Seit vier Jahren unterstützt der Kanton die Gemeinden dabei, auf öffentlichem Grund mehr Platz zu schaffen für Vögel, Igel, Wildbienen und Schmetterlinge. Insgesamt machen 24 Gemeinden beim Projekt «Vorteil naturnah» mit. Zeit für eine Zwischenbilanz.
Ciril Schmidiger, Gemeindepräsident von Lengwil, zeigt auf den Vorplatz beim Gemeindehaus. Wo einst fremdländische Arten dicht gedrängt wuchsen, sieht man nun den steinigen Boden. Es wirkt noch etwas kahl und steinig. Doch bereits diesen Sommer zeigten sich Raupen des Schwalbenschwanzes, verschiedene Insekten, Bienen und Eidechsen. Nächsten Frühling wird es hier noch mehr blühen und summen, ein wertvoller Lebensraum für Wildbienen und Schmetterlinge entsteht. «Die Gemeinde Lengwil will mit gutem Beispiel vorangehen und das grosse Potenzial für mehr Natur im Siedlungsraum nutzen», sagt Schmidiger. Kein Dünger, keine Spritzmittel, dafür einheimische Arten heisst die Devise.
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Ciril Schmidiger, Lengwiler Gemeindepräsident, Andrea Näf-Clasen, Leiterin Amt für Raumentwicklung, Eveline Gisel, zuständige Projektleiterin, und Matthias Rutishauser, Lengwiler Gemeinderat, auf einer Wiese, die Teil des Projekts «Vorteil naturnah» ist.
Die Gemeinde Lengwil ist in guter Gesellschaft: 24 Thurgauer Gemeinden engagieren sich für eine naturnahe Gestaltung von öffentlichen Grün- und Freiflächen. «Die Vorteile liegen auf der Hand», sagt Eveline Gisel, zuständige Projektleiterin im kantonalen Amt für Raumentwicklung, an einer Medienorientierung. «Mit dem Projekt fördern wir die Artenvielfalt, ausserdem sind die Flächen schöner und häufig oft auch günstiger im Unterhalt.»
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Vorher: Eintöniger Rasen, Friedhof Lengwil 2020. (Bild: Martin Götsch)
Gisel hat diesen Sommer gemeinsam mit den Gemeinden zahlreiche aufgewertete Flächen aufgesucht und dabei festgestellt: Vielerorts hat ein Umdenken stattgefunden: Aus eintönigen Lorbeer-Hecken sind Wildhecken geworden, intensiv gepflegte Rasen wurden zu artenreichen Blumenwiesen. Teilweise braucht die Umsetzung noch Zeit. Bei der Pflege ändert sich einiges, entsprechend wichtig sind Weiterbildungen. Zentral ist auch die Kommunikation gegenüber der Bevölkerung. Nicht für alle ist sofort ersichtlich, dass ein karg bewachsener, sandiger Kiesboden für viele Insekten keine Wüste, sondern ein Eldorado darstellt.
Der Kanton möchte den Schwung weiter nutzen. «Mehr Biodiversität im Siedlungsraum und an Verkehrswegen» ist eines der Ziele der Biodiversitätsstrategie Thurgau. «Vorteil naturnah» wird darum fortgesetzt. «Unser Ziel ist es, dass bis 2028 mindestens 40 Gemeinden mitmachen», sagt Andrea Näf-Clasen, Leiterin des Amtes für Raumentwicklung. Das wäre dann die Hälfte aller Thurgauer Gemeinden. «Es ist Zeit, der Natur in unseren Dörfern und Städten wieder mehr Raum zu geben.»
Das Projekt «Vorteil naturnah»
Den Stein ins Rollen gebracht hatten die Gemeinden Eschlikon und Sirnach. Sie starteten 2018/2019 gemeinsam mit dem Kanton ein Pilotprojekt. Dabei wurden Flächen mit Potenzial für einmalige Aufwertungen und naturnahe Pflege systematisch in einem Grundlagenpapier erfasst. In einem zweiten Schritt wurden die Aufwertungskosten pro Fläche und die spätere Pflege bestimmt. Dann ging es an die Umsetzung. 2019 sprach der Regierungsrat 950'000 Franken zur Nachahmung und Unterstützung weiterer Gemeinden. Hochgestecktes Ziel war damals, dass bis 2023 25 Gemeinden mitmachen. Dieses Ziel wurde mit 24 Gemeinden fast erreicht.