Brillen und Kontaktlinsen sollen von der Krankenkasse bezahlt werden. Dies fordert eine links-grüne Allianz. Ein kurzsichtiger Vorstoss — im wahrsten Sinn des Wortes.
Eine entsprechende Motion wurde vor etwas mehr als einem Jahr von der grünen Nationalrätin Katharina Prelicz-Huber eingereicht und, wie das Pendlerblatt «20 Minuten» schreibt, «auch von vielen SP-Promis unterzeichnet».
Schon der Titel zeugt von Wortwitz: «Für mehr Weitsicht in der obligatorischen Krankenversicherung». Darauf lässt sich nur entgegnen: Auch Weitsichtigkeit ist eine Form von Fehlsichtigkeit.
Die Motionärin selbst begründet ihren Vorstoss folgermassen: «Laut dem Optiker*innen-Branchenverband Optikschweiz tragen in der Schweiz rund vier von fünf Personen eine Sehhilfe.»
Über das Gendersternchen wollen wir — egal ob kurz- oder weitsichtig — für einmal hinwegsehen. Einer der wenigen Vorteile von Fehlsichtigkeit. Doch was sagen offizielle statistische Daten zu dieser Zahl?
Falsche Zahlen
Das Bundesamt für Statistik (BFS), welche alle fünf Jahre die schweizerische Gesundheitsbefragung durchführt, schreibt: «Der Anteil der Personen, die eine Brille oder Kontaktlinsen tragen, ist von 59% im Jahr 1992 auf 68% im Jahr 2022 gestiegen. Diese Zunahme ist teilweise auf einen Anstieg der Kurzsichtigkeit in den letzten dreissig Jahren zurückzuführen (von 32% auf 43%).»
Nur zwei von fünf Personen sind somit kurzsichtig — und auch die Fehlsichtigkeit allgemein beträgt zwei Drittel und nicht achtzig Prozent. Stichprobenumfang Optikschweiz: 1002 Personen. Stichprobenumfang BFS: 21930 Interviews. Welche Zahl zuverlässiger ist, dürfte nicht schwer zu erraten sein.
Eindrücklich auch, wie Katharina Prelicz-Huber das unermessliche Leid fehlsichtiger Personen schildert: «Menschen, die unter Kurz- oder Weitsichtigkeit leiden, sind ohne Sehhilfe stark beeinträchtigt. Der Alltag lässt sich nur schwer bewältigen. Durch die Abwesenheit einer Sehhilfe können unter anderem Symptome wie Kopf- und Nackenschmerzen, Schwindel oder Augenbrennen auftreten.»
Wer noch nicht unter einer verschwommenen Sicht infolge Fehlsichtigkeit leidet, tut es garantiert nach dem Lesen dieser Zeilen: wegen Tränen in den Augen. Fehlt nur noch, dass das linksgrüne Lager Eingliederungsmassnahmen für kurz- und weitsichtige Menschen fordert.
Brillen beim Luxusoptiker
Doch was tun? Frau Prelicz-Huber, Professorin für soziale Arbeit, weiss Rat: «Diese Symptome können mit einer Sehhilfe wie Brillen oder Kontaktlinsen wirkungsvoll verhindert werden.» Bloss hat dies einen Haken: «Diese Hilfsmittel [sind] teuer und bedürfen einer finanziellen Reserve.»
Konkret in Zahlen: «Eine Brille kostet schnell einmal 1000 Franken — für Haushalte mit unter 5000 Franken Bruttoeinkommen, die oft keinen Rappen ansparen können, ein nicht zu bewältigender Betrag.» Meint sie damit auch Single-Haushalte?
Bürgerlichen Politikern wird von links gerne vorgeworfen, sie seien privilegiert und kennen die Sorgen der einfachen Bevölkerung nicht. In diesem Fall fragt sich jedoch: Kauft sich die grüne Politikerin ihre Brille beim Luxus-Optiker?
Oder hat sie tatsächlich noch nie von Discount-Optikern gehört, die hierzulande wie Pilze aus dem Boden schiessen, angefangen bei einem bekannten deutschen Brillen-Discounter?
Eine Brille vom Discounter tut's auch
Heutzutage kann man beim Discounter für unter zweihundert Franken eine Brille erstehen, wenn man nicht gerade unter sehr starker Fehlsichtigkeit leidet. Lesebrillen gibt es gar im Supermarkt zu kaufen. Diese sind so billig, dass sie deren Besitzer manchmal einfach im öffentlichen Raum liegen lassen. Soviel zu dem von der Motionärin heraufbeschworenen «Armutsrisiko» durch Sehhilfen.
Dass Brillen so billig sind, hat genau damit zu tun, dass die meisten Menschen dafür nicht zu viel Geld ausgeben wollen. Gut, vielleicht würden sich auch arme Menschen gerne eine Designerbrille kaufen, aber als Mittel gegen «Kopf- und Nackenschmerzen» taugt mit Sicherheit auch eine Brille vom Discounter.
Wer profitiert von diesem Vorstoss? Einerseits ist es einmal mehr das von der linken Politik umworbene Lumpenproletariat, welches es sich in der sozialen Hängematte bequem gemacht hat. Dort hat man meistens nur die Minimalfranchise zu berappen (wenn diese nicht gleich auch noch vom Staat mit übernommen wird) — da kostet eine Brille netto Null.
Falls sich jemand am Begriff «Lumpenproletariat» stören sollte: Der Begriff ist von Karl Marx persönlich und somit alleweil politisch korrekt.
Geldsegen für Optikergeschäfte
Die anderen, welche sich die Hände reiben, sind natürlich die Optikergeschäfte. Wenn der Staat die Brillen finanziert, brauchen auch Discountgeschäfte keine Discountpreise mehr zu offerieren, sondern können frohgemut die staatlich unterstützte Zahlungsbereitschaft abschöpfen.
Profitieren werden somit, linke Kurzsichtigkeit sei Dank, nicht bloss die kleinen Optikergeschäfte, sondern gerade auch die grossen, europaweit tätigen Optik-Discountketten.
Oder anders gesagt: Ein Land, welches eine solche Linke hat, braucht keine Wirtschaftsförderung mehr. Zahlen für diese Grosszügigkeit, man ahnt es, würde einmal mehr die Allgemeinheit.
Thomas Baumann ist freier Autor und Ökonom. Als ehemaliger Bundesstatistiker ist er (nicht nur) bei Zahlen ziemlich pingelig.
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