Hätte der Europäische Menschengerichtshof vor seinem Entscheid nur ein wenig recherchiert, hätte ihm klar sein müssen: Er wird von den «Klimaseniorinnen» an der Nase herumgeführt.
Am 9. April rügte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) die Schweiz: Das Land verletzte die Menschenrechte, weil es zu wenig unternehme, um ältere Personen vor den Auswirkungen des Klimawandels zu schützen.
Damit hiess der EGMR eine Klage des Vereins KlimaSeniorinnen teilweise gut. Doch wer sind diese Klimaseniorinnen eigentlich?
Die Gruppe der Klimaseniorinnen ging aus der «GrossmütterRevolution» hervor. Wie es dazu kam, schildert die Co-Präsidentin der Klimaseniorinnen, Rosmarie Wydler-Wälti: «An der Frühlingstagung der GrossmütterRevolution 2016 in Schwarzenberg stellte Oliver Heimgartner von Greenpeace sein Anliegen vor […] Spontan entschlossen sich mehrere der Anwesenden zum Mitmachen.»
Zur Person von Oliver Heimgartner: Dieser amtiert seit 2020 als Co-Präsident der SP der Stadt Zürich. Mit eher mässigem Erfolg: Bei den Gemeinderatswahlen 2022 verlor die Partei sechs Sitze und er selber fiel vom 7. Listenplatz in die Endabrechnung noch um zwei weitere Ränge zurück.
Zu Besuch bei den Grossmüttern
Freudig wird man auf der Webseite des Vereins begrüsst: «Wir sind GrossmütterRevolution». Mindestens ebenso enthusiastisch preist die Migros diese ‹Revolutionärinnen› an: «Grossmütter der neuen Generation leisten einen wesentlichen Beitrag zum Gelingen der Generationenbeziehungen im Wandel der Gesellschaft. Damit tragen sie zur allgemeinen Lebensqualität bei und fördern den gesellschaftlichen Zusammenhalt.» Was ausgerechnet die Migros damit zu tun hat, dazu später.
Diese Selbstcharakterisierung der GrossmütterRevolution wirft natürlich sogleich Fragen auf: Was sind eigentlich «Grossmütter der neuen Generation» — und haben Grossmütter älterer Generationen etwa nichts Wesentliches zum Gelingen der Generationenbeziehungen geleistet?
Was es mit den «Grossmüttern der neuen Generation» auf sich hat, beantwortet möglicherweise nochmals Rosmarie Wydler-Wälti: Diese bezeichnet sich nämlich selbst als «Ökofeministin».
Männer unerwünscht
Ihr Mann darf ihr zwar «bei technischen Fragen am Computer» helfen. Aber sonst gilt die Devise: Bei der GrossmütterRevolution und den Klimaseniorinnen sind Männer unerwünscht.
Trotz Revolution im Namen und ziemlich radikal praktiziertem Feminismus kommt die GrossmütterRevolution überraschend handzahm daher. So schreibt der Verein in einem Rückblick auf die ersten zwölf Jahre seiner Existenz: «Zwölf Jahre ist es her, da hat das Migros-Kulturprozent, zusammen mit der Projektentwicklerin Anette Stade die GrossmütterRevolution initiiert und zum Laufen gebracht.»
Also keine Revolution, die sich an heiligem Zorn über unhaltbare Missstände spontan entzündet hätte, sondern initiiert und animiert von der Migros. Wer's nicht glaubt, dass die Migros tatsächlich ‹Revolutionen› im Angebot führt, den belehrt die Webseite des Vereins eines Besseren: «Anette Stade leitet im Auftrag des Migros-Kulturprozent die GrossmütterRevolution».
«Migros-Revolution»
Nicht nur gibt es ‹Revolutionen made by Migros›, nein, der Detailhändler stellt auch noch gleich die Revolutionsführerin. Ob sich Migros-Kunden wohl bewusst sind, welch sonderbare Machenschaften sie mit ihren Einkäufen mitfinanzieren?
Diese Revolution im Sandkasten erinnert tatsächlich eher an einen Kindergarten — nicht unpassend dazu auch der erlernte Beruf von Rosmarie Wydler-Wälti: Kindergärtnerin. Nicht die einzige übrigens bei der GrossmütterRevolution und den Klimaseniorinnen.
‹Revolutionsführerin› Anette Stade selber ist allerdings aus ziemlich hartem feministischen Holz geschnitzt: So amtierte sie auch als Präsidentin der Gleichstellungskommission Basel-Stadt.
«Gleichstellungsanfänger*in»
Diese bezeichnete bürgerliche Frauen auch schon als «Gleichstellungsanfänger*in» und dekretierte: «Wir tun uns schwer, Frauen aus bürgerlichen Parteien für Gleichstellungsthemen zu begeistern. Obwohl alle in der Pflicht wären.»
