Der St.Galler SVP-Kantonsrat Karl Güntzel.
Im Kanton St.Gallen erheben sie die Gemeinden, im Thurgau der Kanton: die Liegenschaftssteuern. Doch warum eigentlich? Schliesslich bezahlt man ja schon Einkommens- und Vermögenssteuern. Diese Doppelsteuer ist dem Thurgauer SVP-Grossrat Pascal Schmid ein Dorn im Auge.
Liegenschaftssteuern (auch Grund- oder Grundstücksteuer genannt) sind eine kantonale Angelegenheit. Ob eine Steuer erhoben wird oder nicht, richtet sich nach dem kantonalen Steuergesetz. So müssen die St.Galler (und jurassischen) Gemeinden sowohl natürliche wie auch juristische Personen, die Liegenschaften besitzen, besteuern. Im Kanton St.Gallen heisst diese Steuer Grundsteuer und beträgt 0.2 bis 0.8 Promille des Liegenschaftswerts. Im Thurgau (und Genf) geht diese Steuer direkt an den Kanton und dieser verteilt sie dann nach einem bestimmten Schlüssel an die Gemeinden, wo die Liegenschaften stehen.
In Innerrhoden (Bern, Freiburg und Graubünden) dürfen die Gemeinden Liegenschaftssteuern fakultativ eintreiben, müssen aber nicht. In der Mehrheit der Schweizer Kantone, nämlich in Ausserrhoden, Zürich, Luzern, Uri, Schwyz, Ob- und Nidwalden, Glarus, Zug, Solothurn, Basel Stadt und Landschaft, Schaffhausen und Aargau gab es noch nie eine Liegenschaftssteuer oder diese wurde wieder abgeschafft.
Der Vorteil der Liegenschaftssteuer sei, sagen die Befürworter, dass alle Eigentümer eine Abgabe an die Gemeinde (oder den Kanton) leisten, und zwar ganz egal, ob sie ihren Steuersitz in der Gemeinde haben oder nicht. Sie würden so einen Beitrag an die Infrastrukturpflege und -erhaltung leisten.
Doppelt zur Kasse gebeten
Der Thurgauer SVP-Kantonsrat Pascal Schmid (Weinfelden) ärgert sich: «Der Thurgau gehört zu einer Minderheit jener Kantone, die Liegenschaften doppelt besteuern.» Korrekt – denn mit der Liegenschaftssteuer werden Hauseigentümer doppelt zur Kasse geben, bezahlen sie doch bereits Vermögenssteuern auf ihre Liegenschaften. Und im Gegensatz zu den Vermögenssteuern, werden die Liegenschaftssteuern auf den vollen Wert der Grundstücke berechnet, ohne dass zum Beispiel auf ihnen lastende Schulden wie Hypotheken berücksichtigt werden.
Genug ist genug, findet HEV-Vizepräsident Schmid: Im Mai hat er gemeinsam mit drei Ratskollegen eine Motion eingereicht, mit der er nichts Geringeres als die vollständige Abschaffung der Liegenschaftssteuer im Kanton Thurgau bewirken will. Er begründet die Motion damit, dass die Grundstückgewinn-, Handänderungs- und Liegenschaftssteuern seinem Kanton Jahr für Jahr stattliche Erträge bescheren. Das Argument, Liegenschaftsbesitzer würden so einen Beitrag an den Infrastrukturunterhalt leisten, lässt Schmid nicht gelten: «Staatliche Leistungen für die Erschliessung sowie für Handänderungen und Beurkundungen werden mit Gebühren und hohen Gemenge- und Handänderungssteuern abgegolten, die keineswegs nur kostendeckend sind, sondern zusätzliche Erträge abwerfen», wie es in seiner Motion heisst.
Reduktion statt Abschaffung in St.Gallen
Weniger kämpferisch gibt man sich im Kanton St.Gallen. SVP-Kantonsrat Karl Güntzel (St.Gallen) und GL-Mitglied HEV Kanton St.Gallen, sagt: «Ein Abschaffung der Grundsteuer hat derzeit im Kanton kaum Chance und keine hohe Priorität: vor allem die kleinen Gemeinden wehren sich vehement dagegen.» Doch man sei diesbezüglich nicht untätig gewesen: Immerhin sei es vor zwölf Jahren gelungen, die Bandbreite bei der Grundsteuer von vormals 0.3 bis 1 Promille auf 0.2 bis 0.8 Promille zu senken. «Der Grossteil der Gemeinden treibt allerdings weiterhin das Maximum von nun 0.8 Promille ein», gibt er zu bedenken und fügt an: «In St. Gallen sind wir in Bezug auf die Liegenschaftsbesteuerung leider sehr schlecht gestellt.» Wenn die Abschaffung im Kanton derzeit keine Chance habe, so sei eine weitere Reduktion des Maximalsatzes eine Möglichkeit. Aber jeder Bürger und jede Bürgerin habe es selbst in der Hand, in seiner oder ihrer Gemeinde eine Steuerfussreduktion bis auf 0.2 Promille zu beantragen. «Der Steuerfuss ist Teil des Budgets und muss jedes Jahr von den Stimmbürgern genehmigt werden. Aber es besteht im Kanton St.Gallen auch Handlungsbedarf bei weiteren Steuern, so bei der Grundstückgewinnsteuer und der Vermögenssteuer.»
Der St.Galler SVP-Kantonsrat Karl Güntzel.
Der Staat kommt einfach zu Millionen
Ein Blick in die Thurgauer Staatsrechnung 2020 zeigt eindrücklich, was Schmid meint: «Alleine die Liegenschaftssteuer trug dem Kanton 31.3 Millionen Franken ein, wovon 17.8 Millionen auf die Gemeinden entfielen.» Hinzu sind Handänderungssteuern in der Höhe von 30.1 Millionen Franken gekommen, das waren 5.6 Millionen Franken mehr als budgetiert. Auch mit der Grundstückgewinnsteuer generierte der Kanton einen Budgetüberschuss von 19.7 Millionen Franken (Total 79.7 Millionen). «Davon erhielten die Gemeinden 45 Millionen Franken, 11.4 Millionen mehr als budgetiert!», rechnet Schmid vor.
«Es ist an der Zeit», findet Schmid, «die steuersystematisch höchst fragwürdige Liegenschaftssteuer abzuschaffen. Damit werden alle Haus- und Wohnungseigentümerinnen und -eigentümer von einer ungerechtfertigten, nicht mehr zeitgemässen Doppelbesteuerung befreit.»
Letztendlich entlastet die Abschaffung dieser Doppelsteuer aber auch alle Mieter und Mieterinnen, denn es ist anzunehmen, dass die Liegenschaftssteuern von den Hausbesitzern einfach in den Mietzins miteingerechnet werden und dass es letztendlich die Mieter sind, die diese Steuer berappen.
Michel Bossart ist Redaktor bei «Die Ostschweiz». Nach dem Studium der Philosophie und Geschichte hat er für diverse Medien geschrieben. Er lebt in Benken (SG).
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