Die vorgesehene Abwicklung: Papierkorb. Notrecht: aber immer. Steuergeld: klar doch. Die vom Bundesrat verkündete «beste Lösung» – die UBS kauft die CS für ein Trinkgeld und wird vom Steuerzahler jeglicher Risiken enthoben – ist eine Schweinerei.
Die vom Bundesrat verkündete «beste Lösung» – die UBS kauft die CS für ein Trinkgeld und wird vom Steuerzahler jeglicher Risiken enthoben – ist eine Schweinerei. Ein Gemurkse. An dem die UBS im besten Fall einen zweistelligen Milliardenbetrag verdienen und der Steuerzahler im schlechtesten Fall einen solchen verlieren wird.
Wenn die Landesregierung schon bei der Abwicklung der zweitgrössten Bank der Schweiz dermassen versagt, wie wird das wohl, wenn die aufgeblähte UBS wieder in Schieflage geraten sollte?
Aber viel schlimmer ist: hier findet ein rechtsstaatliches Gemurkse statt, dass man die Schweiz auch gleich Bananenrepublik nennen könnte.
Als Appetithäppchen was die Credit Suisse auf ihre noch existierende Webseite geklatscht hat:
«On Sunday, Credit Suisse has been informed by FINMA that FINMA has determined that Credit Suisse’s Additional Tier 1 Capital (deriving from the issuance of Tier 1 Capital Notes) in the aggregate nominal amount of approximately CHF 16 billion will be written off to zero.
In consideration of the unique circumstances affecting the Swiss economy as a whole, the Swiss Federal Council is issuing an emergency ordinance (Notverordnung) tailored to this particular transaction. Most importantly, the merger will be implemented without the otherwise necessary approval of the shareholders of UBS and Credit Suisse to enhance deal certainty.»
Man höre und staune: die Bankenaufsicht FINMA, nachdem sie monatelang die Hände in den Schoss gelegt hatte und selbst absurde Aussagen des CS-VR-Präsidenten Lehmann durchwinkte, dass der Kapitalabfluss gestoppt, gar rückgängig gemacht werden konnte, verkündet plötzlich, dass das zusätzliche Tier 1 Kapital der Bank von nominal 16 Milliarden Franken auf Null abgeschrieben wird.
Warum? Darum. Aber damit nicht genug. Es herrschen mal wieder «einmalige Umstände», also die völlig überraschende und unvorhersehbare Situation, dass die CS in ernsthaften Schwierigkeiten steckt. Weil das weder der Bundesrat, noch die SNB, noch die FINMA bis am Sonntag auch nur ahnen konnten, wird wieder einmal Notrecht angewendet.
Denn eigentlich wäre es rechtsstaatlich obligatorisch, dass sowohl die Aktionäre der CS wie auch diejenigen der UBS ihre Zustimmung dazu geben müssten, dass eine CS-Aktie nicht mehr 2 Franken oder 1.80 wert ist, sondern plötzlich nur noch 75 Rappen. So viel bietet nämlich die UBS. Was dazu wohl die saudi-arabische Bank sagen wird, die erst vor Kurzem bei einem Kaufpreis von 4 Franken pro Aktie rund 10 Prozent der CS erwarb?
Saudi-Arabien gilt nun auch nicht gerade als Hort der Rechtsstaatlichkeit, vor allem der Umgang mit Dissidenten (und Frauen) lässt doch einiges zu wünschen übrig. Aber einen Grossaktionär mal kurz per Notverordnung weitgehend enteignen und ihm sogar das Recht zu nehmen, dagegen zu protestieren – ungeheuerlich. Es wäre nicht verwunderlich, wenn Saudi-Arabien auf Staatshaftung klagen würde.
Aber das ist nicht alles. Der CS-Aktionär wird zugunsten eines Dritten (UBS) enteignet, dieser Dritte hat den Kaufpreis (75 Rappen) festgesetzt, zugleich wird der Verlust der UBS auf 5 Mia. CHF begrenzt.
Man rechne: 3 Mia. «Kaufpreis» plus 5 Mia. max. Verlust ist 8 Mia., gleich die Börsenkapitalisierung der CS bis Freitagabend. Wenn jetzt aber diese 5 Mia. Verlust nicht eintreten, ist der CS-Aktionär nicht an diesem «Mehrwert» mehr beteiligt, weil er zu 0.75 CHF/Aktie inzwischen zum UBS-Aktionär wurde.