Man lernt: Einerseits sollen Frauen emanzipiert sein — und andererseits trotzdem brav nach der Pfeife tanzen. Nicht der Pfeife eines Mannes selbstverständlich, doch sobald die die Oberfeministin «Pflicht!» bellt, gilt dort: Auch eine bürgerliche Politikerin hat sich umgehend ins feministische Glied einzureihen.
Die Wege der Revolutionsführerin und der revolutionären Grossmütter trennten sich vor zwei Jahren: Während einige ihrer ehemaligen Schützlinge öffentlichkeitswirksam als Klimaseniorinnen Radau machen, fungiert dieselbe Anette Stade mittlerweile als «Tourmanagerin in der Schweiz und Reiseleiterin für schamanische Reisen» in die Mongolei.
Die einen klagen, die andere verkauft Flüge
Erst ein wenig Grossmütter-Revolution machen, dann schamanische Reisen organisieren: Beides eher esoterisch. Doch auch die Esoterik vermag die physikalischen Gesetze nicht vollständig auszuhebeln. Oder mit anderen Worten: Geflogen in die Mongolei wird nicht etwa mit fliegenden Teppichen, sondern ganz profan mit dem Flugzeug (obwohl es eigentlich auch eine Zugverbindung gäbe).
Und gemäss Webseite {https://www.jangar-reisen.ch/über-uns}«zuständig für […] die Buchung der internationalen Flüge»: Anette Stade. Ausgerechnet! Wir erinnern uns gerne an den «Klimakleber» Max Voegtli und seine Flugreise nach Mexiko…
Doch nicht nur bei der Flugscham hapert es ganz offensichtlich in diesen Kreisen, auch bei der Klage vor dem Europäischen Menschengerichtshof wurde mit gezinkten Karten gespielt.
Organisiert von Greenpeace
Der Prozess vor dem Menschengerichtshof war letztlich orchestriert und organisiert von Greenpeace: Die Grossmütter — pardon: Klimaseniorinnen — waren nur Staffage und mehr oder weniger willige Instrumente in der Hand von Greenpeace. Ziel der Umweltorganisation: Politik machen unter Zuhilfenahme juristischer Institutionen.
Wie Greenpeace die Klimaseniorinnen rekrutiert hat, beschrieb die Co-Präsidentin der Klimaseniorinnen ja gleich selbst. Und ebenso, dass es kaum die vorgeschobene Angst vor dem Hitzetod ist, welche ihr Handeln motiviert.
Frei von der Leber weg erzählt sie, wie sie sich schon immer für Umweltschutz engagierte, «in den 70er-Jahren an der Demo gegen das AKW Kaiseraugst dabei» war und «seit Beginn an den Ostermärschen teilgenommen» habe. Sie engagiere sich für «eine gesunde Ernährung» und «besonders geprägt» haben sie «die Folgen der Nuklearkatastrophe von Tschernobyl». Also ganz viel Anti-Atom und wenig Klimaangst.
Eine Agenda aus der Mottenkiste
Geht's dann doch einmal um den Klimawandel, dann würde «vor allem auch unsere Enkelgeneration» profitieren — und Menschen in armen Ländern (bloss nicht hitzegeplagte Seniorinnen hierzulande): «Wenn wir von Klimagerechtigkeit sprechen, stehen natürlich an erster Stelle die ärmeren Länder […] 5 voneinander unabhängigen Studien zufolge werden in 20 Jahren über 200 Millionen Klimaflüchtlinge unterwegs sein. Und falls einige die Schweiz überhaupt je erreichen, werden sie als Wirtschaftsflüchtlinge abgewiesen, weil sie ja nicht von Gewalt bedroht sind.»
Wir haben also: Ein paar ‹revolutionäre Grossmütter›, welche in Strassburg auf dem Buckel der Bevölkerung ‹Revolution› spielen und ihre 1968er Agenda aus der Mottenkiste umsetzen wollen, einen relativ erfolglosen (und damit demokratisch kaum legitimierten) Zürcher Lokalpolitiker, der dem ganzen Land seiner Weltsicht aufzwingen will, eine NGO, welche sich keinen Deut um demokratische Prozesse schert — und einen grossen Detailhändler, der aus unerfindlichen Gründen dabei mithalf, das Ganze in Bewegung zu setzen.
Oder mit anderen Worten: Ein Kabinett des Grauens und der Verantwortungslosigkeit. Doch damit nicht genug. Wer glaubt, dass der Sturm bald vorüber ist, hat die Rechnung ohne die Wirtinnen gemacht. So droht uns Rosmarie Wydler-Wälti resolut an: «Wir bleiben und kontrollieren, bis die Agenda umgesetzt ist.» Das Matriarchat setzt die Ökodiktatur durch, demokratische Prozesse sind dabei irrelevant. So definieren diese «Grossmütter einer neuen Generation» offensichtlich den «gesellschaftlichen Zusammenhalt».
Thomas Baumann ist freier Autor und Ökonom. Als ehemaliger Bundesstatistiker ist er (nicht nur) bei Zahlen ziemlich pingelig.
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