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Hoffnungen auf einen Plan B

Ostschweizer Zigarettenherstellerin Koch & Gsell vor dem Aus

Das 2015 gegründete Schweizer Start-up Koch & Gsell hat sich in den vergangenen Jahren vor allem als Produzentin reiner Schweizer Tabak- und Hanfzigaretten einen Namen gemacht. Nun muss das Unternehmen aufgrund fehlender Liquidität und des Verlusts der Tabaklizenz Insolvenz anmelden.

Marcel Baumgartner am 09. Januar 2024

Die aktuelle Situation

Da Koch & Gsell sinkende Umsätze verzeichnete, über ungenügend Liquidität verfügte, keine Geldgeber fand und auch das Aktionariat nicht bereit war, Kapital einzubringen, konnte das Unternehmen im November 2023 die Bürgschaft für den Erhalt der Tabak-Betriebsbewilligung (den sogenannten «Revers») von rund CHF 450'000 nicht mehr leisten. Deshalb folgte im November 2023 der Entzug der Tabak-Betriebsbewilligung, was für Koch & Gsell in der Konsequenz Umsatzeinbussen von rund 50 Prozent bedeuten würde. Diverse Rettungsversuche in letzter Minute scheiterten, weshalb nur der Antrag auf Insolvenz blieb. Die Geschäftskundinnen und -kunden wurden am Dienstagvormittag, 9. Januar, informiert. Das Unternehmen ist laut eigenen Angaben stets sämtlichen Forderungen aus dem Nachlassvertrag nachgekommen und hat knapp CHF 1 Mio. an Schulden getilgt. «Ebenso wurden stets alle Löhne und Sozialleistungen bezahlt, es bestehen somit keine Forderungen seitens AHV oder BVG.» Es ist offen, wie es weitergeht: Ein Neustart, der sich ausschliesslich auf das margenträchtigere Hanfgeschäft konzentrieren würde, wäre gemäss Gründer und Geschäftsführer Roger Koch denkbar.

Wie kam es dazu?

Nach dem erfolgreichen Abschluss des Nachlassvertrags im September 2020 folgte in den kommenden Monaten die Ernüchterung: Da praktisch sämtliche Gewinne in die Rückzahlung der Schulden flossen (jährlich rund CHF 300'000), blieb praktisch keine Liquidität für Marketing und Verkauf übrig. Die negativen Image-Effekte aus der Nachlassstundung konnten nicht korrigiert werden, die Umsätze stagnierten und begannen mit dem Ende des Hanfhypes und der angespannteren makroökonomischen Lage – Covid, Ukraine, Inflation – zu sinken und betrugen Ende Dezember 2023 noch CHF 4 Mio., verglichen mit CHF 6,2 Millionen im Dezember 2021.

Inhaber und Geschäftsführer Roger Koch bemühte sich wie er sagt erneut um Investoren, doch scheiterte ein Deal mit der kanadischen Firma Flora Growth kurz vor Weihnachten 2021, da sich das kanadische Unternehmen überraschend aus den Verhandlungen zurückzog. Nach einem kleinen Betriebsgewinn im Jahr 2021 von rund CHF 160'000 erlitt das Unternehmen im Jahr 2022 dann erneut einen Verlust, der kaum mehr zu kompensieren war.

Trotz intensiver Suche nach Investoren konnte Koch & Gsell keine neuen Geldgeber finden, die sich insbesondere nach dem Zusammenbruch sämtlicher Cannabis-Titel an der kanadischen Börse und dem generell raueren makroökonomischen Klima sehr zurückhaltend zeigten.

Erfolge – jedoch ohne monetäre Folgen

Dies, obschon Koch & Gsell in den vergangenen drei Jahren auch mehrere Erfolge verzeichnen konnte: So wurde der erste biologisch abbaubare Filter aus Cellulose gemeinsam mit der Firma McAirlaid’s in sämtlichen Zigaretten eingesetzt, die Universitätskliniken Basel publizierten zwei Studien mit den Heimat-Hanfzigaretten, die die positive Wirkung von Hanf im psychiatrischen Umfeld wissenschaftlich erwiesen, und mit dem «Fresh Cannabis Ice Tea» erhielt das Unternehmen noch im Oktober 2023 als erstes Unternehmen die Verkehrsfähigkeitsbescheinigung für einen reinen Hanfeistee in Deutschland. Allerdings fehlte auch hier stets die Finanzkraft, um die Innovationen angemessen vermarkten zu können.

Verlust der Tabak-Betriebsbewilligung und Insolvenz

Als auch die Aktionäre der Koch & Gsell AG trotz intensiver Gespräche nicht bereit waren, weiteres Kapital nachzulegen, konnte Koch & Gsell die Bürgschaft für die Tabak-Betriebsbewilligung nicht mehr leisten, was zum Entzug derselben führte. «Das war für uns der Genickbruch. Auf den Verlust der Tabaklizenz können wir nur mit der Insolvenzeinreichung reagieren – wir haben mit einem weiteren Umsatzrückgang keine Chance, die Schulden aus der Nachlassstundung und die laufenden Kosten zu decken», sagt Geschäftsführer und Inhaber Roger Koch.

Wie es weitergehen könnte

Koch & Gsell hat in den letzten drei Jahren ausschliesslich neue Hanfprodukte für Nichtraucher entwickelt, so beispielsweise zwei Teelinien und einen Hanfeistee: «Wir haben enormes Know-how, Wissen, Rezepte und ein Patent, das weltweit eingetragen ist, damit müsste sich eigentlich schon etwas machen lassen», so Koch. Das ganze Team wäre gemäss dem Gründer und Inhaber bereit weiterzumachen. Doch auch für eine Anschlusslösung werde Kapital benötigt. «Nun müssen wir aber zuerst einmal die Insolvenz bewältigen. Es tut mir extrem leid für alle Gläubiger, die uns derart geholfen haben und nun leer ausgehen. Wir haben alles versucht – aber es hat letztlich nicht gereicht.»

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Autor/in
Marcel Baumgartner

Marcel Baumgartner (*1979) ist Chefredaktor von «Die Ostschweiz».

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