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Die Maestrani Schokoladen AG beschäftigt an ihrem Hauptsitz in Flawil 150 Mitarbeitende und erzielt einen Jahresumsatz von zirka 60 Millionen Franken. CEO Christoph Birchler leitet das Unternehmen seit 2021 und spricht im Interview über Glück, Strategie und die Zukunft von Schokolade.
Christoph Birchler, letztes Jahr feierte Maestrani sein 170-jähriges Jubiläum. Wie geht es der «Glücksfabrik» von Munz und Minor?
Es geht uns blendend und wir fühlen uns überhaupt nicht alt. Aus der Tradition ziehen wir unsere Kraft. Seit ich vor drei Jahren CEO geworden bin, befinden wir uns konstant in irgendeiner Krise: Corona, Ukraine, Energie, Beschaffungskette. Momentan ist es die Rohstoffkrise: Kakao ist so teuer wie seit 50 Jahren nicht mehr. Doch wir haben gelernt, damit umzugehen und sind als Team operativ und strategisch gut aufgestellt.
Der Schokoladenkonsum könnte unter weltweit Druck geraten: Trendige Diätspritzen zügeln die Schoggilust von Menschen. Merken Sie etwas davon?
Ob diese Spritzen tatsächlich eine langfristige Auswirkung auf den Schoggikonsum haben werden, kann man heute noch nicht sagen. Wir stellen aber fest, dass die Diskussion um den Zucker gross ist. Ich sage immer: Schoggi ist ein ehrlicher Zucker. Schoggi ist ein Genussmittel, von dem alle wissen, dass es mit Zucker hergestellt wird. Ich denke, man wird in Zukunft Schoggi bewusster geniessen und den Konsum hin zu dunkler Schokolade mit weniger Zucker verlagern. Interessant ist ja, dass die Rezepturen mit reduziertem Zuckergehalt zwar da wären, sich aber noch nicht durchgesetzt haben.
Auf Ihrer Webseite steht, dass Nachhaltigkeit in der DNS von Maestrani fest verankert sei. Was meinen Sie damit?
Die Grundlage von Nachhaltigkeit ist das Verantwortungsgefühl: Als Familienunternehmen ist dies seit je her in unserer DNS verankert. Was früher «good citizenship» genannt wurde, haben wir in die Nachhaltigkeit überführt. Wir haben 1987 die erste Bio-Fairtrade-Schokolade in Europa auf den Markt gebracht, seit 2016 kaufen wir nur noch zertifizierten Kakao ein. Um unserer Pionierrolle weiter gerecht zu werden, haben wir für unsere Produkte den Zertifizierungsstandard erhöht und 2022 auf Fairtrade Max-Havelaar-Standard erhöht. Das geht auch ins Geld: Unsere gezahlte Prämie zu Gunsten der Kakaobauern ist nun mehr als dreimal so hoch.
Sie werben mit «Fair Taste», was heisst das genau?
Es ist in erster Linie eine charmante Wortkombination, die unseren Unternehmenszweck widerspiegelt. Erstens: Schoggi muss fein sein, Freude machen und den Genuss fördern. Damit ich das Produkt aber tatsächlich geniessen kann, muss es nachhaltig und gerecht sein. Genuss und Qualität – das Handwerk – stehen klar im Vordergrund und die Nachhaltigkeit muss folgen. Nur Nachhaltigkeit allein reicht nicht aus, damit der Konsument das Produkt kauft.
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Fairtrade, Nachhaltigkeit, Klimaschutz – alles sehr populäre Schlagworte. Wie stellen Sie sicher, dass Sie kein Greenwashing betreiben?
Das Wichtigste ist unser persönliches Engagement. Wir haben unseren Nachhaltigkeitsbericht selbst verfasst und in zertifizieren lassen; das heisst, wir lassen uns von aussen prüfen. Mit Max Havelaar haben wir einen Partner mit einem grossen Netzwerk und ein Akteur, der selbst vor Ort kontrolliert. Das ist derzeit das Maximum, das wir machen können. Wir scheuen keine kontroversen Diskussionen. Nachhaltigkeit ist eine Reise, die nie zu Ende geht.
