Dass Infektiologe Pietro Vernazza nicht als Nationalratskandidat nominiert worden ist, sorgt für ein ordentliches Theater mit mehreren Akten. Teilweise widersprechen sich die einzelnen Akteure.
Anfang Mai wurden die 12 Kandidatinnen und Kandidaten der St.Galler Grünliberalen für die Nationalratswahl öffentlich kommuniziert. Die Partei selber sprach von «mutigen Persönlichkeiten mit Lösungskompetenz.»
Auf der Liste fehlten zwei prominente Namen.
Einerseits jener von GLP-Nationalrat Thomas Brunner. Er informierte die Parteileitung noch vor der Nominationsversammlung, dass er für eine weitere Legislatur nicht mehr zur Wahl steht.
Würde er damit also den Weg freimachen für jenen Mann, der vor vier Jahren vom zweitletzten Listenplatz aus das zweitbeste Resultat erzielte? Nein. Denn auch Pietro Vernazzas Name fand man nicht unter den 12 Kandidaturen.
Vernazza erklärte den Umstand gegenüber den Medien wie folgt: «Meine Covid-Äusserungen passten der Mehrheit des Parteivorstands nicht.»
Doch damit sollte die Sache noch nicht abgeschlossen sein. Es folgte der Auftritt von Vernazzas Parteikollegin und alt Nationalrätin Margrit Kessler. Mit dem Argument eines «gemachten Formfehlers» schaffte sie es, eine ausserordentliche Mitgliederversammlung Ende Juni zu erzwingen, an der erneut über eine Nomination von Pietro Vernazza abgestimmt werden sollte.
GLP-Präsident Ramon Waser erklärte gegenüber dem «Tagblatt», man habe mit Vernazza vor dem Versand der Versammlungseinladung gesprochen. Vernazza hingegen sagt, dass das nicht der Fall gewesen sei. Er sei nicht angefragt worden, ob er überhaupt noch zur Verfügung stehen würde.
Der Infektiologe wirft der GLP-Führung vor, chaotisch organisiert zu sein und zieht entsprechende Konsequenzen: Er tritt aus der Partei aus.
Wie die NZZ am Freitag berichtete, dürfte das aber noch nicht der Schlussakt gewesen sein. Vernazza ist mit verschiedenen anderen Parteien im Gespräch – unter anderem auch mit der «Mitte». Deren Parteipräsidentin Franziska Steiner-Kaufmann bestätigte dies gegenüber dem «Tagblatt». Man werde nächste Woche kommunizieren, wie die Gespräche verlaufen seien.
Ein Mann, der weder auf politische Ämter noch auf eine Kandidatur verweisen kann, schafft es also, mächtig Bewegung in die Parteilandschaft zu bringen. Die GLP hat es verpasst, eine bekannte Person auf die Liste zu setzen, die für ordentlich Stimmen gesorgt hätte. Ob nun letztlich Vernazza und die «Mitte» als Profiteure hervorgehen, wird sich in den nächsten Wochen und Monaten zeigen.
Marcel Baumgartner (*1979) ist Chefredaktor von «Die Ostschweiz».
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