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Influencerin Joya Steiner

«Oft ist es einfach nur haltloser Hass»

Joya Steiner (*1999) studiert Psychologie in Bern. Diesem Bereich will sie auch künftig treu bleiben. Parallel dazu sucht sie die Erfüllung als Influencerin. Im Interview mit «Die Ostschweiz» gibt die St.Gallerin einen intimen Einblick und erläutert selbstbewusst, wie sie mit Hasskommentaren umgeht.

Marcel Baumgartner am 26. September 2021

Joya Steiner, eigentlich studierten Sie Psychologie in Bern. Ist es nach wie vor ein Ziel von Ihnen, sich in diesem Gebiet beruflich zu entwickeln?

Definitiv. Ich strebe auf jeden Fall eine erfolgreiche Karriere in diesem Fachbereich an.

Was gab den Ausschlag, sich für diesen Studiengang zu entscheiden?

Ich habe mich schon immer sehr dafür interessiert, wie Menschen funktionieren und was in ihren Köpfen vor sich geht. Ausserdem habe ich schon viele Dinge erlebt, die mich gänzlich forderten und an meine Grenzen kommen liessen. Ich hatte dadurch selbst bereits mit psychischen Problemen zu kämpfen. Umso mehr kamen das Interesse und der Drang, meinen eigenen Kopf zu verstehen. Zudem kann ich damit noch anderen Menschen helfen, denen es vielleicht ähnlich geht. In meinem damaligen Gymnasium konnte ich dann schon im Bereich der Psychologie schnuppern, indem ich den Schwerpunkt Psychologie, Philosophie und Pädagogik besucht habe. Diese Kombination hat mich schliesslich zum Psychologiestudium geführt.

Joya Steiner

Nun sind Sie neben dem Studium als Influencerin tätig – und das bisher auch erfolgreich. Wie sind Sie in diesen Bereich «gerutscht»?

Ich habe schon seit klein auf eine kleine «Entertainment-Persönlichkeit». Schon als kleines Kind bin ich fröhlich vor der Kamera meiner Mutter herumgesprungen und habe es geliebt, andere zum Lachen zu bringen. Als ich dann Instagram entdeckt habe, führte ich es dort weiter und die Leute mochten mich. Es war nichts, das einfach plötzlich kam. Ich war schon immer so.

Wie verbreitet ist gerade auch in Ihrer Generation der Wunsch, als «Influencer» durchstarten zu können?

Ich kenne tatsächlich fast niemanden, der Social Media so intensiv nutzt, wie ich. Für die meisten ist Instagram einfach eine Plattform, um Ferienbilder zu teilen oder einfach zu chatten. Influencer zu sein ist ziemlich anstrengend und ein harter Weg, dies ist den meisten bewusst. Ich denke aber auch, dass dies sehr davon abhängig ist, wo man lebt. In Amerika scheint der Wunsch verbreiteter zu sein als hier in der Schweiz.

Joya Steiner

Wer zählt dabei zu den absoluten Vorbildern?

Ich habe tatsächlich keine Vorbilder. In keinem Bereich in meinem Leben. Ich orientiere mich nicht an anderen Menschen. Das Einzige was ich mache, ist Inspirationen sammeln. Inspirationen bezüglich Content, Looks oder einfach allgemeinen Ideen. Ich denke nicht, dass Vorbilder etwas Schlechtes sind. Sie können durchaus eine Art Motivation darstellen. Ich selbst orientiere mich aber lieber an meinen eigenen Grenzen, Wünschen, Erfahrungen, anstatt in andere Fussstapfen treten zu wollen. Dies motiviert mich viel intensiver.

Womit versuchen Sie, eine möglichst grosse Fan-Gemeinschaft aufzubauen?

Das Wort «Fan-Gemeinschaft» trifft für mich allgemein nicht zu. Ich möchte keine Fans haben. Viel mehr möchte ich einfach unterhalten, inspirieren. Ich möchte mich mit anderen austauschen, einfach ein wenig aus meinem Leben weitergeben. Ich versuche dafür einfach, ich selbst zu sein. Ich mache das, worauf ich gerade Lust habe, was sich richtig anfühlt. Ich versuche nicht auf Knopfdruck Content zu produzieren. Wenn ich eine Woche keine Lust habe, Stories zu drehen, dann bleibt mein Profil still. Ich höre da ganz auf mein Bauchgefühl. Dadurch habe ich es zwar viel schwieriger, zu wachsen, aber dafür bleibe ich mir selbst treu und behalte den Spass dabei. Das ist mir wichtiger.

