Glückliche Schweine auf einem riesigen Feld, die den ganzen Tag wühlen und umherspringen können – so hält die Familie Gisler ihre Tiere in Tägerwilen. Die Behörden finden aber auch hier Grund zur Beanstandung.
Eine miefige Stallanlage oder den ganzen Tag frische Luft? Über das Feld galoppieren oder auf befestigtem Boden ausharren? Im Boden wühlen oder den harten Beton spüren? Für welchen Lebensort würde sich wohl ein Mastschwein entscheiden, wenn es denn die Wahl hätte? Die Antwort dürfte wohl auf der Hand liegen. Und doch sieht die Realität in der Schweiz leider teilweise immer noch anders aus. Es gibt häufig geschlossene Ställe, bei denen die Tiere ihr ganzes Leben lang keine frische Luft bekommen. Die Böden sind überall befestigt und verunmöglichen damit das für Schweine so typische Wühlen und Umgraben der Erde.
Die Familie Gisler in Tägerwilen hat bewusst einen ganz anderen Weg gewählt. Ihre Mastschweine verbringen Tag und Nacht draussen, auf einer 2 Hektar grossen Weide. Der Boden sieht aus, wie ihn Schweine eben hinterlassen, wenn sie nach Nahrung suchen, ihre Nase in den Dreck stecken – kurzum: sich sauwohl fühlen. «Für uns ist es jeden Tag einfach schön, mitansehen zu können, wie sie sich bewegen und zufrieden sind», fasst es Nikolaus Gisler zusammen.
Zelte passen nicht ins Bild
Seine Tiere verbringen 100 Tage bei ihm, bevor sie geschlachtet werden. Ein kurzes Leben zwar, welche sie aber immerhin glücklich verbringen: an der frischen Luft, im Sommer und auch im Winter, zusammen mit ihren Artgenossen. In einem 90-Quadratmeter grossen Zelt gibt es fliessend Wasser, einen Futterautomaten, und hier finden die etwa 80 Schweine Schutz vor Witterungseinflüssen. Genau dieses Zelt sorgte jedoch für einen Rechtsstreit. Der Kanton Thurgau erteilte nämlich dafür keine Bewilligung, weil die grünen Rundbogenzelte nicht mehr zugelassen seien. Sie würden mit der reflektierenden grünen Schutzhülle nicht in das Landschaftsbild passen, so die Begründung. Auch die Grösse und die Form wurde beanstandet.
Bei der Familie Gisler sorgte das Vorgehen für Kopfschütteln. «Da schreit jeder nach verstärktem Tierwohl und dann werden einem solche Steine in den Weg gelegt», so Gisler. Doch der Landwirt zeigte sich kämpferisch und nahm sich einen Anwalt. Sich deshalb von der Freilandhaltung abbringen zu lassen, kam für ihn nicht in Frage. Schnell stellte sich jedoch heraus: Das war kein einfaches Unterfangen, im Gegenteil: Bei Bauten ausserhalb der Bauzone hat das Amt für Raumplanung das letzte Wort und kann auch mit fadenscheinigen Begründungen ablehnen. Nach einem rechtlichen Hick-Hack kam ihm zum Glück die Petition von Patrick Siegenthaler zu Hilfe, welche sich für die Freilandhaltung von Schweinen einsetzte. «Innert kürzester Zeit waren die nötigen Unterschriften zusammen. Diese Art von Schweinehaltung wird von vielen als positiv empfunden, und die Menschen verstanden nicht, weshalb es dafür keine Bewilligung geben sollte.» In der Folge sagte der Regierungsrat der Haltung zu, knüpfte diese jedoch an gewisse Auflagen. Über die grünen Zelte muss nun ein schwarzes Netz gespannt werden, damit es in das «Landschaftsbild passt». Verstehen kann es der Landwirt zwar immer noch nicht. Bezahlen musste er den rechtlichen «Spass» aber trotzdem. «Es hat uns einen Haufen Geld gekostet», sagt Gisler. «Wir schauen aber nach vorne und sind froh, dass wir mit der Freilandhaltung starten konnten.
Glückliche Schweine – gutes Fleisch
Nach wie vor sei er von der Freilandhaltung überzeugt. Auch wenn sie viel Arbeit mit sich ziehen würde. «Der Aufwand ist grösser, als das bei der traditionellen Schweinemast der Fall ist», fasst er es zusammen. Das ganze Land müsse eingezäunt, die Tiere auf dem Feld gewogen und der Unterstand aufgestellt werden. Weil die Haltung arbeitsintensiv sei, erhält die Familie jedoch auch einen Franken mehr pro Kilogramm Fleisch. Abnehmer dafür gibt es viele – seien es die umliegenden Metzgereien, Einkaufsläden – und manchmal seien die Kunden bis in die Innerschweiz verstreut. «Es hat sich herumgesprochen, dass sich die Schweine hier austoben können. Und nicht zuletzt merkt man das auch bei der Qualität des Fleisches.»
Richtige Entscheidung
Seine Faszination für Schweine zeigte sich schon in seiner Kindheit. In der Innerschweiz aufgewachsen, unternahm er bereits als kleiner Bub mehrstündige Wanderungen auf die Alp mit den Tieren. Als er schliesslich in die Ostschweiz zog und den Hof in Tägerwilen als Verwalter übernahm, waren die Schweineställe veraltet und nicht mehr brauchbar. Als er schliesslich über das «Linus Silvestri Freilandschwein» stolperte, war es beschlossene Sache, dass auch er die Freilandhaltung ausprobieren wollte. Bereut hat er diesen Entscheid nie, auch wenn es einige Nerven gekostet habe. «Die Nachfrage ist da – und auch, wenn ich die Tiere beobachte, wie sie auf dem Feld umherrennen und die frische Luft geniessen, weiss ich, dass es richtig ist.»
Dennoch ruft die Freilandhaltung auch Neider auf den Plan. Beispielsweise steht der Vorwurf im Raum, dass die Hygiene nicht eingehalten werde. Auf dem freien Feld ist die Situation natürlich eine andere, als es bei einem geschlossenen Scheinemastbetrieb der Fall ist. «Wir halten jedoch jede Auflage ein, und wir werden streng kontrolliert», sagt Gisler. Krankheiten könnten den Freilandschweinen jedoch das Leben künftig wirklich schwer machen. Erreicht die afrikanische Schweinepest nämlich die Schweiz, dürfte es mit der Freilandhaltung vorbei sein. Bis dahin jedoch geniessen die Tiere ihr «freies» Leben und stecken ihre Nase in das, was sie etwas angeht: Erde und Gras.
Manuela Bruhin (*1984) ist Redaktorin von «Die Ostschweiz».
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