Am 9. Mai findet der Höhepunkt des Jahres für alle Anhänger von Esoterik, Heilern, Medien und Konsorten an: Die Messe «Lebenskraft» in Zürich. Eine der Referentinnen «praktiziert» auf Schloss Wartensee in Rorschacherberg - und verspricht Operationen ohne Blut.
Sie ist eine schillernde Figur in der Esoterikszene: Tatjana Lackmann, die eine Praxis in Baden-Baden betreibt. Seit rund sechs Jahren ist sie aber auch in der Ostschweiz tätig. Im Hotel Schloss Wartensee in Rorschacherberg führt sie ein «Institut», in dem sie Ausbildungen und Kurse anbietet.
Ihr grösster Schlager, mit dem sie es schon vor zahlreiche Kameras von freundlichen Interviewern esoterischer Webseiten geschafft hat, ist die «Paranormale Chirurgie nach Tatjana Lackmann». Diese ähnele einer Operation ohne Messer, schreibt sie. Und weiter: «Der Patient ist in einem Trancezustand, doch bei klarem Bewusstsein. Bei dieser Methode werden mit bloßen Händen etwa drei nacheinander folgende Schnitte, durch Streichen mit dem Finger über die Haut, vorgenommen. Anschließend erfolgt das 'Herausnehmen' des 'kranken Gewebes', bis der Patient das Gefühl von Leichtigkeit und Leere verspürt. Als letztes wird der behandelte Teil wieder 'geschlossen und zugenäht'.
Klingt ziemlich schrill - und ist es auch. Auf Youtube kann man Nikolai Lackmann, dem Sohn von Tatjana Lackmann - der dieselbe Profession gewählt hat - bei einer solchen «Operation ohne Messer» zuschauen. Im Wesentlichen fährt er mit hektischen Bewegungen mit seinen Händen über den Körper - und nun ist das Problem offenbar gelöst. Da staunt natürlich jeder klassische Chirurg.
Vorläufer dieser «Methode» gab es früher vor allem in Südamerika. Dort aber sprach man nicht von unblutigem Eingriff. Hoffnungsvollen Patienten mit einem Tumor gaukelte man vor, man könne ohne Messer, nur durch geistige Kräfte, den bösartigen Fremdkörper entfernen. Nach dem «Eingriff» wurde dem Patienten blutiges Gewebe vorgeführt, das man angeblich allein durch die Kraft der Hände herausgebracht hatte. Wie später nachgewiesen werden konnte, handelte es sich um tierische Abfälle.
Tatjana Lackmann mag sich offenbar die Hände nicht schmutzig machen, daher lässt sie krankes Gewebe schlicht und einfach verschwinden, und das mit einer Prozedur, die aussieht, als würde man einen Massagefilm stark schneller ablaufen lassen. Einen wissenschaftlichen Nachweis für die Wirksamkeit gibt es nicht, aber das Netz ist voll von Lobgesängen auf die heilende Wirkung. In viele Fällen wird der Placeboeffekt seine Wirkung tun, oft unterstützen sich die Esoterikaktivisten, indem sie sich gegenseitig die besten Referenzen geben.
Wie in der Branche üblich macht die Russin, die in ihrer Heimat laut eigenem Bekunden preisgekrönte Heilpraktikerin war, ihr Geld nicht nur durch «Behandlungen», sondern auch, indem sie das Wissen weitergibt - und das geht im Rorschacherberg. Offenbar kann jeder lernen, paranormaler Chirurg zu werden, jedenfalls gibt es den entsprechenden Ausbildungslehrgang.
In Zürich an der «Lebenskraft 2019» ist Tatjana Lackmann aber vermutlich nicht einmal der exotischste Gast. Medien, die mit Verstorbenen sprechen, Botschaften aus der geistigen Welt und direkte Energieübertragung werden geboten. Oder auch, und das klingt nun wirklich aufregend, «Channeling von dem Kristallschädel Corazon de Luz».
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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