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Jagdgesellschaften stellen klare Forderungen

Jäger kritisieren den Kanton: Es geht um wildes Biken, Ausgrenzung und ein inakzeptables Vorgehen

Dass der Kanton St.Gallen bei der Erarbeitung einer Mountainbike-Strategie die St.Galler Jagdgesellschaften nicht involviert hat, stösst den Betroffenen sauer auf. Verständlich wird dies, wenn man bedenkt, dass 74 andere Organisationen eingeladen wurden, ihre Meinung abzugeben.

Marcel Baumgartner am 26. Juli 2024

Viele dürften das schon selber erlebt haben: bei einem Streifzug durch die Wälder flitzen nicht selten Velofahrerinnen und -fahrer an einem vorbei. Dass der Mensch einen direkten Einfluss auf Pflanzen und Tiere hat, ist unbestritten. Entsprechend setzt sich die RevierJagd St.Gallen (RJSG) – der Dachverband der St.Galler Jagd – mit Präsident Peter Weigelt seit Jahren um eine kontrollierte und kanalisierte Ausübung dieser beliebten und mit den Elektrobikes noch stärker wachsenden Freizeitbeschäftigung ein. Dabei unterstreicht die Organisation jeweils, dass es ihr nicht um ein Verbot geht. Vielmehr solle mit gezielten Massnahmen der Lebensraum der Wildtiere respektiert und wo notwendig geschützt werden. «Dabei setzen wir nebst klaren gesetzlichen Grundlagen und einem konsequenten Vollzug vor allem auf Kooperation, also ein Miteinander aller relevanten Anspruchsgruppen. Dass der St.Galler Jagd hier als Fürsprecherin der Wildtiere eine besondere Stellung zukommt, müsste eigentlich klar sein», wirft Peter Weigelt ein.

Der Kanton St.Gallen scheint dies aber offenbar anders zu sehen. Im Prozess zur Erarbeitung einer St.Galler Mountainbike-Strategie war die Sichtweise der Jägerinnen und Jäger bislang nicht gefragt.

Das sorgt für rote Köpfe.

In einer Medienmitteilung geht man auf den Stellenwert der Jagd ein.

«Mit der Pacht übernehmen die 144 Jagdgesellschaften im Kanton St.Gallen während acht Jahren die Verantwortung für ihr Jagdrevier. Legitimiert durch das eidgenössische Jagdgesetz (JSG) gehen sie damit unter anderem die Verpflichtung ein, sich für den Schutz und die Qualität der Wildlebensräume zu engagieren», wird eingangs beschrieben.

Dementsprechend stünden die Jagdgesellschaften bei Projekten, die sich direkt auf den Lebensraum des Wildes auswirken, in der Pflicht, sich aktiv in die Debatte einzubringen.

Offensichtlich werde das aber vom Kanton nicht so gesehen. Denn weder bei der Erarbeitung des Entwurfs zu einer Mountainbike-Strategie noch im begleitenden Soundingbord sei die St.Galler Jagd vertreten gewesen. Sie schreibt dazu: «Absolut inakzeptabel ist, dass RevierJagd St.Gallen als Dachverband der St.Galler Jägerinnen und Jäger auch nicht zur Vernehmlassung eingeladen wurde. Sage und schreibe 74 Organisationen wurden zur Vernehmlassung der kantonalen Mountainbike- Strategie eingeladen, eine jagdliche Organisation aber fehlt.» Viel offensichtlicher könne man Ausgrenzung wohl nicht betreiben. Zumal die St.Galler Jagd seit Jahren auf Missstände durch wildes Biken in den Wäldern aufmerksam mache und dazu schon umfassende Projekte realisiert habe.

Die Jäger belassen es aber nicht nur bei ihrer Kritik am Kanton. Sie stellen auch 13 Forderungen auf, um dem Problem Herr zu werden.

+++

**Forderungen: **

1. Relevanz des bestehenden Strassen- und Wegnetzes:

Das bestehende Strassen- und Wegnetz ist relevant und massgebend, für die Jagd wie auch alle anderen Nutzerinnen und Nutzer.

2. Beschränkung auf bestehende Wege:

Neue MTB-Trails und -Pfade müssen, wo immer möglich und sinnvoll, auf bereits befestigte und nach kantonalem Strassengesetz klassierte Strassen und Wege gelegt werden. MTB-Pfade ausserhalb befestigter Strassen und Pfade sind auf Wanderwege und bereits bestehende, noch zu legalisierende MTB-Pfade/Trails (Baugesuchsverfahren) zu beschränken.