Aber das ist nicht alles. Die SNB legt auf die bereits zugesagte (und bis zu einem unbekannten Ausmass beanspruchte) Kreditlimite von 50 Milliarden für die CS noch weitere 100 Milliarden für die UBS obendrauf. Dafür garantiert dann in letzter Instanz der Bund, also der Steuerzahler. Der stellt ebenfalls ungefragt weitere 9 Milliarden ins Feuer, falls die UBS weitere Leichen in den tiefen Kellern der CS entdecken sollte.
Allfällige Haftung oder Verantwortlichkeiten der Oberpfeifen an oberster Stelle bei der CS, die diese einstmals stolze Bank ins Verderben missmanagten: keine Rede davon. Wenigstens teilweise Rückzahlung der Milliardenboni, die diese Versager in den 14 Jahren seit der Finanzkrise eins vom Jahr 2008 kassierten? Kein Wort dazu.
Was soll mit den vielen tausend Angestellten der CS in der Schweiz passieren? Mit dem 50-jährigen Anlageberater, der 55-jährigen Sachbearbeiterin? Kümmert Bundesrat, SNB, FINMA, den Bundesrat und die beteiligten Bankenlenker einen feuchten Dreck.
Flankiert von diesen viel zu spät aus ihrem Tiefschlaf erwachten Chefs verkündet ein angeschlagener Bundespräsident, völlig frei von Sachkenntnis, und eine frischgebackene Finanzministerin, ausgebildete Dolmetscherin und völlig frei von Sachkenntnis, ein Gemurkse, das in der Schweizer Wirtschaftsgeschichte seinesgleichen sucht.
Mit Entscheidungen, die rechtsstaatlich völlig unmöglich sind, gegen die Eigentumsgarantie, das Aktienrecht und einen ganzen Strauss weiterer Gesetze verstossen. Und das alles soll schon wieder per Notrecht geregelt werden?
Die ganze grossartige «Too big to fail»-Gesetzgebung, die mit grossem Trara verabschiedet wurde und genau das verhindern sollte, was jetzt geschieht, wird einfach in den Papierkorb geschmissen? Wurde nicht behauptet, in einem Krisenfall, der sowieso dank viel strengerer Kapitalvorschriften eigentlich nicht mehr eintreten könne, gäbe es getestete und für gut befundene Prozeduren mit Manuals, die eine Abspaltung und Abwicklung fauler Teile einer systemrelevanten Bank ermöglichen würden? Während die gesunden Teile überlebten, dabei Dienstleistungen wie Zahlungsverkehr und Kreditabwicklung problemlos weiterlaufen würden?
Wenn der Buchwert der CS noch um einiges höher ist als der Börsenwert, wieso wurde dann der UBS erlaubt, einen so lächerlich niedrigen Kaufpreis zu bezahlen? Rund ein Drittel des Börsenwerts; das ist ja ein Witz, aber ein schlechter. Zusätzlich versüsst mit der Garantie, dass der Steuerzahler dann übernehme, sollten Altlasten aufpoppen?
Damit das Gemurkse überhaupt stattfinden kann, werden die CS-Aktionäre und Stakeholder schlichtweg enteignet – und gleichzeitig jeder Möglichkeit zur Gegenwehr beraubt. Der überforderte Bundesrat tut das, was er niemals mehr tun wollte: er wendet Notrecht an. Die FINMA löst mit einem Federstrich ein Eigenkapital von 16 Milliarden in Luft auf. Die SNB, schwer gebeutelt von Milliardenverlusten, wirft happige 150 Milliarden Kreditlimite auf, aufgrund welcher Verordnung? Der Bundesrat lässt den Steuerzahler dafür grade stehen, plus 9 Milliarden im worst case für Altlasten.
Diejenigen, die das ganze Schlamassel verursacht haben, können sich mit gefüllten Taschen vom Acker machen. Die UBS wird sich höchstwahrscheinlich am Deal dumm und krumm verdienen, ohne dass der CS-Aktionär oder der Steuerzahler etwas davon hätte. Das alles ist schlimm.
Aber am schlimmsten ist diese Nonchalance, diese Wurstigkeit, mit der der Rechtsstaat ein weiteres Mal in die Tonne getreten wird. In der sich bislang erfüllenden Hoffnung, dass das doch niemand wirklich bemerkt. Der Schweiz fehlt zur Bananenrepublik nur noch eins: Bananen.
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