Nick Schaude
Seit 2011 gibt es zu den Kaffeekapseln aus Aluminium eine umweltfreundlichere Alternative: Bei Beanarella ist von der Verpackung bis zur Kapsel alles kompostierbar. Und was in der Kapsel drin ist, ist nachhaltig, biologisch und fair produziert.
Man kann es drehen und wenden, wie man will. Die nachhaltigste aller Art und Weisen, wie Kaffee zubereitet werden kann, ist mit der heute als bünzlig belächelten Methode. Darum greifen Herr und Frau Schweizer anstatt zum Filterkaffee doch lieber zu Kaffee, der verkapselt ist und in eigens dafür entwickelten Maschinen gebraut wird. Und das tun sie ganz schön oft. Nur Menschen in Norwegen und Deutschland trinken statistisch gesehen mehr Kaffee als die Schweizer. Aber: Nach Filter- und Vollautomatenkaffee sowie Kaffee in Pads haben die Kaffeekapseln die schlechteste Ökobilanz. Journalisten von «Bayern 1» haben kürzlich vorgerechnet, dass es sich schlicht um einen Verhältnisblödsinn handle: In einer Kaffeekapsel mit einem Gewicht von fünf Gramm hat gerade einmal sechs Gramm Kaffee Platz. Danach landet die Kapsel im Müll oder in den günstigeren Fällen im Recyclingsystem oder auf dem Komposthaufen. Dabei spielt es nicht einmal eine grosse Rolle, ob die Kapseln aus Kunststoff oder Bio-Plastik hergestellt worden sind. Denn selbst wenn die Kaffeekapsel aus Zellulose, Maisstärke oder anderen abbaubaren Stoffen geformt ist: Sie wird letztlich nur einmal kurz benutzt und muss dann entsorg werden.
Fairer Öko-Kaffee aus dem Rheintal
Nick Schaude ist 34 Jahre alt, wohnt in Rüthi und gründete 2011 die Swiss Coffee Company in Widnau. Ihm, dem Kaffeeliebhaber, machte 2010 der wachsende Aluminiumberg zu schaffen. «Es muss doch möglich sein, auf das Aluminium verzichten zu können», sagte er sich. Und obschon der Unternehmersohn vorher nichts mit der Kaffeeproduktion zu tun gehabt hatte, begann er sich für die Materie zu interessieren. Er informierte sich an einschlägigen Messen, knüpfte Kontakte zu Kaffeemaschinenbauer und Biokunststoffherstellern und überzeugte zwei Geschäftspartner von seinem Konzept: fair und nachhaltig gehandelter Bio-Kaffee in Kapseln, die zu 100 Prozent kompostierbar sind.
Nick Schaude
Für die Beanarella-Kapseln aus der Swiss Coffee Company braucht es eine eigene Maschine. Schaude hat dafür einen Fabrikanten unweit der Schweizer Grenze im italienischen Como gefunden. «Uns war wichtig», sagt er, «dass die Maschinen nicht irgendwo in Fernost billig hergestellt werden, sondern dass wir auch hier so ressourcenschonend wie möglich vorgehen.»
Schaude erinnert sich: «Der Anfang war alles andere als ein Spaziergang. Wir sind hart an unsere Grenzen gestossen.» Umso glücklicher waren die Drei, als sie 2012 die erste Kaffeekapsel aus Eigenprodukt in den Händen hielten. Die Swiss Coffee Company sei das einzige Unternehmen im deutschsprachigen Raum, das mit 100 Prozent Biogas röste, meint Schaude: «Dadurch können wir auch massiv CO2 einsparen.»
