Die CS wird mit notrechtlicher Unterstützung des Bundesrats durch UBS übernommen. Von der Wettbewerbskom-mission redet gar niemand – dröhnendes Schweigen. Die Notrechtsinitiative ist wichtiger denn je.
Als der Autor dieses Beitrags letzten Oktober als Präsident eines überparteilichen Kantonszürcher Initiativkomitees Unterschriften für die Notrechtsinitiative zu sammeln begann (bis vor Ostern wird mit Hochdruck weitergesammelt, ansonsten die Initiative zu scheitern droht), um den gerichtlichen Rechtsschutz gegenüber bundesrätlichen Notverordnungen auszubauen, stand bereits fest, dass spätestens seit Covid die Hemmschwelle zur Anwendung von Notrecht – einem (eigentlich) ausserordentlichen Handlungsinstrument für schwere Krisensituationen – massiv gesunken ist. Und dies, obschon damals nicht vorhersehbar war, dass mit der nun erfolgenden CS-Rettung Notrecht erneut aktuell würde.
Dass es dies geworden ist, erstaunt gleichwohl wenig. Wenn der Bundesrat bereits einen Rettungsschirm für die weitaus kleinere Axpo bereitstellt und diese als systemrelevant einstuft, verwundert nicht, dass nun auch bei der Credit Suisse eine Vollkaskomentalität implementiert werden soll. Manager mit hohen Jahressalären und Boni verzocken sich, der Steuerzahler bezahlt. In einem bemerkenswert detaillierten CH-Media-Beitrag stellen denn auch die Bundeshausredaktoren Chiara Stäheli und Benjamin Rosch eine klare Zunahme von Notrecht fest. Es brauchte wohl das CS-Debakel, um einigen Leuten die Augen zu öffnen.
In den vergangenen Tagen wurde bereits viel über das CS-Notrecht geschrieben, auch in diesem Medium. Denn es gibt auch viel zu schreiben. Immerhin hatte die Notverordnung von 2008 betreffend UBS-Rekapitalisierung auf 1.5 A4-Seiten Platz. Die CS-Notverordnung, die übrigens weder die UBS als übernehmende Gesellschaft noch die CS als übernommene Gesellschaft namentlich nennt, hingegen umfasst 8 A4-Seiten. Spannend ist aber, was im gesamten Verordnungstext, der in einer Freimütigkeit von diversen formellen Bundesgesetzen abweicht (insbesondere OR, FusG und SchKG), mit keinem Wort zur Sprache kommt – nämlich die Thematik Wettbewerbskommission (Weko).
Am 18. März, also einen Tag vor dem bundesrätlichen Notrechtsentscheid, die CS durch die UBS übernehmen zu lassen, äusserte sich der ehemalige FINMA-Chef Eugen Haltiner kritisch und meinte, die Weko hätte ziemlich sicher Vorbehalte gegen eine Übernahme der CS durch die UBS. Dies ist auch naheliegend, denn durch die Verschmelzung jener beiden grössten Schweizer Banken entsteht eine besonders grosse Ballung von Marktmacht, die eine Monopolbildung begünstigt und damit selbst aus einer wirtschaftsliberalen Sicht nach kartellrechtlichen Leitplanken ruft (so auch die Chicago School, welche insoweit zutreffend mit dem Freiheitsparadoxon argumentiert). Gemäss Artikel 10 des Kartellgesetzes (KG) sind denn auch Unternehmenszusammenschlüsse, welche zu einer marktbeherrschenden Stellung führen, die ihrerseits wirksamen Wettbewerb beseitigen kann, von der Weko zu genehmigen.
Bei Banken tritt dabei, soweit es um Gläubigerschutz geht, die FINMA an die Stelle der Weko, wobei auch diesfalls die Weko zwingend zur Stellungnahme einzuladen ist und nicht einfach übergangen werden kann (Art. 10 Abs. 3 KG). Dennoch liest man in der CS-Verordnung (konkret: Verordnung über zusätzliche Liquiditätshilfe-Darlehen und die Gewährung von Ausfallgarantien des Bundes für Liquiditätshilfe-Darlehen der Schweizerischen Nationalbank an systemrelevante Banken; SR 952.3) hiervon nichts. Liegt dies daran, dass der Bundesrat inmitten all dieses Zeitdrucks nicht daran gedacht hat? Oder wollte er nicht daran denken?
Letzteres könnte denn durchaus der Fall sein, zumal Art. 11 KG, von welchem bislang noch nie Gebrauch gemacht wurde, dem Bundesrat die Kompetenz gibt, Unternehmenszusammenschlüsse, die von der Weko untersagt wurden, auf Antrag hin dennoch zu bewilligen, «wenn sie in Ausnahmefällen notwendig sind, um überwiegende öffentliche Interessen zu verwirklichen». Es scheint, als ob der Bundesrat geradezu darauf spekulieren würde, die ganze Weko-Thematik erst gar nicht aufs Tapet zu bringen, denn schliesslich kann er als ultima ratio die Fusion ohnehin bewilligen. Resultatorientierung pur. Denn der Wortlaut von Art. 11 KG lässt keinen Zweifel daran, dass der Bundesrat eine Fusion erst selber zulassen darf, wenn die Weko – oder bei Banken teils die FINMA – die Zustimmung verweigert hat. Überspringt man diesen gesetzlich vorgesehenen Schritt, kommt dies einer bedenklichen Ignoranz der eigentlich bestehenden gesetzlichen Vorgaben gleich. Denn gesetzliche Kompetenzordnungen sind nicht blosse Schönheitskür, sondern bezwecken den Schutz vor staatlichem Machtmissbrauch. Indem der Bundesrat sich darüber hinwegsetzt, zeigt er: Die Notrechtsinitiative ist wichtiger denn je.
MLaw Artur Terekhov ist selbstständiger Rechtsvertreter in Oberengstringen ZH.
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