» Trilogie, Cornelia Funkes «Tintenwelt» Bücher und besonders Philip Pullmans «his dark materials» Trilogie um Lyra Belacqua und ihren Dämon «Pantalaimon». Von der Fortsetzung dieser Serie, «the book of dust», kaufe ich mir die Bücher auch heute noch am Erscheinungstag.
Bis jetzt sind 4 Bücher veröffentlicht worden. Können sie stichwortartig erzählen, worum es in Ihren Werken geht?
«Schneestill» (Roman, Salis, 2014): Junger Mann und junge Frau treffen sich in einer Pariser Bar. Mann spendiert Frau einen Tee, Frau verschwindet in die Nacht. Mann liest in Zeitung, dass Frau im Gefängnis war. Frau lässt Mann nicht los, er sucht nach ihr. Mann findet Frau, Frau sagt, das ist alles gar nicht wahr. Mann muss entscheiden, ob er der Zeitung glaubt oder der Frau.
«Der Gutachter» (Roman, Salis, 2016): Frau geht zur Polizei und meldet Mann vermisst. Mann muss ökologischen Zustand eines Sees beurteilen und Gutachten zu dessen zukünftiger Bewirtschaftung verfassen. Polizist sucht nach Mann, nach Motiven für dessen Verschwinden: bei der Ehefrau, bei den Fischern und Naturschützern und Politikern. Wichtige Rollen tragen: Ein See, eine Kassette, eine Katze und eine Tiefkühltruhe.
«Beim Auftauchen der Himmel» (Erzählungen, lectorbooks, 2017): Zehn Erzählungen, zehn Reisen in eigene kleine Welten. Kinder werden zu Waisen oder fallen in den Fluss; Eidechsen werden zu Mordmotiven, Phantome klettern nachts Felswände hoch. David Bowie hat einen Auftritt und Familiengeheimnisse stellen Beziehungen auf die Probe. Jemand sucht in Schottland nach einer neuen Heimat, während die Schweiz zur Insel wird, die sie nie war.
«Wild wie die Wellen des Meeres» (Roman, Salis, 2019): Mann liebt Frau, Frau liebt Mann, Mann und Frau lieben sich nicht immer gleich fest. Frau geht auf der Suche nach einer eigenen Zukunft fort, Mann bleibt mit sich und der Vergangenheit zurück. Frau verunfallt, Mann besucht sie im Spital, Mann und Frau haben unterschiedliche Vorstellungen davon, was jetzt neu möglich ist.
Was ist für Sie Ihr bisher grösster Erfolg?
Ich schreibe primär aus Lust am Erzählen. Ich glaube, ich mache meine Arbeit als Autorin dann gut, wenn die Leser sich von meinen Texten berühren, bewegen lassen, wenn sie die Texte zum Nachdenken anregen und die Figuren die Leser vielleicht über die Lektüre hinaus begleiten.
Über Ihren Heimatort schrieben Sie die Erzählung «S’isch Rorschach». Um was geht es in dieser Geschichte?
Paul Faber, in Rorschach geboren, aufgewachsen und immer noch zuhause, unternimmt darin eine nächtliche Wanderung durch die Stadt, währendessen über seine sich in einer Krise befindenden Beziehung zu Ava grübelnd. Wer sich in Rorschach auskennt, erkennt hoffentlich sowohl die «Wahrzeichen», die im Text auftauchen als auch die Stellen, an denen ich mir Freiheiten genommen habe.
Wie wichtig sind Ihnen Ihre Ostschweizer Wurzeln? Welcher ist Ihr Lieblingsort in der Ostschweiz?
Ich habe das Glück, an einem Ort und in einem Umfeld aufgewachsen zu sein, an/in denen ich mich auch heute noch wohl fühle. in meinen Texten schreibe ich immer wieder über Personen, die ihre Vergangenheit zu negieren versuchen oder in der Gegenwart von nicht verarbeiteten Erlebnissen eingeholt werden. Ich bin froh, kann ich mit meiner eigenen Kindheit und Jugend so weit zufrieden sein, dass ich Rorschach auch heute noch als ein Zuhause sehen kann und weiter gern Zeit am und im Bodensee verbringe.
Worauf dürfen sich Ihre Leser als nächstes freuen?
Neben verschiedenen kleineren Projekten ist für Herbst 2020 ein neuer Roman in Arbeit. Er spielt in den Monaten nach dem Tod eines noch jungen Menschen und zeigt, wie Freunde und Familie mit diesem Tod umgehen, wie sie eine neue Gewichtung vorzunehmen versuchen, weg von der reinen Trauer über den Verlust hin zu einem positiven Erinnern, hin zu einer stillen Freude über das, was war. Auch hier arbeite ich mit unterschiedlichen Zeitebenen und neuen Erzähltechniken.
Manuela Bruhin (*1984) ist Redaktorin von «Die Ostschweiz».
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