Mit Gian und Markus Liechti steht die vierte beziehungsweise dritte Generation am Käsefertiger der Käserei Liechti auf dem Ricken. Zusammen mit vier Mitarbeitern verarbeitet das Familienunternehmen täglich rund 10 000 Liter frische Ostschweizer Milch zu einer grossen Käsevielfalt.
Gian Liechti ist mit Käse gross geworden. Schon sein Urgrossvater käste auf dem Ricken. Zusammen mit seiner Frau Ramona, die ebenfalls gelernte Käserin ist, hat der 27-Jährige im Januar 2022 die Produktionsleitung des Familienunternehmens übernommen. Unterstützt wird das junge Paar tatkräftig von Gians Eltern, einem Käser, einem Lehrling und zwei Aushilfen. Liechtis kennen ihre 26 Milchlieferanten alle persönlich. Kein Betrieb liegt weiter als 15 Kilometer entfernt.
Emmentaler-Sinkflug auffangen
Das Liechti-Team produziert seit 1968 Emmentaler AOP. Obschon er immer noch zu einer der beliebtesten und am meisten verzehrten Käsesorten der Schweiz zählt, ist die Produktionsmenge in den letzten Jahren kontinuierlich rückläufig. Diesen Trend bekommt auch die Käserei Liechti zu spüren. «Um ein weiteres Standbein zu kreieren, entwickelten sie vor rund zehn Jahren den ‘Hochmoor Chäs’», blickt Gian Liechti auf die Anfänge der Eigenmarke zurück. Die Hochmoor-Linie ist ein wichtiges zusätzliches Standbein. Im Weitern können dank ihr Schwankungen bei der Emmentaler-Bestellmenge, aber auch bei der variierenden Milchmenge besser aufgefangen werden, da eine Kuh übers Jahr nicht konstant gleich viel Milch gibt. Am produktivsten sind die Tiere unmittelbar nach dem Kalben im Frühling. «Am wenigsten Milch wird bei uns im Spätsommer angeliefert», erläutert der junge Käsermeister.
Ummantelt mit Silbermäntelchen & Co.
Dass als Namensgeberin der Eigenmarke das Hochmoor beigezogen wurde, liegt auf der Hand, prägt doch das Hochmoor mit seiner vielfältigen Pflanzen- und Kräuterwelt die Landschaft rund um das Dorf Ricken. Der «Hochmoor Chäs» wird mit einer besonderen Hochmoor-Kräutersulz veredelt: Silbermäntelchen, Spitzwegerich, Kleblabkraut und das Frauenmäntelchen verleihen dem Hochmoor Chäs eine ganz spezielle Würzigkeit. «Aktuell macht der Hochmoor Chäs 20 Prozent unserer gesamten Produktionsmenge aus – Tendenz steigend. Unser Wunschziel ist 50 Prozent», verrät Gian Liechti. Die Hauptabnehmerinnen des Hochmoor Chäs sind die natürli zürioberland AG, die Bodenseekäse AG sowie die Alpenswiss AG. Dadurch kommen Zweidrittel in den Export. Hauptsächlich in Deutschland findet der würzige Käse vom Ricken grossen Anklang. Daneben sind die Hochmoor-Sorten aber auch in verschiedenen kleineren Detailhandelsgeschäften in der Ostschweiz und im Linthgebiet erhältlich.
Freuden und Sorgen
Die Lancierung der Hochmoor-Linie war ebenso wegweisend für die Zukunft der kleinen Familienkäserei wie der 2010 fertig erstellte Neu- und Erweiterungsbau. «Mein Vater hat uns damit eine sehr gute Infrastruktur übergeben», freut sich der 27-Jährige. Die Bergkäserei ist äusserst flexibel. Kleine Chargen und Sondereditionen sind für Liechtis kein Problem. «Immer eine grössere Herausforderung ist es hingegen, genügend Fachpersonal zu gewinnen. Gerade für eine kleine Käserei wie wir, die an 365 Tagen im Jahr arbeitet, gestaltet sich die Rekrutierung zunehmend schwierig», so Gian Liechti.
