Im letzten Jahr gab es am Maimarkt keine einzige Kuh zu sehen, in diesem Jahr waren es immerhin 16. Dennoch wollen sich die Verantwortlichen noch einige Zeit geben, sagt Stefan Sieber, Leiter Gewerbe und Markt.
Im letzten Jahr beteiligte sich kein einziger Bauer am Maimarkt. Wie geschockt waren Sie darüber? Oder hatte es sich im Vorfeld bereits abgezeichnet?
Es hatte zwar Landwirte am Maimarkt 2022, aber keine Viehhändler, die Vieh angeboten hätten. Geschockt ist das falsche Wort, wir waren eher enttäuscht. Das Interesse der Viehhändler am Wiler Viehmarkt ist in den letzten Jahren schon rückläufig gewesen und es gab davor schon Märkte mit nur vier bis acht Kühen auf dem Viehmarkt.
Weshalb hat der Markt inzwischen an Bedeutung verloren?
Als Stadt und Veranstalter können wir nicht für die Viehhändler sprechen. Dass die Entwicklungen mit Onlinehandel und Digitalisierung aber auch vor einem Viehmarkt nicht Halt machen, ist klar. Dies gilt nicht nur für den Viehmarkt, sondern allgemein für die Märkte. Ein Markt muss sich entwickeln, sich positionieren. Genau in diesem Prozess befinden sich die beiden grossen Wiler Jahrmärkte jetzt. Ähnliches hatten wir vor einigen Jahren auch beim Wiler Wochenmarkt. Dieser präsentiert sich nun aber auch nach der Pandemie sehr positiv, beliebt und ist zu einem Treffpunkt geworden.
In vielen kleineren Gemeinden sind Viehschauen sehr beliebt. Was ist da anders?
An den Wiler Jahrmärkten findet ein Viehmarkt statt – und keine Viehschau. Für die Wiler Viehschau, die traditionsgemäss in Zuzwil stattfindet, ist Thomas Hollenstein mit dem Viehzuchtverein Wil verantwortlich. Auch mit Thomas Hollenstein hatten wir nach dem Maimarkt 2022 Kontakt. In einem ersten Schritt haben wir uns aber entschieden, weiterhin einen Viehmarkt anzubieten und diesen zu ergänzen sowie aufzuwerten. Ausserdem findet der Anlass an einem Dienstag und nicht wie viele vergleichbare Märkte an einem Wochenende statt.
Sie haben ein neues Konzept erarbeitet, Bauern angeschrieben, die Teilnehmenden erhalten eine Aufwandentschädigung. Dennoch waren am Dienstag nur 16 Kühe zu sehen. Sind Sie darüber enttäuscht? Oder wie stufen Sie die Zahlen ein?
Die insgesamt 16 Kühe stammten von drei verschiedenen Betrieben vor Ort. Natürlich hätten wir uns mehr Vieh erhofft, insbesondere, weil auch das Wetter mitgespielt hat. Nach einigen regnerischen Tagen hatten wir einen tollen Markttag. Der Viehmarkt im Mai ist im Vergleich zum November naturgemäss schlechter besucht – im Gegensatz zum Jahrmarkt, bei dem es genau umgekehrt ist. Wir sind realistisch genug und wissen, dass Änderungen und Anpassungen Zeit benötigen und geben diesem Konzept sicher zwei bis drei Jahre Zeit. Als Stadt können wir nur die Rahmenbedingungen schaffen. Diese kommen bisher gut an.
Das Festzelt war auch in diesem Jahr gut besucht und die anwesenden Viehhändler schätzen die Zusammenarbeit und unser Engagement.
Gab es Rückmeldungen seitens der Angeschriebenen? Oder der Bevölkerung?
Auf unser Schreiben an die Landwirte habe ich nicht viele Rückmeldungen erhalten. Dies ist bei einer Einladung, den Markt zu besuchen, aber auch nicht die Erwartung. Es freut mich aber sehr, dass sich zwei Bauernfamilien gemeldet und an der Grabenstrasse einen Stand betrieben haben. Auch dieses Angebot belebt einen Markt und sorgt für die notwendige Vielfalt. Auch die Marktfahrenden an der Grabenstrasse und die Landmaschinenaussteller - Tellenbach Zuzwil, Brunner Spezialwerkstatt Rickenbach und Robert Aebi Uzwil - haben sich gefreut und erstmals oder nach jahrelanger Pause wieder teilgenommen.
Lohnt sich der Aufwand überhaupt noch? Oder hat sich der Anlass «totgelaufen»?
Ob sich der Aufwand lohnt, wird das Feedback und das Interesse der Besucherinnen und Besucher in den nächsten zwei bis drei Jahren zeigen. Die Stadt veranstaltet einen Markt und den dazugehörigen Viehmarkt insbesondere für die Menschen aus Wil und der Region.
Der Anlass ist mit Traditionen verbunden. Dennoch: Werden Sie daran festhalten? Oder wann sagt man: Es ist genug?
Der Gesamtmarkt hat Tradition und wird so schnell auch nicht verschwinden. Ohne Veränderungen an Traditionen festzuhalten, ist aber nicht unsere Absicht. Unsere Märkte machen nur Freude, wenn sie sich weiterentwickeln. Die Wiler Mai- und Othmarsmärkte werden uns alle sicher noch eine Weile erfreuen. In welcher Form der Viehmarkt Teil davon sein wird, wird sich zeigen. Wie erwähnt geben wir diesem Konzept sicher noch weitere zwei Jahre, bevor wir ein Fazit ziehen.
Weshalb ist es der Stadt Wil wichtig, am Anlass festzuhalten?
Weil der Jahrmarkt und der Viehmarkt zu vielen Begegnungen und Gesprächen führen und ein Treffpunkt für alle sind. Weil der Markt mit der Budenstadt für staunende und lachende Gesichter bei Jung und Alt sorgt. Weil es an den Ständen und auf dem Viehmarktplatz immer wieder Neues zu entdecken gibt.
Gibt es weitere Pläne, den Anlass wieder interessanter zu machen?
Natürlich. Im Team werden immer wieder neue Ideen aufgeworfen und wir freuen uns auch über Inputs aus der Bevölkerung. Es wird aber nicht von Markt zu Markt alles auf den Kopf gestellt. Änderungen müssen jeweils sinnvoll sein und ins Budget passen.
Manuela Bruhin (*1984) ist Redaktorin von «Die Ostschweiz».
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