Claudia Brönimann (*1982) wurde 2022 zur neuen Leiterin der Wissenstransferstelle WTT der OST ernannt. Wie erlebt sich das Spannungsfeld zwischen Wirtschaft und Wissenschaft? Welche Akzente kann hierbei eine Hochschule setzen? Im Interview sagt sie: «Wir dürfen nicht jeder Mode hinterherrennen.»
Claudia Brönimann, wann hatten Sie zum ersten Mal mit dem WTT Young Leader Award zu tun?
Bereits im Studium an der ehemaligen FHS St.Gallen, der heutigen Ostschweizer Fachhochschule – OST. Bereits damals war er ein Highlight und motivierte uns zu Höchstleistungen. 2006 durfte ich mit meinem Team sogar den Pokal als Award-Siegerin entgegennehmen – ein unvergessliches Erlebnis. Für den Berufseinstieg war das sehr hilfreich.
Nun werden Sie als neue Leiterin der Wissenstransferstelle WTT der OST das neue Aushängeschild für dieses Format. Dabei ist der eigentliche Award – obwohl er medial eine grosse Aufmerksamkeit erreicht – ja wohl nur ein Teilbereich Ihrer Tätigkeit. Was beschäftigt Sie am meisten?
Mit der Fusion zur OST hat sich unser Marktgebiet erweitert. Wir wollen das Modell der Praxisprojekte nun in einer grösseren Region bekanntmachen und anbieten. Ebenso wichtig ist, die Praxisprojekte sinnvoll in neue Studiengänge zu integrieren. In unserem Departement sind dies neben Betriebswirtschaft auch Wirtschaftsinformatik sowie neu «Management und Recht». Hier bieten wir nun erstmals auch Praxisprojekte an. Die Wissenstransferstelle WTT wird sich künftig zudem auch stärker in die Forschung einbringen – beispielsweise, wenn es eben um Wissenstransfer geht.
Sie sind nun im Spannungsfeld zwischen Wirtschaft und Wissenschaft. Wo sehen Sie hier die grössten Herausforderungen?
Dass es uns gelingt, aktuelle Themen aus den Unternehmen rasch in die Ausbildung und Praxisprojekte für unsere Studierende aufzunehmen. Dafür müssen wir Trends rechtszeitig erkennen, dürfen aber nicht jeder Mode hinterherrennen.
Die Wirtschaft ist – das haben wir in den vergangenen Jahren erlebt – äusseren Einflüssen ausgesetzt. Mag da ein «träger» Apparat wie eine OST mithalten?
Der zunehmende Wettbewerb unter den Hochschulen fördert unsere Agilität. Seit der Fusion zur OST nutzen wir die Kompetenzen der drei Standorte noch stärker und entwickelten uns stark weiter. Inhaltlich und fachlich müssen wir als Hochschule mit der Wirtschaft nicht nur mithalten können, sondern Entwicklungen auch antizipieren und vorausgehen. Unsere Absolventinnen und Absolventen müssen sich ja später in der Wirtschaft behaupten können.
Einmal Hochschule, immer Hochschule. Kann man das so sagen? Oder hätte Sie auch ein ganz anderer Bereich gereizt?
Das ist nicht mein Werdegang. Ich arbeitete mehrere Jahre in der Privatwirtschaft – etwa im Bankenwesen. Dabei lernte ich sehr viel, das mir heute an der Hochschule zugutekommt. Zudem fühle ich mich alles andere als im Elfenbeinturm: Ich engagiere mich genau an der Schnittstelle von Wirtschaft und Wissenschaft. Bei meiner täglichen Arbeit bin ich für viele spannende Unternehmen aus verschiedensten Branchen im Einsatz. Gleichzeitig im Bildungswesen tätig zu sein, gibt mir eine besondere Sinnstiftung und Motivation. Schön, dass ich mich also gar nicht zwischen Hochschule und Wirtschaft entscheiden muss.
Für Sie beginnt ein neuer Lebensabschnitt. Ende 2023: Wann bezeichnen Sie es als erfolgreiches Jahr?
Einerseits wollen wir unseren Studierenden – auch dank den Praxisprojekten – eine hochwertige Ausbildung ermöglichen. Diese befähigt sie, berufliche Ziele zu verfolgen. Andererseits wollen wir viele Fragestellungen von Unternehmen in der Region aufnehmen und sie mit unserer Expertise ein Stück vorwärtsbringen. Vom gelebten Wissenstransfer profitieren Unternehmen, Dozierende und Studierende.
Und wie fällt ihre Bilanz für das Jahr 2022 aus? Positiv, negativ, mittelmässig?
2022 war spannend, aber auch herausfordernd – aufgrund vieler Veränderungen. Dass dabei nun wieder engerer Kontakt mit Studierenden, Unternehmen und Kollegen möglich war, erlebte ich als sehr positiv. Die Jury des WTT Young Leader Awards – gestandene Führungskräfte aus der Praxis – sprachen von einem «ausgezeichneten Jahrgang» von Finalisten und Praxisprojekten. Darauf darf das WTT-Team auch ein bisschen stolz sein.
Welchen Eindruck haben Sie bisher von den jungen Studenten der OST erhalten? Werden diese beeinflusst von den negativen Meldungen der jüngsten Zeit. Hemmen sie?
Unsere Studierenden nehme ich als gut informiert wahr. Die aktuelle Lage führt vielleicht dazu, dass sie nicht allzu langfristige Pläne schmieden – zum Beispiel Auslandaufenthalte. Im Moment ist noch immer Flexibilität gefordert. Kurzfristige Opportunitäten können aber manchmal auch ihren Reiz haben.
Und wie sieht das bei Ihnen aus?
Viele der gehäuften negativen Meldungen hätten wir vor einiger Zeit noch kaum für möglich gehalten. Natürlich kann einen das beschäftigen, die Folgen sind kaum absehbar. Aber genau deshalb ist es auch wichtig, aufs «Hier und Heute» zu fokussieren, statt sich mit hypothetischen Fragen zu quälen.
Braucht es mehr Gelassenheit in der Gesellschaft?
Das wäre wünschenswert. Die letzten Jahre zeigten besonders: Angst und Panik sind schlechte Ratgeber. Zudem können wir nicht alles vorhersehen und beeinflussen.
Marcel Baumgartner (*1979) ist Chefredaktor von «Die Ostschweiz».
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