In der Stadt Landau in der deutschen Pfalz wird traditionell eine Weinprinzessin gekürt. Nun wurde das Bewerbungsverfahren erstmals für alle Geschlechter geöffnet. Sprich: Auch Männer können den Titel holen. Der heisst daher neu «Weinhoheit». Geht doch von der Zunge wie ein Pfälzer Weisswein.
Jedes Jahr im Oktober muss die Landauer Weinprinzessin abdanken und uns bürgerliche Leben zurückkehren. Zwölf Monate lang hat sie dann Weinfeste, Gästeempfänge, Messen und andere Veranstaltungen mit ihrer Präsenz beehrt – als Botschafterin für Wein aus der Region. Die Wahl ist jedes Mal ein Ereignis für die ganze Region.
Nina I., die amtierende Weinprinzessin, muss ihr Krönchen in einigen Monaten also weitergeben. Doch der Wettbewerb um ihre Nachfolge ist härter als je zuvor. Die Veranstalter haben sich nämlich entschieden, alle Geschlechter zur Wahl zuzulassen: Männlich, weiblich und – natürlich – divers. Das wars dann auch mit der «Weinprinzessin», neu heisst der Titel «Weinhoheit». Bewerben kann man sich ab sofort beim Büro für Tourismus in Landau.
Begründet wird der Schritt überaus nüchtern. Wer den Wein der Region repräsentieren wolle, müsse in erster Linie über Fachwissen und Charisma verfügen, das Geschlecht spiele keine Rolle. So gesehen müsste man sämtliche Miss-Wahlen umkrempeln. Denn dort werden ja Aussehen, Figur und (hüstel…) Allgemeinwissen geprüft, und das alles kann auch bei einem Mann durchaus positiv ausfallen.
Die Landauer sind allerdings nicht die Auslöser der Revolution. In Kesten an der Mosel holte sich bereits vor einigen Jahren ein Mann den Adelstitel. Statt mit bodenlangem Rüschchenkleid streifte er sich eine Toga über, schnappte sich einen Weinkelch und zog als «Bacchus» durch die Region.
Wenn das Schule macht, könnte selbst das höchste Amt, das der «deutschen Weinkönigin», neu gedacht werden. Sie wird aus den Reihen der «Bezirksweinkönige» gekrönt. Wird in einem Bezirk ein Mann gewählt, kann ihm die gesamtdeutsche Jury schlecht die Kandidatur verweigern, immerhin hat er sich ja damit qualifiziert.
Früher hiess es stets: Dort, wo Frauen derzeit noch Vorteile geniessen, sei es bei der Dienstpflicht oder dem AHV-Alter, dürfe man nicht schrauben, solange das weibliche Geschlecht an anderen Stellen benachteiligt werde. Nun prescht ausgerechnet die traditionsbehaftete Weinbranche vor und ebnet den Männern den Weg in eine einstige Frauendomäne.
Wie begeistert die Veranstalter von Weinmessen und Weinfesten begeistert sein werden, wenn statt Nina I. oder Waltraud V. plötzlich Martin I. oder Giovanni I. auftaucht, bleibt abzuwarten. Aber vermutlich wird die Neuerung ohnehin nicht sehr lange Bestand haben. Spätestens, wenn zum dritten Mal in Folge in Landau ein Prinz statt einer Prinzessin gewählt werden sollte, dürften Gleichstellungsbüros und feministische Kollektivs auf der Strasse darauf drängen, wieder zur alten Regelung zurückzukommen. Denn Chancengleichheit, wie sie nun herrscht, bedeutet ja noch lange nicht, dass nicht doch irgendwie Diskriminierung vorliegt.
Auszahlen wird sich das Ganze aber für die Weinproduzenten in der Pfalz sowieso. Denn wer hat zuvor schon jemals von Wein aus Landau gehört?
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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