Sie wurde bereits Metzgerin des Jahres und bringt damit auch heikle Themen auf den Tisch. Barbara Ehrbar-Sutter referiert am Ostschweizer Personaltag und gibt Einblicke zum Thema Fachkräftemangel, Fleischkonsum und Tierwohl.
Sie haben bereits einige Auszeichnungen entgegennehmen dürfen – unter anderem wurden Sie Metzgerin des Jahres. Wie schwer – oder eben nicht – hat es heutzutage eine Frau im männerdominierten Beruf?
Ich bin nicht sicher, ob der Beruf so männerdominierend ist, wie Sie es ausdrücken. In unserem Unternehmen arbeiten zum Beispiel mehr gelernte Fleischfachfrauen als Fleischfachmänner.
Und zu Ihrer Frage, ob es eine Frau schwer hat: Nein, überhaupt nicht. Die Metzgerbranche ist diesbezüglich sehr fortschrittlich und die Frauen sind längst in der einstigen Männerwelt angekommen.
Was finden Sie auch nach all den Jahren spannend an Ihrem Beruf?
Mich begeistern die Vielfalt und die Kreativität, die unser Beruf mit sich bringt. Den Weiterbildungs- und Entwicklungsmöglichkeiten sind keine Grenzen gesetzt. Zudem ist unsere Branche krisenresistent, was wir gerade zu Corona-Zeiten extrem gespürt haben.
Wie deutlich zeichnet sich bei Ihnen ein Fachkräftemangel ab?
Wie in allen Branchen sind auch wir nicht verschont vom Fachkräftemangel. Trotzdem sind wir zufrieden, denn jedes Jahr dürfen wir immer wieder neue Jugendliche von dem wunderbaren Beruf des Fleischfachmannes oder der Fleischfachfrau überzeugen.
Die meisten von uns essen zwar Fleisch, dürften aber mit der Herstellung und dem Prozess «Mühe» haben. Hat es sich bei Ihnen schon früh abgezeichnet, dass Sie anders damit umgehen können?
Ich bin in einer Metzgersfamilie gross geworden. Der respektvolle Umgang mit den Tieren und dem Nahrungsmittel Fleisch habe ich in die Wiege gelegt bekommen. Zudem gehören die Schweizer Tierschutzbestimmungen und Tiertransportvorschriften zu den strengsten der Welt. Unsere Lieferanten halten sich an diese strengen Vorschriften und die heutige Fleischverarbeitung ist ausserdem sehr interessant. Aus diesem Grund haben wir unser GUSTARIUM geschaffen, wo Besucher*innen unter dem Motto «erleben, entdecken, selber machen» Einblick in den Verarbeitungs- und Veredelungsprozess erhalten.
Verstehen Sie die Menschen, die zwar Fleisch konsumieren, aber ansonsten lieber die Augen davor «verschliessen»?
Ja, das kann ich. Allerdings ist die Wertschöpfungskette Fleisch heutzutage sehr transparent, so dass es durchaus für jeden sehr interessant sein könnte, sich über den Weg des Tieres von der Weide bis zum Fleischverarbeiter zu informieren.
Wie schwer hat es eine Metzgerei in der heutigen Zeit mit vielen vegetarischen und veganen Alternativen?
Grundsätzlich muss gesagt werden, dass 95 Prozent der Schweizer Bevölkerung Fleisch isst. Die einen mehr, die anderen weniger. Wenn aber Fleisch, dann wollen sich immer mehr Schweizer und Schweizerinnen ein qualitativ hochwertiges Stück Fleisch leisten. Genau in dieser Nische kann sich ein Fachgeschäft profilieren.
Viele Metzgereien in der Region müssen schliessen, Sie konnten das Unternehmen mit dem Breitenmoser Gustarium erweitern. Was machen Sie anders als die Konkurrenz, die es eben nicht geschafft hat?
Viele Metzgereien, die schliessen mussten und die ich kenne, mussten wegen einer fehlenden Nachfolge schliessen. Das ist natürlich sehr schade, denn diese Metzgereien wären auch in Zukunft erfolgreich gewesen.
Die Rezepte sind teilweise noch so, wie es zu Urgrossvaters Zeiten der Fall war. Wie hat sich Ihre Arbeit über all die Jahre entwickelt? Was ist gleichgeblieben, was hingegen überhaupt nicht?
Unsere traditionellen Spezialitäten wie zum Beispiel die Appenzeller Siedwurst oder das Appenzeller Mostbröckli werden noch heute mit dem Rezept wie zu Urgrossvaters Zeiten hergestellt. Verändert haben sich vor allem die technischen Einrichtungen, damit die handwerklichen Prozessschritte ergonomischer gestaltet werden können.
Gerade in der Ernährung gibt es für viele nur noch schwarz/weiss. Die Fronten sind verhärtet, Fleisch-Konsum wird angeprangert, für Veganer und Vegetarier sind sie die «Bösen». Was würden Sie sich von der Gesellschaft, den Medien wünschen?
Ich wünsche mir mehr Toleranz gegenüber anders Denkenden - verbunden mit dem Vertrauen darauf, dass jeder sehr wohl Eigenverantwortung übernehmen kann. Von den Medien wünsche ich mir mehr Objektivität und weniger Sensationalismus.
Sie sind Referentin am Personaltag. Häufig ist es so, dass ein Metzger oder eine Metzgerin zwar hinter ihrem Beruf stehen, aber nicht so gerne darüber reden – wie auch Fleischesser oder ähnliches. Weshalb ist es bei Ihnen anders?
Weil ich grosse Freude und Leidenschaft für unseren Berufstand empfinde und überaus stolz darauf bin, was tagtäglich Grossartiges in unserer Branche geleistet wird.
Manuela Bruhin (*1984) ist Redaktorin von «Die Ostschweiz».
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