Der Unternehmenszweck wurde wie folgt formuliert: «Wir teilen unser Glück und machen die Welt Stück für Stück nachhaltig glücklicher.» Wie machen Sie die Welt glücklicher?
Die Idee dahinter ist, dass wir, das, was wir machen, auf die gesamte Wertschöpfungskette ausdehnen und so Glück verbreiten. Als KMU in der Schokoladenbranche sind wir mit den Herausforderungen des globalen Nordens und des globalen Südens konfrontiert. Uns geht es nicht nur um Flawil oder die Schweiz, sondern um die ganze Welt.
Blicken wir nun etwas in die Zukunft: Mit welchen wirtschaftlichen Herausforderungen haben Sie zu kämpfen?
Der Rohstoffmarkt ist stark reguliert, wir befinden uns in abgeschotteten Märken. Der Zucker und die Milch müssen aus der Schweiz kommen. Hier sind die Preise aber höher als in Europa. Die hohen Kakaopreise machen uns ebenfalls zu schaffen. Zudem ist für uns mit 40 Prozent Exportanteil auch der starke Schweizer Franken ein Thema. Gesamtökonomisch gesehen spüren wir auch die Inflation langsam: Der Schoggikonsum geht zwar nicht zurück, aber es werden eher günstigere Produkte gekauft.
Wie stehen Sie zum Standort Flawil?
Flawil ist das Herz unserer Firma und wird es auch bleiben. Alles wird hier entwickelt und produziert. Hier ist unsere Schoggi-Erlebniswelt, die den Besuchern einen Echtzeiteinblick in unsere Produktion gibt. Wir haben in den letzten drei Jahren 10 Millionen Franken in die Modernisierung unserer Anlagen investiert und sind nun noch produktiver was Abfallvermeidung und Effizienz anbelangt.
Ist der Fachkräftemangel ein Thema bei Maestrani?
Ja, da sind wir leider keine Ausnahme. Im Moment sind wir aber noch relativ gut aufgestellt. Es gelingt uns, genügend Menschen für die Arbeit bei uns zu begeistern. Auch sind wir flexibler geworden, was zum Beispiel die Arbeitszeitmodelle anbelangt. Wir wollen und müssen ein attraktiver Arbeitgeber bleiben.
Angenommen, Sie hätten einen wirtschaftsrelevanten Wunsch frei, was würden Sie sich wünschen?
(lacht und überlegt) Darf ich auch zwei Wünsche äussern? Einerseits würde ich mir wünschen, noch direkter beim Konsumenten zu sein: Wir haben zwar einen Webshop und die Erlebniswelt, aber noch kein eigenes Filialnetz. Der direkte Austausch mit den Konsumenten wäre schön. Andererseits machen uns die hohen Produktionskosten und der starke Franken zu schaffen. Für unser Exportgeschäft wäre ein Wechselkurs zum Euro bei 1.80 Franken viel besser.
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Zum Schluss noch ein paar persönliche Fragen. Schoggi: schwarz, braun oder weiss?
Schwarz.
Von dieser Maestrani-Kreation kann ich nicht genug kriegen:
Minor Dark.
Wenn niemand hinschaut, nasche ich gerne dieses Konkurrenzprodukt:
(lacht) Wenn ich lange überlege, kommen mir von Sprüngli die Truffes Cru Sauvage in den Sinn. Das ist wirklich ein cooles Konzept.
Das grösste irdische Glück bedeutet für mich:
Bei aller Liebe zur Schokolade bin ich doch ein glücklicher Familienmensch und habe zwei Kinder. Das grösste Glück ist meine Familie.
Diesen Fehler entschuldige ich bei Mitarbeitenden am ehesten:
Ich wünschte mir, dass meine Mitarbeiter noch mutiger sind und dass Fehler passieren, weil sie beim Ausprobieren von Neuem viel Risiko eingehen.
Das schätze ich an guten Mitarbeitenden am meisten:
Wenn sie fadengrad und direkt sagen, was sie denken und finden. Ehrliches Feedback.
Michel Bossart ist Redaktor bei «Die Ostschweiz». Nach dem Studium der Philosophie und Geschichte hat er für diverse Medien geschrieben. Er lebt in Benken (SG).
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