3. Verbot von Nachtfahrten im Wald

Die grössten Störungen im Lebensraum Wald verursachen MTB-Fahrten in der Nacht (starke Scheinwerfer). Für sämtliche MTB-Trails im Wald ist daher ein konsequentes Nachtfahrverbot zu erlassen (eine Stunde nach Sonnenuntergang bis eine Stunde vor Sonnenaufgang).

4. Vermeidung von Störungen des Jagdbetriebs:

Die Störung des Jagdbetriebs (die Jagd hat staatliche Abschussvorgaben zu erfüllen) ist zu vermeiden (analog Waldbewirtschaftung). Während Bewegungsjagden muss die Jagd temporär Bike-Pfade schliessen können, wobei die Sporttreibenden auf die befestigten Waldstrassen ausweichen müssen.

5. Schutz sensibler Gebiete:

Sensible Gebiete wie Waldrandbereiche, Wildeinstände, Austrittsgebiete oder Waldreservate sowie die im Waldentwicklungsplan (WEP) und in den kommunalen und kantonalen Schutzzonenplänen festgehaltenen Wildvorranggebiete (z.B. «Lebensraum Kerngebiet») müssen von MTB-Pfaden und Trails verschont bleiben.

6. Berücksichtigung von Beitragsverfügungen:

Die Erstellung zahlreicher Waldstrassen und -wege im Kanton St.Gallen wurde mit Geldern von Bund, Kanton und Gemeinden subventioniert bzw. finanziert. In etlichen Beitragsverfügungen wurden allgemeine Fahrverbote (Zubringerdienst erlaubt) und die Installation von Barrieren zwecks Schonung des Wildlebensraums verfügt. Diese Verfügungen sind auch mit Bezug auf Biker zu vollziehen.

7. Fortbestand temporärer Bikefahrverbote:

Bereits bestehende temporäre Bikefahrverbote (z.B. während der Balz- und Brutzeit von Raufusshühnern) müssen im Kanton St.Gallen auch in Zukunft Gültigkeit haben.

8. Auswirkungen auf die Tierwelt:

MTB-Trails haben direkte Auswirkungen auf die Tierwelt, indem sie die Ruhezeiten verkürzen (vor allem in der Nacht) und die Nahrungsaufnahme beeinträchtigen. Zahlreiche Studien (beispielsweise der Universität Bayreuth) zeigen, dass Mountainbiken das Verhalten von Wildtieren signifikant verändert und oft zu einer Verdrängung führt.

9. Verbindliche MTB-Lenkung und Rückbau nicht bewilligter Pfade:

Die MTB-Lenkung innerhalb des Projektperimeters (d.h. innerhalb des ganzen Kantons St.Gallen) ist verbindlich. Bestehende, nicht bewilligte MTB-Pfade müssen zurückgebaut werden. Verantwortlichkeiten und ein verbindlicher Zeitrahmen sind festzulegen.

10. Frühzeitige Einbindung der Jagdgesellschaften:

Werden neue MTB-Strecken geplant, sind die regional betroffenen St.Galler Jagdgesellschaften zwingend und frühzeitig, d.h. bereits vor Einreichung eines Baugesuchs, zur Stellungnahme einzuladen.

11. Keine Toleranz für «wilde» MTB-Pfade:

Innerhalb des Projektperimeters (Kanton St.Gallen) sind keine «wilden» MTB-Pfade/Trails mehr zu dulden. Ein verbindlicher Vollzug durch den Kanton (ANJF, Kantonsforstamt, Kantons- und Gemeindepolizei) ist notwendig.

12. Einheitliche Signalisierung von Bike-Fahrverboten:

MTB-Fahrverbote – seien diese nun ganzjährig oder auf einen bestimmten Zeitraum beschränkt – sind im Kanton St.Gallen einheitlich zu signalisieren. Ein verbindlicher Vollzug durch den Kanton (Amt für Natur, Jagd und Fischerei, Kantonsforstamt, Kantons- und Gemeindepolizei) ist ein Muss!

13. Kommunikation und Sensibilisierung:

Die Kommunikation gegenüber den Sporttreibenden ist durch den Kanton und die Gemeinden sicherzustellen. Das Bewusstsein der Mountainbiker für Naturschutzbelange ist zu stärken und rücksichtsvolles Verhalten in der Natur zu fördern.

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Autor/in
Marcel Baumgartner

Marcel Baumgartner (*1979) ist Chefredaktor von «Die Ostschweiz».

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