Die Privatbank Notenstein La Roche wird an Vontobel verkauft und dort integriert. Noch Tage vor diesem Schritt hat die St.Galler Bank im Gespräch mit «Die Ostschweiz» die Bedeutung der Eigenständigkeit betont - und von einer stärkeren Annäherung an Raiffeisen gesprochen.
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Dass Notenstein La Roche mit einigen Schwierigkeiten zu kämpfen hat, war bei Experten nicht unbemerkt geblieben. Eine gewisse Personalabwanderung und nackte Zahlen vermittelten den Eindruck, die Bank sei seit dem Verkauf der Privatbank Wegelin an Raiffeisen und der Umbenennung nie so richtig auf Touren gekommen. Die Bank selbst stellte diese Sicht der Dinge in Abrede und erklärte die Ereignisse mit einem laufenden «Transformationsprozess». Das Auslandgeschäft wurde massiv abgebaut, der Fokus lag neu auf Kunden mit Schweizer Domizil, und personelle Anpassungen sollten helfen, das erhöhte Tempo im Finanzgeschäft zu bewältigen. Das alles habe zu Veränderungen geführt, solle aber langfristig dazu führen, am Markt erfolgreich zu sein.
Anders als gedacht
Und nun der Verkauf an Vontobel. Dass etwas passieren wird, war vermutet worden, allerdings gingen die Mutmassungen in eine andere Richtung. Verschiedene Analysten gingen schon länger davon aus, dass Notenstein La Roche früher oder später als eigene Marke unter dem Dach der Raiffeisengruppe keinen Platz mehr haben werde. Die Theorie gingen allerdings nicht in die Richtung eines Verkaufs, sondern eher dahin, dass die Privatbank in der Raiffeisengruppe aufgehen würde. Stattdessen gibt die drittgrösste Bankengruppe der Schweiz nun diese Sparte faktisch ganz auf.
Wenige Tage vor der überraschenden Meldung führte «Die Ostschweiz» ein Interview mit Edy Tanner, dem Leiter Region Ostschweiz von Notenstein La Roche. Das Gespräch drehte sich um die Zukunft der Bank und ihr Verhältnis zur Besitzerin, der Raiffeisengruppe. Aus der Retrospektive zeigt sich aufgrund dieses Interviews, dass man sich bei Notenstein La Roche den Verlauf der Dinge anders vorgestellt hat. Tanner sprach von einer «verstärkten Annäherung in den letzten Monaten» zu Raiffeisen. Diese sei erst jetzt möglich, weil man das Auslaufen von Verträgen abwarten musste, die eine nähere Kooperation verunmöglichten. Nun aber habe man diverse Massnahmen eingeleitet.
Ganz andere Pläne
Der Leiter Region Ostschweiz nannte im Gespräch verschiedene Elemente, die zeigen, dass Raiffeisen und Notenstein La Roche sich in den letzten Monaten tatsächlich Gedanken über vermehrte Synergien gemacht hatten. So wurde vereinbart, dass Notenstein La Roche alle Mandate der Vermögensverwaltung für Raiffeisenkunden übernimmt. Dieses Angebot sollten alle Raiffeisenbanken wahrnehmen können, die das Kernbanksystem Avaloq nützen. Das sind derzeit 20 Banken, weitere sollten noch folgen. Hier tat sich ein grosses Potenzial für die Privatbank auf, das nun vermutlich hinfällig wird - oder in anderer Form umgesetzt als geplant.
Angesprochen auf das Verhältnis zum Mutterunternehmen sprach Edy Tanner davon, dass es «Raiffeisen sehr ernst mit uns meint.» Die Eigenständigkeit der Privatbank sei «ein wichtiges Merkmal, sowohl gegenüber Kunden wie auch in der Öffentlichkeit. Mit der Raiffeisen im Rücken verschaffe man den Kunden Sicherheit, sei aber gleichzeitig eine Boutique, die individuell beraten könne. «Die Verzahnung zwischen uns und Raiffeisen ist elementar und funktioniert sehr gut», sagte Tanner zwei Tage vor Bekanntwerden des Verkauf an Vontobel. Und nun verschwindet die Marke, auf die die Raiffeisengruppe angeblich so sehr setzen wollte, ganz.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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