Heute arbeiten sechs Festangestellte in der Widnauer Kaffeefabrik, wo jährlich zehn Millionen Kaffeekapseln hergestellt und zu über 90 Prozent online vertrieben werden. «Wir hatten und haben grosse Schwierigkeiten, Vertriebspartner zu finden, die unseren Kaffee in ihr Sortiment aufnehmen», berichtet Schaude. Seit 2016 konzentrieren wir uns darum voll auf den Online-Handel und sind von Jahr zu Jahr erfolgreicher darin.» Das sei erst gar nicht ihre Absicht gewesen. Der ursprüngliche Businessplan sah vor, dass man die Claro-, Biopartner- oder Volgläden als Vertriebspartner hätte gewinnen können. «Die Crux ist unser eigenes Maschinensystem», sagt Schaude. Neben den Kapseln hätten die Läden auch die Maschinen ins Sortiment aufnehmen müssen. Er erklärt: «Wir müssen uns wohl als Startup erst über längere Zeit beweisen. Unser Ziel ist es aber nach wie vor, bei diesen Läden ins Sortiment aufgenommen zu werden.» Die Zeit ist wohl bald reif dafür, denn das Unternehmen schreibt seit 2017 schwarze Zahlen und wächst kontinuierlich. Je mehr Menschen den Rheintaler Öko-Kaffee trinken, desto stetiger steigt die Nachfrage. Und trotzdem wurden die Abläufe so optimiert, dass alle Bestellungen von Individualkunden, die vor 14 Uhr in Widnau eintreffen, am nächsten Tag im Briefkasten der Kunden liegen.
Kaffeekapseln aus Aluminium
Die Kaffeekapsel so richtig berühmt und zu einem weltweiten Erfolg gemacht, hat wahrscheinlich George Clooney, beziehungsweise «Nespresso». Die Nespresso-Kapseln sind aus dem von Schaude kritisierten Aluminium, dessen Herstellung tatsächlich alles andere als umweltfreundlich ist. Für ein Kilogramm Aluminium aus Bauxit braucht es 14 Kilowattstunden Strom, und allein dafür werden acht Kilogramm CO2 freigesetzt, wie «Bayern 1» berichtet. Aus diesem Kilogramm Aluminium entstehen zirka 1000 Kaffeekapseln. Die Journalisten gehen davon aus, dass jährlich etwa acht Milliarden Kapseln verkauft werden. Daher braucht es dafür mindestens acht Millionen Kilogramm Aluminium; Kaffeetrinker verursachen also jede Minute mehr als 15 Kilogramm Aluminiumabfall. Nespresso Schweiz gibt keine Auskunft zu den Produktionszahlen von Kaffee, Kapseln und Aluminium: «Diese Informationen sind vertraulich», heisst es aus der Romandie. Nicht vertraulich hingegen ist die Recyclingquote: «In der Schweiz liegt die Rückgabequote für Nespresso-Kapseln bei 58 Prozent, und wir planen mittelfristig eine Quote von 75 Prozent für die gesamte Kategorie des portionierten Kaffees», schreibt Nespresso Schweiz auf Anfrage und ist mit sich zufrieden: «Die Tatsache, dass mehr als die Hälfte unserer gebrauchten Aluminiumkapseln recycelt wird, ist ein positives Ergebnis.»
Diese Zahlen sind schwer bis gar nicht zu verifizieren, da Nespresso Schweiz keine Verkaufszahlen bekanntgibt. Fairerweise muss gesagt werden, dass wenn Aluminiumkapseln wiederverwertet werden, sie bezüglich Ökobilanz durchaus mit Kapseln aus Bio-Plastik und Kunststoff mithalten können. Ein Vorwurf, der die Online-Zeitung «das Lamm» Ende 2018 äusserte, war, dass Nespresso für Kaffeekapselherstellung nicht auf recyceltes, sondern auf neuproduziertes Aluminium zurückgreife. Heute schreibt Nespresso Schweiz dazu: «Unsere recycelten Kapseln kehren in die Aluminium-Wertschöpfungskette zurück, wo sie für verschiedene Zwecke wiederverwendet werden, wie zum Beispiel für Automobilteile, Fahrräder, Victorinox-Taschenmesser, Rex-Gemüseschäler oder neue Kapseln.» Wie viel Prozent recyceltes Aluminium in den Kapseln zu finden ist, dazu werden keine konkreteren Angaben gemacht.
