Vor Jahren trat er bereits auf der Walensee-Bühne auf. Nun ist Filippo Strocchi in «Les Misérables» gleich in zwei Hauptrollen zu sehen. Warum St.Gallen international sehr beliebt ist und wieso bei der Rollenvergabe Sir Cameron Mc Intosh in London das letzte Wort hatte, erzählt er im Interview.
Filippo Strocchi, Sie sind bereits in Wien, Berlin, Mailand oder London vor einem wesentlich grösseren Publikum aufgetreten. Wie reizvoll ist es da für Sie, nun im Theater St.Gallen zu spielen?
Ich habe über St.Gallen immer nur Positives gehört. Das Theater ist sehr modern und hat eine hervorragende Technik, insbesondere mit dem neuen 360 Grad-Soundsystem. Damit ist es sogar dem Musicaltheater in London überlegen. Ausserdem werden wir bei «Les Misérables» von einem 42-köpfigen Orchester live begleitet. Die Musik kommt nicht «aus der Dose», wie das aus Spargründen an anderen Orten durchaus der Fall ist. Musikalisch ist dies viel hochwertiger und wird von den Künstlerinnen und Künstlern geschätzt. Das Publikum darf sich auf ein fulminantes Tonfeuerwerk freuen.
Mit verschiedenen Musical-Uraufführungen, zuletzt «die Wüstenblume», hat St.Gallen von sich reden gemacht. Welchen Stellenwert hat das Theater als Musicalspielort heute international?
St.Gallen spielt im Musicalbereich in der oberen Liga und verdient fünf Sterne. Über St.Gallen wird immer gut und mit Hochachtung gesprochen. Jobs hier sind sehr begehrt. Meine Musicalkollegen beneiden mich.
Wie sind Sie zu Ihrer Rolle, bzw. sind es eigentlich ja zwei, hier in St.Gallen gekommen?
Meine Agentur wurde von der Theaterleitung angefragt. Die eigentliche Vorstellung lief dann über Videoclips. Persönlich vorsprechen musste ich nicht. Aber bei der definitiven Rollenbesetzung hat Sir Cameron Mackintosh in London das letzte Wort. Er hat sich 1980 die Rechte an einer überarbeiteten Darstellung von «Les Misérables» gesichert. Daher braucht es bei jeder Rollenvergabe für dieses Musical sein Ok.
Wie haben Sie die Proben und das Team in St.Gallen erlebt?
Sehr angenehm und auch sehr kollegial. Die individuellen Bedürfnisse der Sänger werden ernst genommen und es wird auf Details geachtet. So fragt die Maskenbildnerin zum Beispiel: «Möchtest du lieber eine Feder oder einen Clips am Hut»? Kleinigkeiten, die wichtig sein können.
Nach «Cats», «Graf Dracula» oder «Jesus Christ, Superstar» treten Sie zum ersten Mal in «Les Misérables» auf. Was ist für Sie das Besondere an diesem Musical nach dem gleichnamigen Roman von Victor Hugo?
Es ist für mich eine der besten Geschichten. Die Musik ist sehr berührend, aber auch anspruchsvoll. Wer in «Les Misérables» singt, benötigt einen klassischen Background, denn viele Arien darin sind von Pucchini inspiriert.
Wie schwierig ist es, in der gleichen Musicalproduktion zwei verschiedene Charaktere - den Jäger Javert und den Gejagten Valjean - zu verkörpern?
Das ist tatsächlich schwierig und es erfordert eine enorme Konzentration, dass man nicht plötzlich den falschen Einsatz singt. Valjean ist ausserdem eine der schwierigsten Rollen, die es im Musicaltheater gibt. Er ist ständig auf der Bühne präsent und auch in verschiedenen Lebensabschnitten zu sehen: vom Dreissigjährigen bis hin zu seinem Tod.
Welche war bisher Ihre liebste Rolle?
Graf Krolock im «Tanz der Vampire». Seine Unsterblichkeit und zugleich seine Verletzlichkeit haben mich fasziniert.
Gibt es eine Wunschrolle auf Ihrer Liste?
Ja – Sweeney Todd im gleichnamigen Musical - im Film hat Jonny Depp diese Rolle gespielt. Oder Jeckyll in «Jeckyll and Hyde».
Hat ein international auftretender Musicaldarsteller überhaupt ein Privatleben und ein Zuhause?
Mein Hauptwohnsitz ist zurzeit in Stuttgart. Aber meine Heimat ist in Riccione, Italien, wo meine Freunde und meine Familie leben. Während meiner Spielzeit in St.Gallen wohne ich in einer WG mit Kollegen in einer grossen Villa an der Tellstrasse. Das ist sehr angenehm und auch nahe zum Theater.
Haben Sie trotz Ihres zeitintensiven Engagements auch Gelegenheit, die Stadt zu und die Region etwas zu erkunden?
Ja, wir waren bereits im Appenzellerland laufen. Ich finde die Natur hier grandios und es tat gut, nach den Proben den Kopf zu lüften. Während des normalen Spielbetriebs hoffe ich, auch noch Zeit zu finden, um die Stadt St.Gallen und insbesondere den Stiftsbezirk besser kennenlernen.
Wohin geht es für Sie nach Ende der Spielzeit in St.Gallen?
«Les Misérables» ist eine Koproduktion mit dem Münchner Theater am Gärtnerplatz. Ab Ende Februar werde ich dort zu sehen sein und dann habe ich eine Verpflichtung als Athos in den «Drei Musketiere» in Tecklenburg.
Astrid Nakhostin (1959), freischaffende Journalistin, hat Betriebswirtschaftslehre studiert und war 26 Jahre lang als Marketingleiterin bei St.Gallen-Bodensee Tourismus tätig. Die letzten fünf Jahre gehörte sie dem Redaktionsteam des Swissregio Media Verlags an, zuletzt als Redaktionsleiterin der Bodensee Nachrichten.
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