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Hermann Lei

Liebling der Linken

Bankräuber Walter Stürm war in den Achtzigerjahren der Held der Linken und der Jugendbewegung. Das Leben des Berufskriminellen wird nun verfilmt. Zeit für eine Rückblende.

Hermann Lei am 03. Juni 2019

Mit einem Sägeblatt durchtrennt Walter Stürm, der bekannteste Gefangene der Schweiz, in einer Nacht zu Ostern 1981 die Gitterstäbe seines Zellenfensters im Hochsicherheitstrakt Regensdorf und flieht, einmal mehr. Zwischen 1974 und 1995 türmt Stürm acht Mal. Mit der hinterlassenen Nachricht «Bin beim Ostereiersuchen, Stürm.» macht er die Justiz zum Gespött - die halbe Nation lacht über das Husarenstück des als «Ausbrecherkönig» und «Gentleman-Gangster» bekannten Mannes.

Klauen für Sportwagen

Stürm ist 1942 in Goldach am Bodensee zur Welt gekommen. Bereits mit 16 Jahren macht er Bekanntschaft mit der Justiz. Er wird wegen «versuchter Nötigung zu einer unzüchtigen Handlung» verurteilt und fliegt von der Schule.

Um sich einen Lotus-Sportwagen leisten zu können, stiehlt er in Frankreich Ferraris und Jaguars. Nach mehreren kleinen Strafen, wird er vom Bezirksgericht St. Gallen 1964 wegen gewerbsmässigen, fortgesetzten sowie einfachen Diebstahls, Betrugs und Urkundenfälschung zu einer unbedingten Gefängnisstrafe von drei Jahren verurteilt.

Leben zwischen Festnahme und Flucht

Stürm gelingt immer die Flucht, dann stiehlt er weiter. Stürm agiert raffiniert, er fälscht Pässe, Führerscheine und Fahrzeugausweise, ändert chamäleonartig sein Aussehen, seine Identitäten und seine Autos. Er taucht auch im Ausland unter. Er steigt mit seinen Komplizen in Geschäfte und Häuser ein, wechselt als erstes das Schloss aus und deckt mit schwarzer Folie die Fenster ab, damit sie nicht überrascht werden können, dann schweissen sie die Tresore auf.

Hat er genug gestohlen, so verbringt er seine Freizeit auf der Insel La Gomera. Seine Taktiken sind abwechslungsreich, mal schweisst er sich in der Gefängniswerkstatt eine zusammensteckbare Leiter oder entwischt aus dem Universitätsspital, wo er zur Physiotherapie gebracht wurde, obwohl er sein «Ehrenwort» gegeben hatte, nicht mehr zu fliehen.

Heroisierung von links

1970 sitzt Stürm in strikter Einzelhaft. Er wird damit zu einer Symbolfigur der Neuen Linken und der bewegten Jugend. Trotz all seiner Ausbrüche und Straftaten gilt er nur als humorvoll-harmloser Kleinkrimineller, der gerne dem System ein Schnippchen schlägt. Als im Sommer 1980 linke Persönlichkeiten aus Politik und Kultur sich mit Inseraten gegen die «Isolation in den Hochsicherheitsgefängnissen» und für einen «Haftunterbruch» einsetzen ist die Spitze von Stürms Heroisierung erreicht.

Der Filmemacher Markus Imhof, die SP-Nationalrätin Liliane Uchtenhagen oder der Schriftsteller Niklaus Meienberg agieren für ihn, sekundiert von der WOZ. Die Anhänger Stürms sehen die Flucht als «legitimes Kampfmittel». Sein Anwalt, Bernard «Der rote Beni» Rambert, ein überzeugter Linker, wird bis heute verdächtigt, Stürm bei einer Flucht geholfen zu haben.

«Todesstrafe auf Raten»

Aus Protest gegen seine jahrelange Isolationshaft, die er «Todesstrafe auf Raten» nennt, begibt er sich in einen Hungerstreik. Er schreibt Hunderte von Beschwerden und Rekursen und zieht bis vor Bundesgericht. Einmal gewinnt er sogar vor dem EGMR.

1998 aber ist es ruhig geworden um den Ausbrecherkönig, er wird aus dem Gefängnis entlassen. Bald trifft er auf Hugo Portmann, einen anderen Verbrecher, und zusammen begehen sie schon ein halbes Jahr später einen Banküberfall und eine Geiselnahme im Thurgau. Stürm wird erwischt und kommt ins damals sehr moderne und als ausbruchsicher geltende Gefängnis Frauenfeld. Das bricht Stürm. Am 13. September 1999 begeht er in der Strafanstalt Suizid, diesmal erfolgreich.

Taugt Stürm als Filmheld?

Stürm war auf seinen Raubzügen meist bewaffnet und ging eiskalt und skrupellos vor. So nahm der Held der Linken bei seiner letzten Straftat eine junge Mutter und ihre kleinen Kinder als Geiseln, fesselte diese und lauerte mit der total verängstigten Familien auf den Familienvater. Diesen wollte er ebenfalls als Geisel nehmen und mit ihm den Einbruch in die Bank erzwingen.

Dieser Mann also war der Held der Linken. Wir sind gespannt, ob im von der Eidgenossenschaft unterstützten Film dieses dunkle Kapitel linker Verbrecherheroisierung berücksichtigt wird.

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Autor/in
Hermann Lei

Hermann Lei (*1972) ist Anwalt und Thurgauer SVP-Kantonsrat.

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