Wirklich kompostierbar?
Gefragt, ob es bei Nespresso auch schon bald eine kompostierbare Variante zu den Aluminiumkapseln geben werde, schreibt Nespresso Schweiz: «Wir haben bereits Versuche mit anderen Verpackungslösungen unternommen, auch mit biologisch abbaubaren und kompostierbaren Materialien. Bis jetzt konnten wir allerdings keine geeignete Alternative zu Aluminium finden.» Im Übrigen bezweifle Nespresso Schweiz, dass kompostierbare oder biologisch abbaubare Kapseln eine umweltfreundliche Lösung darstellen, da sich Personen eher fürs Recycling und nicht für die Kompostierung engagieren würden. Viele Verbraucher würden diese biologisch abbaubaren Produkte darum trotzdem in den Müll werfen.
Das mag sein, aber das tut fast die Hälfte der Verbraucher auch mit den Aluminiumkapseln, obwohl es da ein ausgeklügeltes und gutausgebautes Recyclingsystem gibt. Ein weiterer Vorwurf, den Nespresso Schweiz äussert und Schaude ebenfalls schon oft zu hören bekommen hat, ist, dass Kapseln und Verpackungsmaterial auf dem Kompost nicht vollständig verrotten würde und darum vielerorts nicht der Grüngutabfuhr mitgegeben werden dürfen. Er sagt dazu: «Das von uns verwendete Material zersetzt sich bei 60 bis 65 Grad. In einem Komposthaufen herrschen bis zu 75 Grad, das ist also kein Problem.» Probleme bestehen dort, wo zum Beispiel nur Schnittgut und keine Küchenabfälle eingesammelt werden: «Da ist die Temperatur tatsächlich zu niedrig und die Kapsel und Verpackungen verrotten zu langsam.» Doch das sei noch lange kein Argument für Kapseln aus energieintensivem Aluminium. Dazu Schaude: «Wer seine Kapseln zu Hause nicht kompostieren kann, kann sie uns kostenlos zurückschicken. Wir bringen sie dann nach Buchs in die Kompostieranlage des VfA, wo sie fachgerecht kompostiert werden.»
Nachhaltigkeit am wichtigsten
Ob Kapseln aus Bio-Plastik oder Aluminium, das recycelt wird, nachhaltiger sind, da scheiden sich die Geister. Wichtig sei, ziehen die «Bayern 1»-Journalisten ihr Fazit, dass sowieso die bewusste Kaffeewahl das Beste für die Umwelt sei. Kaffee mit Nachhaltigkeitslabel sei auf jeden Fall umweltfreundlicher, denn im schlechtesten Fall mache die Kaffeekultivierung rund 70 Prozent der Umweltbelastung einer Tasse Kaffee aus, im besten gerade mal noch ein Prozent. Und weiter: Jede Verpackung, die nur einmal gebraucht werde, ist per se problematisch, egal ob aus Bio-Plastik, Kunststoff oder Aluminium. Die Lösung lautetet «Mehrweg». Bestimmt tüftelt Schaude bereits an einer solchen Kapsel herum. Eine Neuigkeit auf diesem Weg wird bereits dieses Jahr eingeführt: «Für eine unserer Kaffeemaschinen wird es einen zusätzlichen Adapter geben. Damit kann der Kunde unsere Kaffeekapseln, sämtliche Pads aber auch gemahlenen Kaffee verwenden. Wir sind das einzige Unternehmen, das ein eigenes Kapselsystem hat und ein solches Adaptersystem, bei dem der Kunde nicht auf unsere Kaffeekapseln angewiesen ist», sagt Schaude abschliessend.
Michel Bossart ist Redaktor bei «Die Ostschweiz». Nach dem Studium der Philosophie und Geschichte hat er für diverse Medien geschrieben. Er lebt in Benken (SG).
Hier klicken, um die Mobile App von «Die Ostschweiz» zu installieren.