Komiker Peach Weber kritisiert in einem Interview die Corona-Entschädigungen. Eine Randbemerkung dürfte aber vielen sauer aufstossen. Es geht um Schulden. Und dieses Thema wird uns in nächster Zeit noch stark beschäftigen.
Die Geschichte machte in den Medien die Runde. Komiker Michael Elsener soll während der Pandemie ordentlich Corona-Hilfe in finanzieller Form erhalten haben. Die Rede ist von einer halben Million Franken, die er für sich und sein Team in Anspruch genommen haben soll.
Subito gab es zwei Lager, eines, das diese Unterstützung für gerechtfertigt empfindet und eines, das sich über die «Abzocke» ärgert. Zur zweiten Gruppe gehört Unterhalter Peach Weber, selber seit fünfzig Jahre auf der Bühne und längst zur Marke geworden.
In einem Interview mit dem St.Galler Tagblatt kritisiert Weber die «überrissene Summe» räumt aber im nächsten Satz sogleich ein, dass er den Fall eigentlich zu wenig kenne. Er selbst wäre sich hingegen «blöd vorgekommen», eine Ausfallentschädigung zu beantragen. Jeder Unternehmer müsse in guten Zeiten Reserven anlegen, damit er in schlechten Zeiten gut über die Runden kommt. «Dass man mit Comedy keine Unterstützungsgelder bekommt, halte ich deshalb für richtig. Es ist Unterhaltung, und die muss mit Eintrittsgeldern finanziert werden.» Auf den Umstand, dass während der Pandemie ein vom Staat verordnetes Arbeitsverbot auferlegt wurde, geht er nicht ein.
Weber sagt: «Wenn jemand 20 Jahre im Geschäft ist und sich mit seinem Ersparten kein Jahr über Wasser halten kann, muss er zum Berufsberater.»
Nun kann man den Fall «Elsener» so oder so beurteilen – ebenso auch, ob Kunst subventioniert werden muss oder nicht.
Wie aber sieht es mit seinem Einschub aus, auf der hohen Kante sollte so viel vorhanden sein, dass man sich ein Jahr lang zurücklehnen kann – selbst dann, wenn der Staat von heute auf morgen die Vollbremse zieht? Das dürfte vielen wie ein schlechter Witz vorkommen.
Einer der sich mit der Materie auskennt, ist Lorenz Bertsch, Mitglied der Geschäftsleitung der Caritas St.Gallen-Appenzell. Als Bereichsleiter der Sozial- und Schuldenberatung hat er täglich mit Personen zu tun, die nicht mehr wissen, wie sie ihr Leben finanzieren können.
In der Vergangenheit setzte sich sein Klientel in erster Linie aus Menschen zusammen, die man als «working poor» bezeichnet. Im Jahr 2020 waren in der Schweiz 722'000 Menschen armutsbetroffen.
Nun ist gemäss Bertsch aber vermehrt auch der untere Mittelstand von Schulden betroffen. Und ja, die Anzahl an Begleitungen durch die Caritas hat entsprechend stark zugenommen. «Zum einen wegen der Corona-Nachwehen», erklärt Bertsch. «Das sind Menschen, die über mehrere Monate hinweg einen Einkommenseinbruch hatten und sich teilweise nur noch mit der Kreditkarte über Wasser halten konnten. Jetzt brechen die Kartenhäuser zusammen.»
Hinzu komme nun verschärfend noch die Verteuerung von Energie, Lebensmitteln usw. «Es gibt Klienten, die die Wahl haben, ob sie die anlaufenden Rechnungen bezahlen, oder Geld für Lebensmittel ausgeben.»
Auch Jugendliche würden vermehrt nach Hilfe suchen. «Das sind 20-Jährige und ältere, denen während Corona das Fundament unter den Füssen weggezogen wurde, Jugendliche mit Lehrabbrüchen, mit Tiefstlöhnen, Teilzeitjobs», so Bertsch weiter. Das habe in den meisten Fällen nichts damit zu tun, dass man über die eigenen Verhältnisse lebt.
Trotzdem sieht Bertsch auch einen Mangel an Finanzkompetenz bei den Jugendlichen. Sie wüssten oftmals nicht, wofür Rückstellungen getätigt werden sollten oder gar, was ein Dauerauftrag bei der Bank ist.
«Hier hätten wir gerne eine «Fachstelle für Finanzkompetenz» aufgebaut, die an den Schulen die entsprechenden Informationen abgibt und Schulungen durchführt», sagt Lorenz Bertsch. Und die Schulen wären durchaus interessiert. Man habe schon unzählige Anfragen in diese Richtung erhalten. Die Anfrage betreffend Finanzierung der Fachstelle wurde aber vom St.Galler Bildungsdepartement abgelehnt, die jährliche Finanzspritze von 200'000 Franken für die Stelle nicht bewilligt…
Marcel Baumgartner (*1979) ist Chefredaktor von «Die Ostschweiz».
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