«Europa rückt nach rechts», so das Fazit verschiedener Medien nach den Wahlen vom Sonntag. Insbesondere die Siege der «AfD» in Deutschland und des «Rassemblement National» in Frankreich setzen deutliche Zeichen. Wie deuten dies Ostschweizer Nationalräte?
Seit Sonntag ist klar, wie sich das neue EU-Parlament zusammensetzt. Und es trat ein, was vorhergesagt wurde: ein Rutsch nach rechts. Für SVP-Nationalrat Roland Rino Büchel ist klar: «In vielen europäischen Ländern haben sich die Wähler für Alternativen zum Gewohnten entschieden. Wie die Bisherigen sind auch die Neuen nicht immer über alle Zweifel erhaben. Für uns in der Schweiz gilt, was immer gelten muss: Das Volk hat demokratisch entschieden. Das ist zu akzeptieren.»
Die Spitzenpolitiker in Deutschland und Frankreich würden sich gerne als Vorbilder für Europa und die Welt ansehen. «Nun hat die Partei von Präsident Macron nicht einmal halb so viele Stimmen erhalten wie diejenige von Marine Le Pen. Auch in Deutschland hat das regierende Machtkartell um Kanzler Olaf Scholz eine Schlappe erlitten. Beide haben in den letzten Jahren an den Bürgern vorbeipolitisiert. Darum erstaunt mich das Wahlresultat in beiden Ländern nicht», so Büchel weiter.
Auch Büchels Parteikollege, Nationalrat Mike Egger, hat die Europawahlen mit Interesse mitverfolgt. «Die Resultate und auch Analysen dieser Wahlen zeigen, dass sich die Menschen in der EU grosse Sorgen über die unkontrollierte und ausufernde Zuwanderung machen. Die Migrationspolitik ist neben der angespannten Wirtschaftslage und den damit verbundenen Unsicherheiten in ganz Europa offensichtlich ein zentrales Thema.»
Spannend ist laut Egger, dass sich auch viele jungen Menschen kritisch mit der aktuellen Migrations- und Sicherheitspolitik auseinandergesetzt und entsprechend gewählt haben. «Der massive Anstieg der Kriminalität innerhalb Europas, die teilweise mit der Zuwanderung zu tun hat, muss jetzt von der Politik mit griffigen Massnahmen angegangen werden. Das normale Leben spielt sich auf der Strasse ab und ist Welten vom abgehobenen Brüsseler Regierungsquartier entfernt», ist der St.Galler SVP-Politiker überzeugt.
Anders tönt es – kaum erstaunlich – von linker Seite. SP-Nationalrätin Nina Schläfli zeigt sich besorgt: «Der Rechtsrutsch und die Sitzgewinne vieler rechtsextremer Parteien stimmt sehr bedenklich. Das sind erst einmal schlechte Neuigkeiten für Sozial- und Klimapolitik, aber auch insgesamt für die Zukunft Europas. Ich hoffe, dass sich die konstruktiven europäischen Parteien weiterhin zusammenfinden und gute Lösungen für Europa präsentieren können.»
Und ähnlich tönt es von SP-Nationalrätin Claudia Friedl: «Der Rechtsrutsch bei den Europa-Parlamentswahlen ist erschreckend, aber weniger schlimm als erwartet. So blieb die Sozialdemokratische Fraktion ziemlich stabil über ganz Europa. Auch die Mehrheit im Parlament aus Sozialdemokraten, Konservativen und Liberalen konnte gehalten werden.»
Damit habe die Mehrheit der Stimmbürgerinnen und -bürger gezeigt, dass ihnen die sozialen Themen und die EU wichtig sind. «Das Erstarken der Rechtsaussen darf aber nicht auf die leichte Schulter genommen werden, sonst gewinnt der Nationalismus und Europa driftet auseinander», warnt Friedl.
Marcel Baumgartner (*1979) ist Chefredaktor von «Die Ostschweiz».
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