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Hintergründe

Joint Medical Master: Geheimniskrämerei um Zusammenarbeitsauflösung zwischen der HSG und der UZH

Mit Zusammenarbeiten ist es wie mit Beziehungen: Manche halten eine Ewigkeit, andere gehen in die Brüche. Bei der Scheidung zwischen der HSG und der UZH scheint die HSG unverhofft vor vollendete Tatsachen gestellt worden zu sein, wie es heute aus der Bildungsdirektion heisst.

Michel Bossart am 06. Juni 2024

Ende Mai wurde bekannt, dass die HSG und die Universität Zürich ihre Zusammenarbeit beim Joint Medical Master auf Sommer 2026 beenden werden. In der Mitteilung damals hiess es, die beiden Universitäten hätten beschlossen, das Ausbildungskonzept neu auszurichten. Der Koordinationsaufwand für eine gemeinsame Ausbildung sei sehr hoch und die Gestaltungsmöglichkeiten auf beiden Seiten seien eingeschränkt. Die heutige Nachricht aus dem Bildungsdepartement stellt die Sachlage anders dar: Der Entscheid, die Kooperationsvereinbarung nicht zu verlängern, sei von der UZH ohne Kenntnis der HSG gefällt worden. Die Verantwortlichen der HSG seien einen Tag vor den Medien über die Aufkündigung informiert worden.

Vor sieben Jahren zeigte sich die St.Galler Regierung über die Zusammenarbeit hoch erfreut: Bis heute ist auf der Webseite von einem «modernen Curriculum mit innovativen Vertiefungsthemen» zu lesen. «Der Joint Medical Master war und ist eine Erfolgsgeschichte», schreibt das Bildungsdepartement heute. Das Ziel der Regierung sei es darum, dass es in St.Gallen auch in Zukunft Medizin-Masterausbildungen geben werde und prüfe gemeinsam mit der HSG Optionen.

Interpellation nicht dringlich erklärt

Diese Antwort zu erhalten, hätte sich die Grüne-SP-GLP-Fraktion im Kantonsrat während der eben zu Ende gegangenen Session gewünscht. Eine entsprechende Interpellation wurde eingereicht: Regierungsrätin Bettina Surber solle Auskunft darüber geben, warum es zu einer Aufkündigung kam und ob die Regierung diese hätte verhindern können. Sie stellte auch andere Fragen: Was bedeutet die Aufkündigung für die Studierenden, für die Brückenprofessuren oder wie sich die Regierung die Zukunft des Medical Masters vorstelle.

Aus der Sicht der Grüne-SP-GLP-Fraktion ist das Papier des Universitätsrats, das dem Kantonsrat am letzten Samstag zur Verfügung gestellt wurde, auch für die Öffentlichkeit interessant, sagt Fraktionspräsident Dario Sulzer (SP Wil) auf Anfrage. Das sei der Grund für die dringliche Interpellation gewesen. Die bürgerliche Mehrheit im Rat wollte davon nichts wissen. Sulzer sagt: «Warum sich SVP, FDP und Mitte gegen die Dringlichkeit gewehrt haben, ist mir schleierhaft. Wenn die Regierung Dringlichkeit nicht bestreitet, wird das vom Rat in der Regel akzeptiert. Eingereicht ist die Interpellation aber. Ob dringlich oder nicht: Früher oder später wird die Regierung ihre Antworten freigeben.» Und so ist es nun ja auch gekommen; zwei Tage später.

Sascha Schmid, SVP-Fraktionspräsident aus Buchs, nimmt Stellung zum Warum: «Da es bisher keine neuen Erkenntnisse gibt. Die Universität hat bereits kommuniziert, dass neue Varianten ausgearbeitet werden. Die dafür nötige Zeit sollte der Universitätsleitung zugestanden werden. Wir sind zuversichtlich, dass erste konkrete Ergebnisse nach den Sommerferien vorliegen werden.» Grundsätzlich begrüsse seine Fraktion den JMM. «Das heisst jedoch nicht, dass wir uns neuen Kooperationen verschliessen», sagt Schmid und gibt zu bedenken, dass ein eigenständiger Studiengang Medizin für die HSG zu kostspielig wäre und die international renommierte Wirtschaftsuni zu sehr von ihren Stärken ablenken würde.

Die SVP bedaure zwar, dass der JMM in seiner bisherigen Form nicht weiter bestehen werde. Schmid ergänzt: «Es wäre aber kein Weltuntergang, wenn Medizinstudenten ihren Master in Zukunft wieder in Zürich, Basel oder Bern absolvieren müssten.»

Warum keine Transparenz?

Könnte es an der geringen Anzahl Bachelor-Studenten gelegen haben, die sich für den JMM eingeschrieben haben? Letzten Sommer haben die ersten Studierenden den Medical Master abgeschlossen. Es waren 24 Personen. Ausgelegt wurde der Studiengang für 40 Studierende. Der Kanton St.Gallen bezahlt dafür 5.2 Millionen Franken jährlich. Für die Regierung scheinen diese Zahlen gut genug zu sein. Der Studiengang stärke nämlich die Gesundheitsversorgung in der Ostschweiz. Wörtlich: «Die ersten Abschlussjahrgänge zeigen, dass etwas mehr als die Hälfte aller frisch ausgebildeten Ärztinnen und Ärzte in der Ostschweiz bleiben.»

Warum die bürgerliche Mehrheit unbedingt verhindern wollte, dass die Stellungnahme der Regierung nicht schon zwei Tage früher öffentlich gemacht werden konnte, hat vielleicht etwas mit Taktik zu tun; ist aber schwer nachzuvollziehen. Nach der Abweisung einigte sich der Rat auch darauf, die Informationen der HSG nicht zu veröffentlichen – warum auch immer. Die HSG nutzte die Möglichkeit für eine Stellungnahme nicht. Gelegenheit dazu hätte sie gehabt. Die entsprechende Anfrage blieb unbeantwortet.

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Autor/in
Michel Bossart

Michel Bossart ist Redaktor bei «Die Ostschweiz». Nach dem Studium der Philosophie und Geschichte hat er für diverse Medien geschrieben. Er lebt in Benken (SG).

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