Joya Steiner

Der Begriff «Influencer» wird ja nicht selten auch mit negativen Ausdrücken behaftet. Was entgegnen Sie solchen Kritikern?

Pure Unterschätzung und auch ein wenig Ironie. Ich höre viele Menschen immer wieder sagen: «Influencer sein ist so easy. Das ist nicht fair. Die haben einfach ein schönes Leben».

Genau dasselbe auch mit anderen Bereichen, zum Beispiel Student sein. Da heisst es: «Du hast so viel Freizeit. Du hast ja ein schönes und einfaches Leben. Das ist ja nicht so schwer.» Solche Sätze bekomme ich oft genug zu hören. Das Ironische daran ist einfach, dass jeder die Möglichkeit hat, den Weg zu gehen, den er möchte. Aber trotzdem beschweren sich die Leute darüber, wenn man einen aus ihrer Sicht besseren Weg geht als sie es tun. Ich bin nicht Studentin oder Influencerin weil ich privilegiert bin oder weil ich auserwählt wurde. Nein, ich bin das, weil ich mich bewusst dafür entschieden habe und dafür geackert habe. Jeder hätte das Gleiche tun können. Wer hindert dich denn dran, Influencer zu sein? Wer hindert dich daran, zu studieren? Ein anderer Lifestyle wird schlecht gemacht, um sich vor Selbstkritik zu schützen. Man will nicht in den Spiegel schauen, also werden andere an den Pranger gestellt.

Ich habe noch nie auch nur einen «Hater» gesehen, der keinen Neid in sich trug. Denn Menschen, die zufrieden sind, interessieren sich gar nicht erst für etwas, dass sie nicht erfüllt. Klar, nicht jeder mag das Influencer-Dasein und objektive Kritik ist ja kein Ding. Diese kommt aber sehr selten vor. Viel öfters ist es einfach nur haltloser Hass. Schade.

Es herrscht jedoch allgemein der Traum, sich mit gezieltem Content den Lebensunterhalt zu finanzieren. Wie viel Arbeit steckt effektiv dahinter?

Influencer ist ein 24/7-Job. Man kann das Handy nie weglegen. Man muss ständig Content liefern. Um Kooperationen zu ergattern und somit Geld zu verdienen sind vor allem die Insights wichtig und nicht die Followeranzahl. Die Insights sind umso höher, umso mehr Aktivitäten auf deinem Profil stattfinden. Dies erreichst du durch Stories und Posts. Das heisst, man muss ständig aktiv sein, damit die Insights nicht fallen. Dies ist unglaublich anstrengend. Es wird vor allem auch viel Kreativität gefordert, die Leute wollen unterhalten werden. Sie wollen Informationen, die sie noch nicht haben. Sie wollen inspiriert werden. Dies ist nicht zu unterschätzen.

Joya Steiner

Die Versuchung liegt nahe, sich speziell in Szene zu setzen, um Aufmerksamkeit zu erzielen. Wo haben Sie für sich persönlich die Grenzen gesetzt?

Ich würde niemals etwas tun, was nicht mir selbst entspricht. Ich möchte mir einfach immer treu bleiben – egal was geschieht. Ich möchte am Abend in den Spiegel schauen können und stolz auf mich sein. Ich habe auch schon viele Kooperationen abgelehnt, einfach weil sie mir nicht entsprechen. Klar könnte ich vermutlich viel mehr wachsen, würde ich meine Grenzen lockern – aber ich bin nicht bereit, dazu diesen Preis zu zahlen.

Inwiefern kann das Psychologie-Studium bei dieser Nebentätigkeit von Nutzen sein?

Ich beziehe mein Wissen aus dem Studium nicht wirklich in mein Influencer-Dasein mit ein. Ich möchte meine Follower nicht analysieren oder gar manipulieren. Ich mache einfach, was ich will, ganz simpel. Ich trenne diese zwei Bereiche eher voneinander.

Und was ist das Fernziel? Eine klare Nische? Eine bestimmte Anzahl Follower?

Mein Ziel wäre natürlich, so viele Menschen wie möglich zu inspirieren und zu unterhalten. Vielleicht einen kleinen Nebenverdienst aufbauen. Aber natürlich würde ich mich auch darüber freuen die 10K zu knacken.

Joya Steiner

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Autor/in
Marcel Baumgartner

Marcel Baumgartner (*1979) ist Chefredaktor von «Die Ostschweiz».

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