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Leere Innenstädte

Lädelisterben: «Onlinehandel und Parkplätze sind gar nicht das Problem»

Muss man den Läden in den Innenstädten staatlich unter die Arme greifen, damit sie nicht sterben? Braucht es mehr Parkplätze: Ein Experte sieht das als falschen Ansatz. Stattdessen müsse man die öffentlichen Plätze attraktiver machen.

Stefan Millius am 05. Oktober 2018

Mit Hochdruck arbeiten in der Stadt St.Gallen verschiedene Interessengruppen und Foren daran, die Innenstadt attraktiver zu machen. Sie leidet unter einem Schwund an Läden - und in der Konsequenz irgendwann an einer Verödung.

Von links kommt die Idee von staatlichen Eingriffen. Liegenschaftenbesitzer sollen mit einer Art Strafsteuer gezwungen werden, ihre leerstehenden Flächen zu vermieten, auch wenn sie nicht den erhofften Mietpreis erzielen. So will man dafür sorgen, dass Verkaufsflächen wieder besetzt werden. Andere wiederum machen vor allem den Onlinehandel verantwortlich für das «Lädelisterben».

Das sei der falsche Weg, sagt Andreas von Euw, Geschäftsführer von Burri public elements, einem Unternehmen, das sich auf die Ausstattung öffentlicher Räume spezialisiert hat. Statt den Onlinehandel zu verteufeln und staatliche Eingriffe vorzunehmen, sollen Städte laut ihm möglichst in attraktive öffentliche Räume investieren.

Dass der Onlinehandel einen Beitrag zur Verwaisung von Innenstädten leistet, stellt von Euw nicht in Frage. Viele Gewerbeflächen würden sich aufgrund der Digitalisierung nicht mehr vermieten lassen. Eine Studie der Credit Suisse zeigt, dass die Zahl der leeren Verkaufsflächen so hoch ist wie seit Ende der 90er-Jahre nicht mehr. Die Konsequenz: Das Publikum bleibt aus, und auch umliegende Gastronomiebetriebe leiden darunter.

Die Frage ist aber, wie man darauf reagiert. Statt staatlicher Eingriffe schlägt Andreas von Euw aber vor, «so viel Geld wie möglich» für die Gestaltung von attraktiven öffentliche Räumen auszugeben. «Es ist Unsinn, dass Innenstädte nur dann belebt sind, wenn es möglichst viele Geschäfte gibt», sagt er. Einkaufen sei nicht der einzige Grund für einen Aufenthalt in einer Innenstadt. «Eine Innenstadt, die nur aus einer Aneinanderreihung von Geschäften besteht, ist gemäss den Unternehmern nicht attraktiv. «

Entscheidend seien vielmehr attraktiv gestaltete und einladend möblierte öffentliche Plätze und Treffpunkte sowie nach Möglichkeit ein Mix aus Dienstleistungsbetrieben, Gastrounternehmen oder Boutiquen mit Showrooms für die spätere Internetbestellung.

Von Euw ist überzeugt: «Sind die Mieten für Ladenflächen nicht rentabel für Betreiber und ziehen Käufer Onlinebestellungen vor, nützen alle Förderungsmassnahmen und Vorschriften nichts.» Die traditionelle Einkaufsmeile habe wohl ihren Zenit tatsächlich etwas überschritten. Es sei an der Zeit, den Raum vor den Geschäften im Fokus zu haben. Daher dürfe man nicht nur der Parkplatzfrage und dem Mietpreis nachgehen.

«Die Politik sollte sich nicht davor fürchten, dass Läden wegen des Wandels im Konsumverhalten wegsterben und darauf mit möglichst vielen, gutgemeint-kreativen Eingriffen in den Markt reagieren, um Gegensteuer zu geben», sagt Andreas von Euw. Nicht möglichst viele Parkplätze retteten die weniger wandlungsfähigen Ladenbetreiber, sondern, wenn schon, möglichst viel Laufkundschaft. Anstelle von Lenkungsabgaben und anderen politischen Massnahmen sollte die Politik gemäss dem Unternehmen möglichst viel Sorgfalt, Zeit und Geld darin investieren, öffentliche Räume in lebenswerte Orte für möglichst viele Menschen zu verwandeln.

Andreas von Euw

Andreas von Euw, Geschäftsführer der Burri public elements AG.

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Autor/in
Stefan Millius

Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.

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