Höhepunkte im Alltag
Ein klassischer Arbeitstag beginnt für Gian Liechti mit dem Auspacken des Käses, der am Vortag produziert wurde. Anschliessend bringt er die Laibe in den Reifekeller und reinigt die Regale. Zwischen 8 Uhr und 8.30 Uhr wird die frische Milch angeliefert. Jetzt beginnt das eigentliche Käsen. «Der Punkt, wenn die Milch zu dicken beginnt und ich mit der Käseharfe ins Kessi eintauche, ist jedes Mal besonders.» Ab 11 Uhr ist die Masse so weit, dass sie zum Pressen in die Formen abgefüllt werden kann. Nachmittags sieht das Programm je nach Bestellungen und Saison unterschiedlich aus: «Ich verarbeite die Molke, mache Fonduemischungen oder fülle Joghurt oder Pastmilch ab.» Ob die Arbeit tatsächlich gelungen ist, erfährt Gian Liechti im Fall des Hochmoor Chäs rund ein halbes Jahr später. «Der Moment, wenn du nach sechs Monaten Reifung den Käse aus dem Keller nimmst, du diesen etikettierst und für den Verkauf vorbereitest, ist genial. Es ist für mich jedes Mal ein Höhepunkt im Arbeitsalltag, wenn du dir sicher sein kannst, dass dir der Käse gelungen ist. Das ist bei einem Naturprodukt keine Selbstverständlichkeit.»
Langsame Stabsübergabe
Aktuell steht in der Käserei Liechti ein Generationenwechsel an. «Ich schätze es sehr, dass ich schrittweise die Verantwortung für den Betrieb von meinem Vater übernehmen kann. So bin ich beispielsweise bei der Mengenplanung als junger Betriebsleiter froh, wenn ich auf die jahrzehntelange Berufserfahrung meines Vaters zurückgreifen kann. Im Gegenzug ist mein Vater erleichtert, wenn er die administrativen Arbeiten sukzessive an mich abgeben kann», hält Gian Liechti fest. Er verhehlt dabei nicht, dass es auch verschiedene Ansichten unter den beiden Generationen gibt. Gerade die Mitarbeiterführung habe sich in der Branche weiterentwickelt. «Mein Vater ist es gewohnt, dass er sieben Tage pro Woche in der Käserei steht. Unter solchen Voraussetzungen würdest du heute keine Angestellten mehr finden», betont der Junior-Chef. Einen Paradigmenwechsel gab es in der Käserei auch in Sachen Radio: Einen solchen suchte man nämlich in der Käserei bis vor wenigen Monaten vergebens. «Im Gegensatz zu meinem Vater habe ich es gerne, wenn im Hintergrund Musik läuft», so Gian Liechti.
Gelebte Culinarium-Werte
Das Familienunternehmen ist bereits seit 20 Jahren bei Culinarium dabei und identifiziert sich laut Gian Liechti hundertprozentig mit den Werten des Trägervereins. Culinarium sei eine starke Marke. Zudem sei die gelbe Krone ein Türöffner in den Grossverteiler. «Ein Kleinbetrieb wie wir kann nur schwer überleben, wenn er nicht auf Regionalität setzt», ist der Käsermeister überzeugt und präzisiert: «Mit unserem Hochmoor Chäs haben wir ein Alleinstellungsmerkmal kreiert, um uns von der Masse mit Raffinesse abheben zu können.» Gian Liechti verfolgt zusammen mit seiner Frau Ramona, die er in der Berufsschule kennengelernt hat, ein klares Ziel: Ihr Hochmoor Chäs soll in der Region und darüber hinaus bei zusätzlichen Käseliebhabern im Einkaufskorb landen. «Bei diesem Unterfangen hat uns die Culinarium-Königskandidatur und die damit verbundene mediale Aufmerksamkeit beachtlichen Schub gegeben», freut sich der Käser vom Hochmoor.
Käserei Liechti, Ricken SG
Die Geschichte der Käserei Liechti – oder Bergkäserei Ricken, wie sie auch genannt wird – geht mindestens bis ins Jahr 1875 zurück, wo sie erstmals urkundlich - erwähnt wird. Sie ist eng mit der Verkehrsgeschichte der Region verbunden. Um die Unabhängigkeit und damit die Beziehung zu seinen Milchlieferanten zu stärke hat Markus Liechti 2013 die Eigenmarke «Hochmoor Chäs» initiiert. Mittlerweile zählen zur Linie acht verschiedenen Hart- und Halbhart-Spezialitäten sowie ein Hochmoor-Fondue und ein -Raclette. Seit Januar 2022 hat mit Gian Liechti die vierte Generation das Zepter des Familienunternehmens übernommen.
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