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Maskenpflicht an Schulen wankt – und nun kommt der «freiwillige Zwang»

Das Zürcher Verwaltungsgericht hat gesprochen: Die Maskentragpflicht an Primarschulen wurde am 4. Juni per sofort aufgehoben. Wie gehen die Schulbehörden damit um? Sie fügen sich murrend – und gehen in die Offensive mit dem Wunsch, die Maske doch freiwillig zu tragen.

Stefan Millius am 07. Juni 2021

Eine Kantonsregierung verordnet etwas, ein Gericht hebt das Verordnete auf, es gilt wieder, was immer galt. So müsste es sein. Jedenfalls in einer perfekten Welt. Eine solche hatten wir noch nie, aber wir haben sie je länger, desto weniger. Das zeigt das Thema Maske für Primarschulkinder im Kanton Zürich.

Während die Ostschweiz wenigstens von einigen der absurdesten Coronamassnahmen verschont blieb, vor allem auch rund um die Kinder, gab der Kanton Zürich stets gern Vollgas. Er verknurrte Primarschulkinder ab der 4. Klasse zur Maskentragepflicht. Dafür brauchte es nicht in erster Linie irgendeine Evidenz einer Gefährdung, sondern  vor allem politischen Willen, sprich: Das Bestreben, es besonders «gut» zu machen. Die Zürcher Bildungsdirektion hatte vor einiger Zeit verfügt, die bewusste Pflicht werde bis zu den Sommerferien verlängert. Man konnte die Sinnhaftigkeit zuvor schon hinterfragen, angesichts der fallenden Ansteckungszahlen des saisonal geprägten Virus war dieser «Zuschlag» nur noch eines: Reine Schikane.

Diese wurde am 4. Juni vom Verwaltungsgericht gebremst. Als Reaktion auf einen Rekurs hob sie die Maskentragepflicht für Schüler der 4. bis 6. Primarklassen per sofort auf. Immerhin gibt es in diesem Land doch noch so etwas wie eine Gewaltenteilung, die bindend ist.

Doch wie reagierten die Zürcher Schulbehörden? Derzeit kursieren verschiedene Schreiben in den sozialen Medien, die zeigen: Nicht besonders souverän. Zum Beispiel dieses hier:

Maske Schulen

Eine etwas flapsige, den Sinn aber wiedergebende Übersetzung wäre:

«Wir haben bisher etwas echt Wichtiges gemacht, und dieses doofe Gericht kapiert das nicht, und dem müssen wir uns leider fügen. Aber kein Problem, wir können es ja freiwillig dennoch weiterhin tun, und wir empfehlen das allen Schülerinnen und Schülern. Je mehr es tun, desto eher werden alle die Opfer von Mobbing, die sich keine Maske aufsetzen, und dann sind die bald so weichgeklopft, dass sie auch nachgeben, und schon haben wir wieder den alten Stand, trotz Gerichtsbeschluss.»

Das alles folgt dem bekannten Muster. Wo keine Verordnung greift, kommt der Gruppenzwang zum Zug. Die «hohe Wirkung» der Maskentragepflicht ist ein Mysterium. Wo sind die bewussten Zahlen, die Belege? Wie kann eine einzelne Kreisschulpflege abschätzen, welchen Anteil die Gesichtsmaske bei den «Ausbruchstestungen» hatte? Kann man sich als lokale Schulbehörde eigentlich noch mehr überschätzen als in diesem Fall?


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Ein Satz wie «Die Freiwilligkeit des Maskentragens der betroffenen Kinder gilt auch für die schulergänzende Betreuung» lässt tief blicken. Technisch gesehen sagt die Behörde damit, dass auch dort ab sofort keine Maske mehr getragen werden muss. Warum sagt man das nicht einfach so? Warum verpackt man es in einen Satz, der suggeriert, man solle dort bitte dennoch freiwillig eine Maske tragen? Die richtige Formulierung wäre gewesen: «Die Maskenpflicht gilt ab sofort auch nicht mehr im Rahmen der schulergänzenden Betreuung.» Es ist eine klare Aussage des Gerichts, basta. Aber nein, man muss sofort festhalten, dass man das Ding natürlich auch dort ganz freiwillig tragen darf.

Man muss sich die Dynamik in einer Schulklasse vorstellen. Es gibt mehr als genug von der anhaltenden Panik getriebene Eltern, die es für völlig korrekt halten, ihren Kindern in der Mittelstufe eine Maske aufzunötigen. Wer keine trägt, gilt für diese Leute als Gefahr. Dieser Eindruck wird im Elternhaus vermittelt und von dort ins Schulzimmer getragen. Es ist eine Frage der Zeit, bis es sozusagen in einer Schulklasse zwei Klassen gibt: Die Verantwortungsvollen, Solidarischen, die ihre Umwelt schützen und die Verantwortungslosen, die mit Gewalt versuchen, das Virus unter die Leute zu bringen. Dem Mobbing ist Tür und Tor geöffnet. Und das befeuert von Behörden, die zuständig sind für eine pädagogische Institution.

Wer sind diese Leute, die einen Gerichtsbeschluss indirekt übergehen, indem sie zwar pflichtschuldig mitteilen, dass die Maskenpflicht vorbei ist, gleichzeitig aber vermitteln, man solle dennoch eine Maske tragen? Welches ist ihre Motivation?  Und wie stellen sie sich die Zukunft vor? Die Maske als freiwillige, aber auf ewig empfohlene Massnahme?

Mit den Schulbehörden ist es wie mit allen anderen Gremien: In der «Krise» erkennt man, wer etwas taugt und wer nicht.

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Autor/in
Stefan Millius

Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.

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